ZitatOriginal von Pilvi
@ Mondspielerin
Fürs Spoilern haben wir auch einen Thread: TIP: Spoilern
Merci Pilvi. Macht ja sehr heiter!
_Nina
ZitatOriginal von Pilvi
@ Mondspielerin
Fürs Spoilern haben wir auch einen Thread: TIP: Spoilern
Merci Pilvi. Macht ja sehr heiter!
_Nina
Liebe Miteulen,
lieber Tom et al,
es ist schon eine Weile her, seit ich Siri gelesen habe (sieben Jahre? acht?) – und mir ging es ähnlich wie Tom: Die ersten 100 Seiten (bzw. sogar für mich die gesamte erste Hälfte des Romans) von "Was ich liebte" waren… nun ja… eher langsam, reizarm und handlungsscheu. Es passierte so wenig –
aber dann!
Und vielleicht ist das auch die Kunst, eine der vielen von Paul Austers Ehefrau Hustvedt – das, was danach folgt, die Brutalität des zu frühnen, viel zu frühen Todes, die abgelehnten Lieben, das Implodieren aller Leben, das Auseinanderbrechen der Bindungen und das Neufinden, Garnichtmehrfinden, Sich-verlieren – wirkt umso mehr und heftiger, weil der Auftakt so betulich, so unauffällig, so aktionsarm war.
Als ob all das Nicht-Passieren erst den Resonanzboden konstruierte für den großen Gong und sein Echo.
((Himmel, wie liebte ich diese Briefgeschichte, wie eine der (Nicht)Heldinnen um eine Liebe kämpfte! (Ich mag nicht zuviel verraten).))
Siri schreibt - meine ich - besser und vor allem weniger selbstverliebt als ihr Mann Paul Auster; komplexer sind ihre Figuren (Sie mag sie außerdem und führt sie nicht so vor wie Paul), ergreifender ihre Abgründe, außergewöhnlicher ihre Geschichten.
Was ich liebte ist dennoch auch ein Roman, von dem ich nicht hätte sagen können, wenn mir die Autorin nicht bekannt wäre, ob es ein Mann oder eine Frau geschrieben hätte.
Und das halte ich für ein Merkmal großer, zeitloser Literatur, die sich nicht um Mainstreamthemen kümmert, schon gar nicht um die ewig selben Themen der Romane von Frauen über bestimmte Sorten Frauen für Frauen – wenn es jenseits von Gender und Politik von Menschen, die mit sich selbst beschäftigt sind, und den Dingen, die ihnen sehr wahrscheinlich so passieren, erzählt.
Ich muss mich oft eine Weile von Hustvedt erholen, wenn ich sie gelesen habe. So sehr unterhalte ich mich noch mit dem Gelesenen, taste den Absichten nach, versuche zu ergründen, warum manchmal die Distanz, die sie aufbaut, dennoch intim wirkt - ich weiß nicht, WIE sie das tut, was sie kann, und als Schriftstellerin macht mich das übrigens auch rasend.
Aber angenehm.
Ob "man" Hustvedt lesen sollte?
Um sich eine andere Art Sprache und Betrachungskunst anzulesen: Ja, klar!
Um es leicht zu haben: Sicher nicht.
Um ein Buch für immer zu haben. Definitiv. Manchmal kommen Bücher in unser Leben, für das wir noch nicht lang genug gelebt haben. Manchmal ist es erst später Zeit dafür, und für so ein Buch halte ich "Was ich liebte".
Ich glaube es lohnt sich vor allem dann, wenn man aus einem Lebensabschnitt in einen anderen gleitet; ob nach einer Trennung, Krankheit oder während des Neuverliebens. Man muss die Wucht, die Hustvedt dann in einem zündet, allerdings aushalten können; manchmal wirken ihre Geschichten so, als ob das, was einem zustößt, für immer so furchtbar bleibt.
(Tut es nicht).
herzlichst in die Nacht
_Nina Mondspielerin
Ui, Pilvi et al,
wie geht denn "Spoilern" und was ist das?
fragt herzlich:
Nina Mondspielerin
Liebe Rienchen,
liebe Bleeding,
- heute habe ich meine "Debüts" hier versucht, umso mehr danke ich Euch Profieulen. Danke!
