Klappentext:
Konstantin Neumann, ein Ex-Knacki, zieht in eine ruhige Gegend von Münster, um sein Leben neu zu ordnen. Die Frauenleiche im Hausflur ist natürlich nicht eingeplant und wirft bei der ermittelnden Kommissarin unangenehme Fragen auf. In der beklemmenden Atmosphäre eines kleinbürgerlichen Mehrfamilienhauses wird dadurch der bereits wegen eines früheren Totschlags verurteilte Straftäter zum Ermittler wider Willen. Wer hat die junge Frau wirklich auf dem Gewissen? Hinter wessen Fassade tun sich welche Abgründe auf? Plötzlich entdeckt Konstantin eine merkwürdige Spur zu einem längst verschollenen Gemälde von Franz Marc. Welches Geheimnis wird von wem seit Jahrzehnten wohl gehütet? Taucht das sagenumwobene, unschätzbar wertvolle Bild nach siebzig Jahren tatsächlich wieder auf? Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Gemälde und dem Mord?
Meine Meinung:
„Die Flucht der blauen Pferde“ war mein erster Münster-Krimi der Autorin, aber sicher nicht der letzte, denn mit ihrem spannenden Schreibstil hat mich Frau Schulze Gronover sofort für sich gewinnen können. Ein sympathischer Anti-Held trifft auf eine interessante Hintergrundstory, die es in sich hat.
Der lockere, aber doch den Charakteren und der Situation angepasste Schreibstil hat mich auf der ersten Seite direkt abgeholt und bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Die Autorin versteht es, fesselnd zu schreiben und immer wieder spannende Elemente sowie Plottwists einzubauen. Nichts ist, wie es scheint. Alles kann sich im Verlauf der Story als unwahr herausstellen. Dabei wird uns die Geschichte von einem allwissenden Erzähler nähergebracht, um eine gewisse Distanz zu den Charakteren zu wahren. Ich hatte am Anfang ehrlich gesagt ein paar Probleme mit dieser „anonymen“ Sichtweise, weil ich sehr gerne gewusst hätte, was in Konstantin während der ein oder andren Situation vorgegangen ist. Er wirkt zu Beginn etwas nüchtern, was sich aber im Verlauf der Story gibt.
Konstantin ist der typische Anti-Held einer Geschichte. Gerade aus dem Gefängnis entlassen, versucht er möglichst in der Masse unterzutauchen und gerät dabei von einer prikären Situation in die nächste. Ich kann nicht leugnen, dass ich sowohl Mitleid mit ihm hatte als auch Sympathie empfunden habe. Trotz seiner schwierigen Situation lässt er sich nicht unterkriegen und wühlt sogar jedes Mal noch tiefer in der Vergangenheit seiner Mitbewohner. Diese Stärke und sein Forscherdrang zeichnen ihn aus und machen ihn zu dem, was er ist: ein überaus sympathischer Protagonist, von dem ich sehr gerne noch mehr lesen würde.
Die Nebencharaktere sind ebenfalls gut ausgearbeitet und allesamt authentisch. Jeder spielt eine wichtige Rolle in diesem perfekt kontruierten Theaterstück. Besonders der alte Adler hat mir sehr gut gefallen. Sein Mundwerk und seine forsche, raue Art haben trotz allem etwas Knuffiges. Man muss ihn einfach mögen und kann ihn gar nicht hassen.
Dass jeder der Hausbewohner Dreck am Stecken hat, wird ziemlich schnell klar, allerdings wird uns die Lösung des ganzen Falls immer nur häppchenweise serviert und selbst ganz zum Schluss bekommen wir noch mal ein paar neue Details geliefert, die man so gar nicht vermutet hätte. Generell kann ich sagen, dass dieser Krimi sehr spannend war, was nicht zuletzt auch am interessanten Hintergrundthema lag. Der Kunstraub der Nazis ist ja nun wirklich ein ganz heikles Thema und die Autorin hat eine großartige Recherchearbeit geleistet. Dabei werden die geschichtlichen Fakten sehr gut mit der Story verwoben, sodass wir kein seitenlanges Referat bekommen, sondern – im Gegenteil – an den Lippen des Erzählers hängen und mehr zu diesem Thema erfahren möchten.
Insgesamt haben wir es mit einem unblutigen Kriminalroman zu tun, der sich auf die Ermittlungsarbeit konzentriert. Dabei bekommen wir diese aber zum größten Teil aus Sicht von Konstantin präsentiert, der einfach auf eigene Faust ermittelt. Ich hatte oft ein Schmunzeln im Gesicht, weil man manchmal einfach nur dachte: Oh Konstantin, was hast du nun schon wieder angestellt?
Münster als Tatort ist ein bisschen untergegangen. Ein paar Schauplätze werden zwar erwähnt, aber der Krimi hätte auch an jedem anderen Ort spielen können. Ich persönlich fand das nicht tragisch, aber wer hier viele erwähnenswerte und vor allen Dingen dargestellte Plätze in und um Münster erwartet, sollte nicht enttäuscht sein, wenn sie zahlenmäßig begrenzt sind.
Insgesamt hat mir der Krimi gut gefallen und ich werde demnächst auch noch andere Romane der Autorin lesen, weil sie mich mit der Geschichte von Konstantin Neumann und der Raubkunst überzeugen konnte.
Bewertung: 8 Eulenpunkte