Ich hab das Buch gestern Abend nun auch zu Ende gekriegt. Wie ja schon vormals irgendwo behauptet, bin ich keine große Krimi/Thriller-Leserin, aber dieses Buch hat mich überzeugt.
Ich genoss in diesem Buch sehr, dass die handelnden Personen Charaktere gekriegt haben. Sie leben, haben verständliche Empfindungen und setzen dementsprechende Handlungen. Ich fand die Figuren Alfred, Anne, Harald, Mareike, Bettina samt Kids sowie einige Personen am Anfang des Buches - Peter Wagner, dessen Frau und Benjamin - sehr gut ausgebaut und sehr gut erklärt. Die Geschicht erklärt sich dadurch ausgezeichnet. An manchen Stellen wurde offensichtlich nach dem Motto "Weniger ist mehr" gearbeitet, was mir auch sehr gut gefiel. Z.B. die kurze Erwähnung, dass Anne wieder schwanger sei am Schluss des Buches. Fragt sich - von wem? Aber eigentlich fragt man sich nicht - ganz klar von Harald, die Ehe scheint wieder ins positive zu gehen. Die Tatsache, dass sie Felix gefunden haben, ihm ein Grab geben konnte und eine Stelle wo man zurückkehren kann um ihn zu besuchen, scheint die Situation verbessert zu haben. Sie kommen zur Ruhe, können Felix endlich loslassen und konzentrierten sich auf die Familie. Wunderbar geschrieben - einfach hervorragend. Ruhig und logisch - ganz toll.
Peter Wagner kehrt in die Handlung zurück. Im Gegensatz zu Anne und Harald konnte er noch keine Ruhe finden. Ihn traf es hart - sowieso schon labil und unglücklich mit einem Hang zum Alkohol, weil seine Frau, die er offensichtlich sehr liebte aber schwer krank wurde, verliert er seinen Sohn auf tragische Weise. Seine Frau bringt sich um und er verliert alles in seinem Leben. Ich stelle mir vor, dass er danach schwer abrutschte und für sich keinen guten Weg mehr fand. Aus diesem Ergebnis heraus, möchte er Rache üben - an dem Mann der ihm alles was er hatte zerstört hat, an Alfed. Er ist der Einzige, der nichts mehr zu verlieren hat und tötet ihn "mitten in die Stirn". Meines Erachtens sehr gut aufgebaut - hervorragend transportiert.
Was mich am Ende des Buches noch sehr faszinierte, war der Auftritt von Pit - kurz und bündig aber wichtig. Nur er konnte Peter unterstützen - für die Gerichtigkeit und für die vielen Familien, denen soviel genommen wurde. Nur er konnte die Waffe hinterm Feuerlöscher verstecken. Ein herrlicher Auftritt, der dem Buch am Ende noch wesentliche Gedankengänge vermittelt.
Alfred, offensichtlich ein Kern-Pädophiler, führt ein Doppelleben. Ich denke, dieses führt er nicht einmal bewusst. Er schwankt zwischen Welten und kann nichts dagegen tun. Trotz immer wieder aufflackernder Gefühlsmomente bleibt er kalt und grausam. Als die Polizisten Jan fanden und schnell nach einer Ambulanz riefen, weil noch ein schwacher Puls zu fühlen sei, meinte Alfred/Enrico lediglich: "Oh nein, das wolle ich nicht". Auch hier arbeitet die Autorin mit kurzen präzisen Aussagen, die unglaublich aussagekräfit sind. Enrico meint nach wie vor, er sei Gott, er sei derjenige der über Leid und Glück entscheidet, er wisse was Gut und was Böse sei. Sehr gut, hat mir ausgezeichnet gefallen.
Im Großen und Ganzen hat mich dieses Buch sehr überzeugt. Ich ging mit einer sehr geringen Erwartung an die Lektüre heran und würde sehr positiv überrascht. Ich denke, nach diesem Erfolgserlebnis werde ich mir nun öfter überlegen, ob ich nicht mal wieder zu einem Krimi greife.