Herzlichst aus Hamburg
_Nina
…und natürlich, als No 5
(5)
DIE ARENA - Polithorror von Stephen King
Das Wort Polithorror habe ich just erfunden, nachdem mir eine Kritik verriet, dass King mit der Arena (oder auch im Original: The Dome / Die Kuppel) ein politisches Buch verfasst habe.
Nun - ich lese die Ibookausgabe und habe das Gefühl, das Buch wird heimlich immer länger und länger und … aber der Reihe nach:
Worum gehts?
Über den fiktiven Ort Chester Mill's geht eines Tages eine transparente Kuppel nieder wie eine Guillotine – und die knapp 2000 Einwohner sind gefangen in einem Mikrokosmos, getrennt von der Außenwelt, die das Innere der Arena/Kuppel zwar sehen kann, aber nicht betreten. (man stele sich eine Teetasse vor, die auf eine Stadt gewölbt wird und bei der Gelegenheit ein Maar Tiere und Menschen spaltet und Fkugzeuge gegen eine unsichtbare Mauer knallen lässt. Wie heizt man eigentlich, wenn alles, wirklich ALLES abgetrennt ist von der Welt?).
Die Hauptfiguren etabliert King erstaunlich lang, lang, lang - als da wären ein Imbissbesitzer, ein geltungssüchtiger Dorfpolitiker, die clevere Zeitungsmacherin, eine Handvoll plietsche Teenager, eine Handvoll mordlustiger Befehlsempfänger, uswuwsf. -
ERSTER Eindruck, der schon etwas länger währt:
Mein persönlicher Lieblingsautor King lässt sich hier wahnsinnig viel Zeit mit der Aufstellung seiner Schachfiguren. Das ist, ja, natürlich interessant, und auf eine "wie immer" Art des Kingkennenden, weiß ich genau, wer Unglück bringen wird, wer vermutlich als erstes oder zweites dran glauben wird, wer die Chose zuletzt aus dem Mist ziehen wird, wer zum Verräter wird, wer als Gestaltwandler so lange auf der falschen Seite steht, bis er /sie auf der richtigen stehen wird.
Dennoch die leise Frage:
Where is the Beef - wo ist die Story?
Ich lese weiter und erhoffe, dass nicht alles erst auf den letzten Seiten passiert; die Aufklärung, die Rettung, die Wandlung.
Und wo die Politik ist, die der Rezent zu entdecken vermochte - Anspielungen auf den Irakkrieg, Anspielung auf das veränderte Amerika nach Nine/Eleven - sich wohl verbirgt? Vielleicht finde ich diese Subbotschaften im zweiten Lesedurchgang.
Dennoch weiß ich schon jetzt: Die Dichte, die King herstellt, die herrliche Absurdität seiner Einfälle, die sprachliche Professionalität - all das macht auch die Arena, trotz ihres arg gemütlichen Starts eines Diesel-Benz', zu einem Lesegenuss.
Bin zuversichtlich, zum Schluss befriedigt zu sein (wenn auch nicht wie bei den Kings Best, wie sie etwa ES sind oder Wahn oder… ach, seufz).
herzlichst in die Leserunde
_Nina
*EDIT_ diverse Rechtschreibschwächen und Tippunfälle im Halbdunkeln.
Liebe Miteulen,
ich arbeite mich bereits seit Wochen verzweifelt Seite um Seite ringend (Es ist ja Buchmesse und die Isländer ala Mode) an "Geisterfjord" und meinem ersten Sigurdadottir ab –
und ärgere mich immer mehr über die Redundanz und Langsamkeit, die Detailverliebtheit, die Handlungsarmut, die Un-Spannung. Es ist inzwischen mein Einschlafbuch geworden, das ich vermutlich nie zu Ende lesen werden, weil ich vorher einnicke.
