Hallo,
ich weiß jetzt nicht, wie tief die Anfrage oder Interesse im Eröffnungsbeitrag wirklich gemeint war und hoffe daher, dass ich jetzt nicht zu umfangreich werde.
Ich sehe die Situation von beiden Seiten - von der betroffenen und von der anteilnehmen Seite. Die betroffene ist die, dass ich selbst seit frühester Kindheit schwer chronisch krank bin und im Laufe der Jahr(zehnt)e schwere Körperbehinderungen davon getragen habe. Folge davon ist natürlich eine im Gegensatz zu "Gesunden" völlig andere Lebens- und Alltagsituation.
Ich wage jetzt zu behaupten, dass natürlich Menschen mit Behinderungen, mittlerer und schwerer Krankheit anders behandelt werden. Ich weiß, dass man von sich gerne behauptet, man behandle alle Menschen gleich und ich selbst habe das auch von mir behauptet, doch eigentlich ist es so, dass das gar nicht geht.
Als Betroffene erkenne ich diese Situation und verstehe das bzw habe mich längst damit abgefunden. Aufgewachsen in einer großen Familie und stets ins normale Umfeld eingebunden, war es für mich immer die größte Herausforderungen, genauso behandelt zu werden, wie alle anderen. .... und hier habe ich das Wort Herausforderung bewusst gewählt. Es ist durchaus so, dass Menschen mit Krankheit/Behinderung gar nicht anders behandelt werden wollen, dabei aber auf Grenzen der Umwelt stoßen
Das Leben ist so komplex, dass es jetzt wirklich schwierig ist, Beispiele dafür zu finden. In meinem Job ist es so, dass ich durchaus das Gefühl habe bzw es auch schon von Kollegen mehrfach bestätigt gekriegt habe, dass ich bei weitem härter arbeiten muss(te) um das zu erreichen was ich jetzt habe. Es geht darum (und ging auch schon in meiner Schulzeit darum) stets zu beweisen, dass man nicht dumm ist, nur weil man optisch (Behinderung ist ja auch oft optisch negativ behaftet) und leistungsmäßig nicht so fit wirkt. Dass hinter diesem rein äußerlichen Anschein oft absolute Motivation steckt, muss bewiesen werden - und das immer und immer wieder. zB hatte ich in meinem früheren Job oft Kundenkontakt und saß direkt an einem Kundenschalter. Da kamen sehr oft Leute rein, sahen mich und meinten zu mir "Na, niemand da?". Es wurde mir einfach nicht zugetraut, dass ich diesen Job hier erledige. Diese Situationen kamen unglaublich oft vor und machten sehr mürbe. Dennoch spornten mich Ausagen wie diese unglaublich an und ich betreute mit einem unglaublichen Ausmaß von Freundlichkeit und Kompetenz - nur warum musste ich das? ... nur weil ich beweisen musste, dass ich "trotzdem" nicht dumm bin?
Das Kleine steckt auch hier wie immer im Detail. Es ist nett, wenn ich zB ganz bedrückt von einem Arztbesuch zurückkomme, weil ich eine negative Prognose gekriegt habe und meine Leute um mich rum, wollen mir zeigen, dass sie mich verstehen und mitfühlen. Oft wird auch übermäßig viel Positivität ausgedrückt "nur nicht den Kopf hängen lassen" - "das schaffst du schon" - "du hast doch schon so viel geschafft". Doch will man das? Will man, dass jedes persönliche Problem zum Familienproblem gemacht und auch so behandelt wird? Viele Leser hier würden sich jetzt wahrscheinlich denken - "ja, das ist doch sehr nett" ... und das stimmt auch, aber es trifft oft nicht den Wunsch des Betroffenen.
Ich denke genau weil ihr das Maß des Zuviel und des Zuwenig (übertriebene Fürsorge ist genauso falsch wie absolutes "Verschweigen" oder gar Ignoranz des Problems) so schwer abzuschätzen ist und man auch hier auf eine unglaubliche Vielfältigtkeit stößt, kann man nicht sagen - "ich behandel alle Menschen gleich" oder auch "ich achte darauf, rücksichtsvoll zu sein".
Ich denke die Lösung liegt hier in jedem selbst. Wenn man das Gefühl hat, man muss sich in Gegenwart eines Menschen mit besonderen Schweirigkeiten/Bedürfnissen verstellen oder sich ganz anders präsentieren als man eigentlich ist, ist es auf jeden Fall falsch. Jeder Mensch (egal ob gesund oder nicht) spürt, ob der andere Mensch wahr oder unwahr ist. ... und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand wohlfühlt, wenn er merkt, der andere spielt etwas vor.