Beiträge von rumble-bee

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    Das Buch hat sich seine schlechte Bewertung selber zuzuschreiben. Denn ich empfinde es schlicht als Mogelpackung. Gleich zweimal wird in Cover und Klappentext geschummelt. Erstens: es wird behauptet, in dem Buch gehe es um eine Reise in die Türkei, und die Beobachtungen, die die Autorin dabei macht. Zweitens: durch die völlig überdrehte Illustration erwartet der Leser eine humoristisch-augenzwinkernde Darstellung. Doch beides stimmt für mich nicht.


    "Eine Reise zu meiner schrecklich netten türkischen Familie": das tut ja schon fast weh, so deutlich wird hier auf ein Erfolgsrezept angespielt, das mit Jan Weiler und "seiner" italienischen Familie begann. Man hat wohl gehofft, auf ein bewährtes Konzept aufspringen zu können. Doch: höchstens in einem Drittel des Buches geht es um die Reise der Autorin in die Türkei. Die komplette erste Hälfte des Buches verbringt sie damit, die Geschichte ihrer eigenen Familie in Deutschland zu schildern, welche durch den dickköpfigen Auswanderungswillen ihrer Mutter entstand. Danach beginnt zwar tatsächlich die Reise in die alte Heimat, doch wird sie immer wieder unterbrochen durch Rückblenden, durch Erlebnisse, die sie mit dieser oder jener Person in der Vergangenheit hatte. Das stört erstens den Lesefluss, und überdeckt vielleicht auch die Tatsache, dass sie über ihre Reise nicht eben viel zu erzählen hat.


    Zweitens muss ich ehrlich sagen, dass dieser geradezu zwanghafte Versuch, das Buch auf "lustig" zu trimmen, gründlich in die Hose gegangen ist. Das Cover ist einfach nur albern, und passt auch nicht zu den geschilderten Personen. Sicher beschreibt sie Episoden, über die sie, die schon so lange in Deutschland lebt, nur den Kopf schütteln kann. Aber "lustig" ist davon eigentlich fast nichts. Alle Menschen, denen ich hier begegne, sind innerhalb ihres eigenen Kontextes ganz normale Leute mit ihren verstehbaren Sorgen und Nöten. Eine Tante, die gerne kocht, eine andere, die sich der Religion stark zugewandt hat, ein unverheirateter Cousin, eine alleinerziehende Cousine, ein langsam alt werdender Vater. Wenn überhaupt so etwas wie Komik hier aufkommt, dann kann man es höchstens als deutsche Überheblichkeit werten. (Besonders ihre abwertende Haltung gegenüber der Religion habe ich der Autorin übel genommen! Das gehört sich einfach nicht. Es ist eine Sache, wenn man sagt, dass man selber nicht so viel damit anfangen kann. Aber sich über religiöse Gebräuche lustig zu machen, ist für mich ein Unding sondergleichen.)


    Die wenigen Punkte, die ich dennoch verleihe, möchte ich fast ausschließlich auf die erste Hälfte des Buches bezogen wissen. Denn der Bericht, wie ihre Familie überhaupt nach Deutschland kam, war teils richtiggehend spannend. Nur der Mutter und ihren ehrgeizigen Ambitionen war es zu verdanken, dass die Familie nach Deutschland kam - der Vater gab dafür sogar seinen Posten als Schulrektor auf! Die Mutter muss eine beeeindruckende Persönlichkeit sein. Auch hat mir in diesem Abschnitt gefallen, wie fein die Autorin die damaligen Deutschen, die Nachbarn und Kollegen, beobachtet und porträtiert hat. Das grenzte schon an Sozial-Satire! Allerdings fiel mir schon hier auf, dass die Autorin nur ungern und ganz am Rande über sich selber sprach.


    Als dann die Beschreibung der eigentlichen Reise begann, habe ich mich größtenteils einfach nur gelangweilt. Warum muss ich wissen, welche Geschenke die Verwandtschaft erwartet, was man frühstückt oder zu Abend isst, welche Sendungen man im Fernsehen anschaut, und welche Odysse die Cousine Meral bei einem türkischen Amt durchlaufen muss, um Waisenrente zu bekommen?? (Das war für mich der ödeste Abschnitt im ganzen Buch.) Über SICH und ihre Gedanken berichtet die Autorin nur sehr, sehr am Rande. Dass sie dann am Ende des Buches behauptet, sie habe "viel gelernt" und über sich nachgedacht, grenzt für mich an Frechheit. Denn leider hat sie davon wenig beschrieben.


    Nun - ich gebe zu, dass Leser, für die ein leicht zu lesendes Buch automatisch ein gutes ist, an diesem Werk eventuell ihre Freude haben werden. Ich aber fühlte mich ein wenig verschaukelt, und werde das Buch sicher nicht weiter empfehlen. Dafür hat es einfach zu wenig von dem gehalten, was es versprach.

    [so, hier dann auch mal meine Rezension in voller Länge...]