Für einen sogenannten Thriller, der mit magischen Elementen kokettiert, ist es mir zu gebremst und Zeilenschinderisch erzählt (ausufernde Beschreibung von banalen Tätigkeiten etwa; Cliffhanger die nicht im mindesten Spannung erzeugen, sondern eher nach Lehrbuch und aufgesetzt wirken), die Figuren bleiben sehr fern, leblos, wie durch das falsche Ende eines Fernglases betrachtet; es passiert und passiert nichts und wenn dann so stolpernd wie ein Reizhusten -
- aber vielleicht habe ich nur eine falsche Erwartung gehabt, weil der Verlag großzügig auf dem Umschlag fabulierte: Islands Antwort auf Stieg Larsson?
Nun ja - es ist weder so rasant noch so eigen; gerade die Frauenfiguren bleiben farb- und saftlos. Es besitzt auch nicht die gesellschaftliche Relevanz, und verrät mir nichts über das Land Island selbst, seine Politik, seine Mentalität. Auch das Mystische bleibt diffus (Was ja im Prinzip passt - das Mysteriöse ist ja etwas Unfassbares, Sinnenvernebelndes), unberührend, aufgesetzt.
Nahezu alles bleibt kalt, weit weg; oder, kurz gesagt:
Die Eindringlichkeit wird immer nur behauptet, aber nicht erzählt.
Schade. Habe ich vielleicht nicht mit dem überzeugendsten Roman von der Ingenieurin Sigurdardottir begonnen, mag mir jemand Islandliteraturerfahrene/r noch ein anderes ans fragende Herz legen?
(Oder ist das vielleicht gar kein Krimi, sondern… einfach ein Roman, in dem es zufällig auch eine Polizistin gibt (Die reichlich unterbeschäftigt wird, m.E.), der aber nicht ins Krimifach gequetscht werden müsste??!)
fragt herzlichst
_Nina
Ein wunderbarer Klassiker, eigentlich der beste Sölnder-Roman und Agententhriller, der ein ganzes Genre nachhaltig geprägt hat –
Liebe Miteulen,
wer sich auch mal dafür begeistert, old school-Thriller zu lesen, kommt um die Hunde des Krieges von Altmeister Forsyth nicht herum.
Die Geschichte ist 1974 erschienen, er hat sie Anfang der 70er geschrieben, als die Welt noch eine andere war als heute – inklusive Kalter Krieg und Spionage, Öl-Krise, Vietnam, gedungene Soldaten.
Doch eines hat die Aktualität nicht verloren: Wie die erste Welt die dritte Welt ausnimmt und sich an ihr bereichert; wie es die Gründung des fiktiven Staates in "Die Hunde…" zeigt.
Große Themen, große, traditionsreiche Thrillererzählkunst . es gibt wenige seiner Klasse heute, leider.
Herzlichst aus Hamburg
_Nina
(Editorische Notiz: Diese Anmerkung über Watsons Roman habe ich heute auch in "Was lest Ihr gerade…" eingestellt, hier jedoch die kurze Inhaltsangabe entfernt).Liebe Miteulen,ICH: DARF: NICHT: SCHLAFEN – (Debüt)Roman/"Thriller" von Steve Watson.Der diesjährige Liebling des Föjtons…… überzeugt mich ganz und gar nicht.Der Autor Watson schrieb das Werk während eines creative writing Seminars an der Faber Academy (eine Schreibschule, die z.B. 1500 britische Pfund für einen Drei-Monats-Schreibkurs nimmt)EINDRUCK Und das ist zu merken, dass der Autor noch am Anfang seines Handwerks ist - die Sprache ist banal bis arg schlicht, die Bilder und inneren Befindlichkeiten starr und hölzern, die Figuren flach, die Dramaturgie… hmm… tja. Ausreichend, um es in einer Schulnote zu sagen, aber sicher nicht gut.Ich werde dieses Buch nicht zu Ende lesen. Es ist mir gelinde gesagt jetzt schon gleichgültig, was Christine über sich oder andere heraus findet – Watson hat mich auf den ersten 40 Seiten nicht einfangen können.Wer weiß, wenn dieser Roman nicht so gehypt würde, wäre ich weniger streng und ärgerlich - aber so erfüllt Ich.Darf.Nicht.Schlafen. weder geschürte Erwartungen noch die Versprechungen des "besten Thriller des Jahres", wie es die wunderbare Tess Gerritsen als Blurb/Quote für den Verlag so positiv formulierte.(Edit: Dreimal die ISBN-Nr. eingegeben um endlich den Amazonlink zu erhalten…) Herzlichst _Nina
Liebe Miteulen,
ich las Zusaks Bookthief im englischsprachigem Original – es hat eine Weile gedauert, bis ich kapierte, dass der Tod mir diese Geschichte erzählt!, öfter mal Klappentexte lesen und den Langenscheidt benutzen…
– und bin von der kristallenen Klarheit der Erzählweise umgehauen worden.
