Ich habe den ersten Band jetzt fertiggelesen und das ist mein Fazit:
Die erste Hälfte des Buches ist Arbeit ... richtige Arbeit. Man wird in eine vollkommen neuartige Welt geworfen, die sich typischer Fantasy-Klischees bedient, aber eben auch sehr viel Eigenständigkeit an den Tag legt.
Hier liegt auch das erste Problem. Es wird so gut wie nichts erklärt. Auch wenn man mitdenkt und sich anstrengt, kleine Hinweise zu erkennen, bleibt vieles im Dunklen. Das Magiesystem ist am Ende des Buches beispielsweise immer noch nicht nachvollziehbar.
Der zweite Punkt sind die Protagonisten ... endlos viele Protagonisten. Man hat die Malazan-Fraktion, die Bridgeburner, die Gaunerbande rund um Kruppe in Darujhistan, verschiedene Götter, usw...
Diese werden im Minutentakt eingeführt und ich habe mir aus dem Internet eine 'Anfänger-Liste' mit allen vorkommenden Protagonisten des ersten Bandes geholt, um den Überblick zu behalten.
Dann, etwa bei der Hälfte des Buches, hat es plötzlich Klick gemacht und ich konnte die Geschichte richtig genießen.
Der Autor spinnt die vielen Handlungsstränge virtuos zusammen, was dazu führt, dass sich die Wege der einzelnen Protagonisten häufig kreuzen. Die Erzählperspektive wird dabei häufig gewechselt, sodass man beispielsweise die Gedankengänge einer Person mitbekommt, die einer anderen auf der Lauer liegt, nur um beim Perspektivenwechsel herauszufinden, dass die andere Person längst bemerkt hat, dass sie verfolgt wird.
Beschreibungen solcher Situationen beherrscht Erikson wirklich sehr gut und sie haben bei mir für diverse Aha-Erlebnisse gesorgt.
Etwas übertrieben waren allerdings die ständigen Deus Ex Machina Wendungen. Kaum ist ein Protagonist in einer aussichtslosen Lage, schon kommt ein Gott oder ein übertrieben starkes Geschöpf/Magier/Assassine überraschend aus dem Gebüsch gesprungen, um die ganze Situation zu retten. Anfangs war das noch interessant, gegen Ende des Buches wurde es aber an vielen Stellen hervorsehbar.
Trotzdem hatte die zweite Hälfte des Buches einen großartigen Spannungsbogen rund um die Belagerung von Darujhistan, so dass ich das Buch kaum noch weglegen konnte.
Ich freue mich jetzt auf den zweiten Teil und hoffe, dass ein Teil der endlosen Fragen, die aufgeworfen wurden, beantwortet wird.
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Ach ja, die Reihe wird Häufig mit Das Lied von Eis und Feuer bzw. Game of Thrones in einem Zug genannt.
Wer hier ein zweites Westeros erwartet, wird allerdings schwer enttäuscht werden. G. R. R. Martins Reihe ist deutlich stärker auf die einzelnen Protagonisten fixiert. Auch sonst ist das Buch eher an klassische Fantasy angelehnt, als an Martins Mittelalterstil.
Bei Eriksons Reihe werden die einzelnen Protagonisten oberflächlicher behandelt, was aber nicht bedeutet, dass sie flach wären. Es sind einfach keine Protagonisten 'zum Anfassen'. Der Fokus liegt schlicht und einfach mehr auf der Handlung selbst, die vom Autor übrigens erst über einen langen Zeitraum vollständig durchgeplant wurde, bevor er das erste Buch geschrieben hat.
Der Schreibstil ist sehr anspruchsvoll, ohne beispielsweise an die literarische Klasse von Patrick Rothfuss heranzukommen. Der Schreibstil ist in dieser Hinsicht eher funktionell.
Und das Wichtigste: Die Reihe ist bereits fertig geschrieben. Darüber, dass Martin und Rothfuss nicht zu wissen scheinen, wie sie Ihre angefangenen und ins unendliche gehypten Werke vollenden sollen, ist Erikson schon längst hinweg.