    Und ich dachte, der Tag würde nie kommen, an dem ich nur einen Stern verleihe. Denn ich glaube nicht nur an das Gute im Menschen, sondern auch an das Gute in Büchern! Doch nun ist dieser Tag gekommen. Ich habe absichtlich einen Tag nach der Lektüre verstreichen lassen, damit meine Enttäuschung sich nicht so unmittelbar in meinen Worten entlädt, und damit ein Mindestmaß an Sachlichkeit gewahrt bleiben kann. Doch viel wird es nicht sein, das sage ich euch gleich...


    Sicher, es ist für keinen Autor leicht, nach zwei Bestsellern und zahlreichen Preisen an seine Erfolge anzuknüpfen. Doch bei Frau Schenkel ist die Lage ja noch ein wenig anders. Sie war ursprünglich überhaupt keine Autorin, hat vorher nichts in dieser Richtung gemacht, war einfach Hausfrau - soweit ich weiß, sonst korrigiere man mich bitte. Hinzu kommt, dass ihre ersten beiden (!) Bücher auf wahren Fällen beruhten - sie konnte sich also die Mühe sparen, selbst einen Plot zu gestalten, und brauchte sich nur um die "Fiktionalisierung", um die Stimmen und den Tonfall, zu kümmern. Dass sie nun mit dem Erstellen eines kompletten Buches, auf sich allein gestellt, überfordert war, das zeigt "Bunker" nur allzu deutlich.


    Mein erster Kritikpunkt betrifft die Sprache. In den ersten beiden Fällen, den ersten beiden Büchern, fand ich sie noch angemessen. Kurze, lakonische Sätze, wenig Emotionales, wenig Beschreibendes. Doch das war ja auch der "mündlichen" Form und der dörflichen Atmosphäre geschuldet. In "Kalteis" hatten wir es ja zudem mit einer Art Protokoll mit einem Verbrecher zu tun. Doch hier... Ich kann einfach keine stilistisch angemessene Weiterentwicklung von Frau Schenkels Sprache feststellen. Keine Sprache, die der Handlung und der emotionalen Verfassung der beiden Personen angemessen wäre, ihnen wirklich entsprechen würde. Was soll ich nur mit solchen Sätzen? "Er nahm die Milch. nahm ein Glas. Schüttete die Milch ein. Stellte das Glas auf den Tisch." (Ich garantiere nicht für die wortwörtliche Richtigkeit der Sätze - das waren Beispiele.) Zudem ist Stimmung und Tonfall bei beiden handelnden Personen, Opfer und Täter, für mich vollkommen gleich. Beides der typische Schenkel-Ton, keiner erhält wirklich eine Persönlichkeit. Und manche Sätze wiederholen sich fast wörtlich - "Ich werde verrrückt! ich muss hier raus!" Das war an Einfallslosigkeit und Platitüde schon nicht mehr zu unterbieten.


    Den Wechsel zwischen den Perspektiven von Entführungsopfer und Täter, auch unterstützt durch verschiedene Drucktypen, fand ich als Einfall noch recht gelungen. Doch dass sie auch noch die Chronologie und Logik dabei völlig durcheinander würfelt, das hat mich beim Lesen einfach angestrengt, und es hat auch nicht zur Glaubwürdigkeit der Handlung beigetragen. Das Buch beginnt nämlich mit einer Szene, die man erst im Nachhinein richtig einordnen kann - sie kommt eigentlich erst kurz vor Schluss. Auch die Vorgeschichte des Überfalls auf diese Verkäuferin wird irgendwie planlos mitten in das Buch eingebaut - indem nämlich der Täter immer wieder zurück denkt an die Zeit, als er sie heimlich beobachtete - er ist offenbar ein Stalker. Vollends verwirrt haben mich dann die Abschnitte, die in einer weiteren, dritten, verschiedenen Schriftart gesetzt waren - sie handeln offenbar von der Bergung eines Opfers durch eine Ambulanz, und von der anschließenden Behandlung im Krankenhaus. Hier fehlte mir vollkommen die logische Erklärung - wie kam die Ambulanz in den Wald? Wer hat sie gerufen?? Nichts wird erklärt, das Buch geht einfach zu Ende, einfach so. Sehr, sehr merkwürdig.