Er ließ mit dieser zurückhaltenden Erzählweise in mir intensive Welten entstehen; intensiver als wenn mir ein Schreibender alles en detail vorkaut und wie was wo genau aussieht, riecht, klingt. Allein solche Zweiwortsätze wie:
"Then: Bombs."
… die einfach nur in einer Zeile stehen, danach eine Menge von weißem Papier – ich genieße diese Pausen, die Absätze, das Nicht-Geschriebene, die (halb)leeren Zeilen, die inszenierte Wortlosigkeit nach einer ergreifenden Szene, die mir denoch etwas vermittelt – all das betörte mich an Zusak ungemein.
Mir fällt es nicht so irre leicht, auf Englisch zu lesen; ich lasse mich dann nicht so fallen, was an der Vernunft liegt, die ja ständig mit Übersetzung beschäftigt ist, während die emotionale Gehirnhälfte immer erst auf die Translation warten muss, um das entsprechende Gefühl zu produzieren.
Bei der Bücherdiebin ging es rasch, mich tiefer sinken zu lassen in Gefühl und den "inneren Film", was an der ergreifenden Schlichtheit der Sprache liegen mochte - aber auch an der Zartheit der Gefühle, die in dieser Kriegsgeschichte erzählt wird. Zartheit inmitten dieses unfassbaren Elends, das kaum einer von uns Heutigen nachempfinden kann – Zusak hat es mir in Strecken doch offenbart, die Härte, die Weichheit, die Banalität des Schreckens, die Kostbarkeit des Nebensächlichen.
Ich denke, jedes Buch offenbart jedem seiner Leser etwas anderes; nämlich das, was in dem Lesenden gerade vorgeht, oder nicht vorgeht. Ich glaube, ich habe zur Bücherdiebin ein so liebevolles Verhältnis, weil mich die Beschreibung der Seele so rührte, weil es etwas in mir beantwortete. Hätte ich keine Fragen gehabt, die zufällig DIESES Buch beantwortet, wäre es mir schnurz geblieben.
Herzlichst
Nina
Liebe Miteulen,
ich las AMERICAN PSYCHO etwa vor zehn, elf Jahren mit Ende 20, nachdem es nicht mehr auf dem deutschen Index (da war es seit 1995, KiWi hatte u.a. dagegen geklagt) stand.
Am Anfang war ich maßlos verwirrt:
Was sollten nur diese Listen und wer welche Musik hört und wie im Regal ordnet, diese Manie um Visitenkartenpapier, und warum brachte diese bedrogte Psycho ständig "Hardbodies" (Seine Bezeichnung für Frauen, die sich im Fitnessstudio extrem schlank und hart und "schön" knechten) um, auf so fiese, brutale Weise, dass ich NOCH HEUTE genau weiß, was diese Rattenszene, die oben im Thread angesprochen wurde, bedeutet?
Und vielleicht ist das eines der Faszinosen von AP:
Man vergisst das Buch nicht.
Wegen des Inhalts, wegen der gegen den Strich gebürsteten Art, wie es geschrieben wurde, wegen der abtrusen Nicht-Bestrafung des Patrick Bateman - es ist auf seine Weise Literatur, die besonders ist und die amerkanische Literatur verändert hat. Auch, weil es *nicht* klassisch erzählt (Dreiakter, Happyend, dritte Person, etc.). Weil es elliptisch kreislelt und sich in Aufzeichnungen des inneren Monologs ergießt, die heute jeder (deutsche) Lektor entnervt um 200 Seiten kürzen würde.
