Was bedeutet leben für dich?
Am Anfang war ich etwas über die Perspektive verwundert. In den meisten Büchern zu diesem Thema wird bewusst die Ich-Perspektive gewählt, um dem Leser einen direkten Einblick in die Gefühlswelt des Protagonisten zu geben. Doch diese Geschichte wird uns aus der Er-Perspektive erzählt. Zunächst hat es mich etwas gestört, aber nach ein paar Seiten war man so in der Geschichte drin, dass man trotzdem das Gefühl hatte, direkt in Campells Kopf zu sein. An manchen Stellen hat der Erzählstil die nötige Distanz geschaffen, um sich nicht überrollen zu lassen, was durchaus positiv zu vermerken ist.
Von Spannung will ich hier nicht sprechen, weil diese Art von Geschichte mit keinem Thriller oder Fantasybuch zu vergleichen ist. Man wird am Anfang abgeholt und bleibt zum Schluss sehr nachdenklich zurück. Gefesselt hat es mich auf jeden Fall, weil Campell und ihre verrückte Familie eine herrlich erfrischende Art haben. Seitenweise kann man den Krebs sogar ganz vergessen, bis wir dann wieder brutal daran erinnert werden. Für alle Skeptiker: Die ersten Seiten muss man schon ein wenig “durchhalten”, weil viele Dinge erstmal verwirrend sind, aber es lohnt sich auf jeden Fall, nicht aufzugeben.
Da wir von Anfang an wissen, dass es sich bei der Protagonistin um eine Krebspatientin im Endstadium handelt, ist es umso überraschender, dass sie so stark ist und nicht aufgibt. Man muss sie einfach ins Herz schließen, weil sie so normal ist. Trotz ihrer Krankheit schlägt sie sich mit den alltäglichen Dingen herum wie Familie, Freundschaft und der Liebe. Besonders liebevoll ist ihre Schwester Perry gestaltet. Sie ist 12 Jahre alt und die typische Nervensäge. Sie hat mir mehr als ein Mal ein Schmunzeln auf die Lippen gezaubert und manchmal hat man ihr Alter sogar ganz vergessen, weil sie durch die Krankheit iherer Schwester auch beeinflusst wird – sie wächst über sich hinaus.
Trotzdem möchte ich erwähnen, dass zwischendurch teilweise Sturzbäche aus meinen Augen gekommen sind. Das Buch bzw. Campells Geschichte hat mich sehr berührt, weil ich weiß, wie es ist, jemanden an den Krebs zu verlieren. Wer also beim Lesen emotional sehr beteiligt ist, sollte sich eine Packung Taschentücher als Begleiter mitnehmen. Ich würde es auch in die Kategorie Jugendbuch/junge Erwachsene einordnen, allerdings sollte man mit dem Thema umgehen können.
Den Großteil der Geschichte befinden wir uns in Maine. Die Umgebung wurde bildlich beschrieben und das Haus, in dem sie dort wohnen, hat meine besondere Aufmerksamkeit genossen. Es ist mit all seinen Besonderheiten vor meinem inneren Auge auftaucht und sogar das Meer konnte man manchmal förmlich riechen. Der Schreibstil ist darüber hinaus sehr flüssig, aber doch berührend. Die Autorin versteht es, an den richtigen Stellen, die richte Wortwahl zu finden.
Für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Von lachen bis weinen ist alles dabei. Ich habe es nicht bereut dieses Buch gelesen zu haben, auch wenn sich einige Taschentücher gefüllt haben.