Weil es aber auf zuvor nicht existente Weise erzählende Systeme nutzt, um eine Gesellschaft vorzuführen und zu krisitisieren – die Aufzählung der Visitenkartenpapierqualität etwa dient sicher dem Aufzeigen einer Gesellschaftsschicht, die Äußerlichkeiten nutzt, um eine Gemeinschaft zu schaffen –
ZWISCHENBEMERKUNG >>(das Werk erschien 1991 in den USA; es wurde demnach Ende der 80er Jahre geschrieben. Das war die Gordon-Gecko-Wallstreet-Zeit in den USA und später auch in Europa – Statussymbole und Kulturkonsum waren DIE Gesprächs- und Lebensinhalte! Man(n) definierte sich über Outfit, Besitz und ritualisierten Austausch von eng umrissenen Inhalten: Wer welche Mucke hörte, welche Restaurants bevorzugte, welche Frauen wie rumkriegte usw.
Insignien der Macht, aber auch Symbole, wie Uhren, Autos, Labels, Feuerzeuge, Zigaretten, die offenbarten, wer sich zu welcher Gruppe, welcher Schicht, welcher Mentalität zuordnet - nicht mehr Freundschaft und Familie, Emotionen und gegenseitiges Interesse, zeigten Verbindungen und Bindungen auf, sondern Objekte. Äußerlichkeiten.
So gesehen hat AP auch die Geburtswehen unserer heutigen Epoche aufgezeichnet: Mehr noch als je zuvor in der Geschichte der Menschheit definieren wir (abstraktes wir) unser Sein über das Haben. So werden wir alle verwechselbar, austauschbar - wie Patrick Bateman?) <<
Ich habe immer wieder mal an das Buch gedacht, und es mir auch versucht, zu erklären; ich verstand die ermüdende Endlosigkeit von Listen und Vergleichen mit der sinnentleerten Oberflächlichkeit, mit der sich Menschen begegnen und was ihnen wichtig sei in ihrem Leben (oder in einem New Yorker Leben, in einer Großstadt, oder in einer Existenz als Unter-Dreißigjähriger, wenn man noch nicht seinen unabhängigen Charakter gefunden hat, sondern noch zu anfällig auf Insignien von vorgetäuschter Individualität reagiert, wie etwa eine bestimmte Turnschuhmarke, eine Uhrenmarke, eine Clubkarte…).
Ich verstand die Unauffälligkeit und Verwechselbarkeit, mit der die Hauptfigur durch (s)ein krankes Leben geht, und nicht als krimineller Sadist enttarnt wird, mit der Beklemmung der Realität: Der "nette Serienmörder von nebenan" wird auch nie enttarnt, weil er z.B. seine Stiefmütterchen vernachlässigt. Nein, die werden immer schön von ihm gegossen, und das ist Tarnung gegen die Gesellschaft und ihre Regeln von Äußerlichkeit und Anstand genug…
Anders gesagt: Wer nur brav die Oberflächlichkeiten eines allgemein anerkannten, anständigen Lebens ausfüllt, der kann dahinter machen, was er will, und auch ein Psycho sein (man denke nur an all die Väter und Männer, die Töchter und Frauen in Erdlöchern gefangen hielten).
Insofern hat BE Ellis damit die Blindheit der amerikanischen Gesellschaft (Die ja als Vorlage für auch andere - leider - taugt) vorgeführt, Haben und Tun vor Sein. Und diese Chuzpe ist ihm als Leistung anzurechnen.
Ich muss ein Buch und seine Schreibe, seine Inhalte, seine Hauptfigur, nicht mögen oder bewundern, um es dennoch für erstaunlich und bewegend zu halten.
American Psycho ist eine untypisch, sperrig, experimentell und einzigartig erzählte Story eines Psychopathen in den ausklingenden 80er Jahren, der nicht als einziger Mensch in seiner Zeit durchgeknallt ist.
Man kann die Schreibe für anstrengend oder zuwenig lesefreundlich halten, die Geschichte für abartig, den Autoren für hochgradig neurotisch, und die Gesellschaft, die reflektiert und behauptet wird in dem Roman, für überzogen.
Aber es ist dennoch ein Werk, das *anders* war und ist und dadurch die Grenzen der Literatur wieder einmal gedehnt hat (Auch mal schmerzhaft und blöde, blöde überlatscht).
Muss "man" es gelesen haben?
Nun. Ich denke, müssen muss man kein Buch gelesen haben!
Mir hat es damals als junge Frau wahnsinnig viele Denkaufgaben gestellt, und das weiß ich an Büchern sehr zu schätzen - wenn sie mich beschäftigen, zum Widerspruch anregen, meine Fähigkeit zu abstrahieren erweitern, zum Weiterdenken, auch zum Überprüfen meiner eigenen starren Lese/Schreibprinzipien.
Es war für mich eine Probe meiner Liberalität ggü. Literatur.
Und wer diese Probe für sich auch machen will… könnte in AP zumindest mal reinschauen.
Herzlichst in die Runde
Nina Mondspielerin
Liebe Miteulen,
auf zwei 12-Stunden-Zugfahrten dröhnte ich mir alle Olsens rein; ärgerte mich insbesondere beim zweiten Teil über:
- die ewig gleichen dramaturgischen Kniffe die schon im ersten Teil vorkamen, vorhersehbar, dadurch unbefriedigend - zwar handwerklich sauber, aber wer mag sich schon immer am selben Strickmuster abarbeiten? Ein wenig (oder mehr!) Mut zur Überraschung und weniger 08/15 wäre ganz ausgezeichnet gewesen, gilt insbesondere für Teil 3, wo es mehr und mehr um die Figuren gehen wird und immer weniger um den Fall.
- die arg überzogene Weise, wie Carl, Assad, Rose et al gezeichnet werden – die gleichzeitig wahnsinnig eindimensional ist. Die immerselben Gesten, immerselben Macken und Mäckchen, immerselben "Geheimnisse". Ich wünschte, Olsen hätte mehr als nur drei Charaktermerkmale pro Figur verwendet.
(Ich weiß bis heute nicht, warum Carl ein so angeblich gefürchteter, auf die Gerechtigkeit pochender Polizist sei - es ist eine immer währende Behauptung, nie ein erzählter Beweis. Warum mögen ihn die Kollegen nicht? Weil es sich "so gehört" für eine moderne Ermittlerfigur?)
- die gesamte Olsenreihe lebt von der vorgetäuschten Skurillität der Figuren. Gut, es ist natürlich subjektiv und geschmäcklerisch, dass mir dieses Schema nicht zusagt; deswegen auch eine objektive Anmerkung meines Respekts vor dem Schreib-Arbeiter Olsen:
Vom Handwerklichen her indes ist die Reihe sauber, über dem Durchschnitt, zeugt von Training, Können und auch gutem Lektorat, da beherrscht der Autor sein Business, inklusive Tränendrüsenmassage und Gruselhaut, Action und Humor.
Aber ich wünschte, er würde sein Können weniger marktschmeichelnd, auf die gut verkäufliche Krimikost abgestimmt, einsetzen, seine Figuren mehr lieben und nicht so platt zeichnen – und etwas jenseits der modernen Erfolgsregeln wagen. Die Instrumente hat Olsen dafür allemal.
_Nina Mondspielerin
UswusFortsetzung…
(4)
MEIN WIRST DU BLEIBEN – Kriminalroman von PETRA BUSCH
Nach ihrem Gewinn des Glausers für das beste (Krimi)Debüt nun der zweite Petra Busch. Frisch rausgekommen (Okt.) zur Buchmesse.
Worum gehts?
Miriam pflegt ihre verwirrte, nach einem Unfall des Gedächtnisses beraubte Mutter Thea – manisch, muss man sagen, Miriam will ihre Mutter ganz und gar für sich, getrieben von Verlustangst.
Zwei Morde stören dieses Tochter-Mutter-"Idyll", Kommissar Ehrlinspiel (Aus dem ersten Buschkrimi bekannt) kommt Miriam zu nah – und wer letztlich warum in Gefahr schwebt… sollte man selbst lesen.
ERSTER EINDRUCK
Mir gefällt die Sprache sehr, auch die Idee (obgleich man da in einer gefassten Stimmung sein muss – empfindsame Lessende werden schnell darauf gebracht, ihre eigenen Familienverhältnisse zu überdenken; ich lese schneller, um dann mehr zu berichten.
(3) Fort-Fortsetzung…
ICH: DARF: NICHT: SCHLAFEN – (Debüt)Roman/Thriller von Steve Watson.
Der diesjährige Liebling des Föjtons…
… überzeugt mich ganz und gar nicht.
Worum gehts?
Christine erwacht jeden Morgen aufs Neue in einem ihr fremden Leben: Gedächtnisverlust, und das seit (angeblich) 20 Jahren. Auf der täglichen Suche nach sich selbst stellt sie sich auch die unangenehme Frage: Wem darf ich trauen? Meinem Tagebuch? Meinen Psychotherapueten? Meinem Ehemann – oder dem gerade nicht?
Der Autor Watson schrieb das Werk während eines creative writing Seminars an der Faber Academy (eine Schreibschule, die z.B. 1500 britische Pfund für einen Drei-Monats-Schreibkurs nimmt)
EINDRUCK Und das ist zu merken, dass der Autor noch am Anfang seines Handwerks ist - die Sprache ist banal bis schlicht, die Bilder und inneren Befindlichkeiten starr und hölzern, die Figuren flach, die Dramaturgie… hmm… tja.
Ich werde dieses Buch nicht zu Ende lesen. Es ist mir gelinde gesagt jetzt schon gleichgültig, was Christine heraus findet – Watson hat mich auf den ersten 40 Seiten nicht einfangen können.
Wer weiß, wenn dieser Roman nicht so gehypt würde, wäre ich weniger streng - aber so erfüllt es weder geschürte Erwartungen noch die Versprechungen des "besten Thriller des Jahres".
(Edit: Dreimal die ISBN-Nr. eingegeben um endlich den Amazonlink zu erhalten…)
(2) Fortsetzung…
GEISTERFJORD - ein Island-THRILLER von Yrsa Sigurdardottir
Drei Mittdreißiger aus Reykjavik – ein Paar, eine Witwe – beziehen ein halbrenoviertes, seltsames Haus in den menschenleeren Westfjordem Islands, um dort für die kurzen Sommermonate ein Gasthaus zu eröffnen. Bald werden sie geplagt mit seltsamen Erscheinungen eines weinenden Kindes, das ihnen auch noch aufzulauern scheint und böse Absichten hat… oder?
Parallel dazu ermitteln ein Polizistin und ein PSychologe (Der einst von Jahren seinen Sohn verloren hat – der evrschwand eines Tages, aber seine Leiche wurde nie gefunden; lebt er gar noch) in seltsamen Todesfällen, bei denen auch stets ein geheimnisvoller Junge eine Rolle spielt.
EINDRUCK
"Islands Antwort auf Steig Larsson" verkündet die U4 etwas sehr vollmundig; so muss ich persönlich bisher sagen: Ich bin gelangweilt von diesem misslungenen Versuch, Mystik mit Crime/Thrill-Elementen zu verbinden.
Die Story ist so langsam erzählt, so un-glaub-lich redundant. Zuviele Einzelheiten werden bis zum letzten Ornament erwähnt, anstatt es nur anzuschraffieren (oder einfach wegzulassen, wie wer sich Kaffee einschenkt. Zeilenschinderei)
Unter Thriller stelle ich mir ein anderes Erzähl-Tempo vor (Immerhin: Thriller leiden meist darunter, dass die Figuren blass, eindimensional oder allzu steoreotyp wirken DAS hat Geisterfjord leider auf jeden Fall geschafft).
Ich lese gerade – wie immer gleichzeitig - folgende Werke
>>>>(Jeweils einzelner Post):
(1)
NOCH EIN MARTINI und ich lieg unter Gastgeber / Eine Dorothy-Parker-BIOGRAFIE von Michaela Karl.
Eindruck: Ganz großes Tennis. Als Bewunderin von DP ist diese - in Präsenz - erzählte Lebensgeschichte wie ein eigener Roman; es rührt mich zum Lachen und Weinen, es erzählt mir nicht nur viel über die Autorin Parker, sondern auch über das Amerika ihrer Zeit, über Rassentrennung, Krieg, über die Kämpfe der Frauen auf ein eigenständiges Leben. Eines der besten Bücehr zum Verschenken und Immer-wieder-Lesen.
ZitatOriginal von Suzann
Das ist mir auch aufgefallen. Marianne hat soviele Stärken und Fähigkeiten. Warum sie jahrelang ihr Licht so unter Lothars Scheffel gestellt hat, habe ich nicht kapiert. Das ein einfältiges kleines Hausmütterchen sich 40 Jahre lang von einem dominanten Ehemann herumkommandieren lässt, kann ich nachvollziehen. Marianne ist das aber ganz und gar nicht.
Liebe Suzann,
liebe Sandrah,
Marianne hat schon als junges Mädchen ihrer Großmutter, Hebamme, assistiert (Das zu Sandrahs Einwurf).
Und das zweite:
Die Angst vor der eigenen Stärke ist ein Phänomen, das viele Frauen im Klammergriff des (Selbst)Kleinmachens gefangen hält.
Ihnen ist es unangenehm, stark oder stärker zu sein als andere; sie halten es für einen unliebbaren Faktor ihrer Wesenshaftigkeit.
Plus: Es gibt Situationen im Leben, in denen sich das erste Mal zeigt, welchen Kern ein Mensch überhaupt hat. Meist erst dann, wenn er (Selbstgesteckte) grenzen überschreitet, ob freiwillig oder gezwungen (Bei Katastrofen etwa).
Wer nur in dem bekannten kleinen Leben hockt, weiß oft gar nicht, was in ihm steckt.
Ich weiß, das gilt für sehr viele Persönlichkeiten, denen ich täglich begegne: sie fahren mit halber Kraft und wissen es nicht.
Liebe Grüße in die so langsam ausklingende Leserunde -
:Nina Mondspiel
Ihr Lieben,
ich möchte darauf hinweisen, dass die Sonderausgabe zwar von 2010 ist, aber die Schmutzigen geschichten so um 2005 erschienen. Gut, das Begehren ist zeitlos - aber ich als Urheberin lese manchen Geschichten an, dass ich sechs sieben Jahre jünger war.
Ich arbeite ab näächstem Jahr an dem Nachfolger, und auf der FB-Site von Anne West sind einige andere (jüngere) erotische, anregende, zärtliche, unanständige… Shorties bzw. Sammelbände zu finden; auch die eine oder andere Leseprobe, sonst auf der Homepage.
Denn mit Büchern ist es wie mit Liebhabern: Erst mal antesten.
Herzlichst
Nina aka Mondspielerin aka Anne W.
Ihr Lieben,
kein schlechtes Gewissen nötig. Alles braucht seine Zeit. Zu schreiben, zu lesen, zu denken –
meine ich.
_Nina
Liebe Verena,
bei einigen Zitaten bin ich mir sehr sicher, dass sie aus meinem Leben und Wissen stammen, bei anderen bin ich mir sicher, dass meine Mutter, mein Vater, meine liebste Freundin, oder gar mein Mann sie mal so ähnlich formuliert haben – andere habe ich mal in Gesprächen mit Bekannten oder Kollegen gehört und in meinem ständigen Notizbuchbegleiter notiert; oder ich habe auf Phrasen rumgedacht und neue Lösungen und Erkenntnisse gewonnen W8e etwa aus "Alles hat seine Zeit", das musste ich für mich erstmal durchdenken und überprüfen) - und bei einem weiß ich, dass ich es geklaut habe. Nur ncht mehr wo: Buch? Film? Grabstein?
Ich habe das Buch 2009 abgegeben, also vor zwei Jahren. Manches ist in der Tat im Nebel der Arbeit verschwunden.
_Nina
Lieber Maikäfer,
Ich merke Büchern an wenn sie ihren Autoren nicht am Herzen gelegen haben. Und sowas lese ich sehr ungern. Und so etwas will ich auch nicht schreiben.
Ich kann mich nur ganz reinlegen, oder gar nicht; wenn ich nicht alles, was ich bin und was ich kann und ich fürchte und was ich will, hinein lege – wozu dann überhaupt schreiben?
Sehr liebe Grüße, und Danke, dass Du noch ein Mal nach haktest. Haktetest? Eh.
Nina