    Und als wäre all das noch nicht genug, hat die Handlung meiner Ansicht nach auch noch haarsträubende logische Lücken, sowohl in der Charakterisierung, als auch im Ablauf. Der vollkommen überraschend auftauchende Krankenwagen ist da nur ein Beispiel. (Vorsicht, ich werde in diesem Abschnitt ein wenig spoilern müssen! Ansonsten bitte erst im nächsten Abschnitt weiterlesen!) Und welches Entführungsopfer, bitteschön, läuft denn freiwillig (!!) zu der Hütte zurück, in der es fast wahnsinnig wurde, nachdem ihm überraschend die Flucht glückte?? An dieser Stelle wurde ich beinahe wütend. Und dann auch noch ein zweites Mal!! Sie könnte fliehen, aber nein, sie schaut lieber, was der Täter da hinter der Hütte grillt. Unglaublich!! Sie verbrennt sich am Lagerfeuer - ob absichtlich oder nicht, wird mir nicht klar. Der Täter besorgt ihr daraufhin Drogen, um die Schmerzen zu lindern. obwohl sie also ständig "high" sein müsste, kommt sie auf einmal auf den genialen Plan. ihren Chef in den Wald zu locken - worauf der Täter auch noch eingeht!! Doch er war doch gar nicht an Geld interessiert....?? ja was denn nun?? Der Schluss ist mir erst recht nicht klar. Offenbar ist es dem Opfer gelungen, den Täter in den Bunker zu locken. Ja, und warum sitzt sie dann noch in aller Seelenruhe da, als der sich schließlich (in einer völlig halsbrecherischen Aktion) befreien kann?? Fragen über Fragen, die das Buch in keinster Weise beantwortet.


    Ansätze zu einer spannenden Handlung sind zwar da - aber man kann geradezu riechen, wie das Projekt der Autorin entglitten ist. Ein Stalker, der eine junge Frau entführt. Der sie genau dort verbirgt, wo auch er als Junge mit seiner Familie gelitten hat. Aha. Und das Opfer selbst ist auch nicht ganz unschuldig - in ihrer Vergangenheit gibt es einen dunklen Fleck, einen mysteriösen Todesfall in der Familie. Ja, aber genau dieses Potenzial wird nicht genutzt! Es wird alles nur angedeutet, aber in die eigentliche Handlung nicht eingebaut! Und das ist ungemein schade.


    Ich kann wirklich nur sagen, dass ich heilfroh bin, dieses Buch günstig als Mängelexemplar auf einem Wühltisch ergattert zu haben. Denn für dieses planlose, dünne Büchlein, das sich in zwei Stunden mühelos lesen lässt, auch noch 12 oder 13 Euro zu verlangen, grenzt für mich an Unverschämtheit. Schade, Frau Schenkel. Vielleicht versuchen Sie sich demnächst lieber gleich an Kurzgeschichten?

    [Babyjane, lass dich drücken!! ich bin ja sooo einverstanden mit dem, was du schreibst!! Hier meine Rezension.]


    Schnellkurs "wie verleide ich Jugendlichen das Christentum"



    Ich habe aus Zufall und Neugier zu diesem Buch gegriffen. Ich bin ein eifriger Leser von Sachbüchern, und gleich zehn bekannte Menschen der (religiösen) Weltgeschichte hier porträtiert zu sehen, übte einen ungeheuren Reiz auf mich aus. Doch schon nach wenigen Kapiteln wuchs meine Konsternierung. Von Wissenschaftlichkeit kann hier überhaupt keine Rede sein, nicht mal ansatzweise; dafür droht überall der wenig verhüllte moralische Zeigefinger.


    Ich suchte zunächst über den Verlag und die Absichten des Autors mehr zu erfahren; denn gar nicht selten hat man ja ein Buch bloß missverstanden. Und siehe da, die Nebel lichteten sich zumindest ein wenig. "Gabriel" ist eine Unterabteilung des Verlages "Thienemann". Aha! Da klingelte bei mir schon ein Glöckchen - auch Michael Ende, einer meiner großen Lieblinge, hat oft bei Thienemann verlegt. Thienemann, und somit Gabriel, ist ein Jugend (!)buchverlag. Und bei Amazon stand deutlich zu lesen, dass die gewünschte Zielgruppe ausdrücklich im Alter von 13 bis 16 Jahren liege. Doch immer noch finde ich, dass der Autor sein vorgebliches Ziel, junge Menschen für den Glauben zu begeistern, nicht oder nur am Rande erreicht hat.


    Schon im Vorwort steht es ausdrücklich: diese Artikel wollen im Sinne des Glaubens, und zwar des christlichen, verstanden werden. Nicht umsonst wird die "zweite Geburt", ein Begriff, den der Autor neu geprägt hat, als ein Suchen nach Gott verstanden - dem biblischen, wohlgemerkt. Zudem wird die Kurzbiographie von Jesus von Nazareth ganz ausdrücklich an den Anfang des Buches gesetzt, da sie "exemplarisch" für alle Christen (!) sei, da diese Jesus nachfolgen sollten. Gut, ich gönne jedem Autor seine Überzeugung, und jedem Buch seine Zielsetzung. Nur hat Herr Prinz scheinbar übersehen, dass er eben auch alles durch diese "christliche Brille" hindurch interpretiert, dass er sich fast rein in christlichen Termini ausdrückt - somit können seine Zeilen in erster Linie nur solche Leser erreichen, die schon Christen SIND. Auf den Rest der Leserschaft wird manches dagegen eher befremdlich wirken, oder sie gar nicht erst erreichen.


    Ich will gerne zugeben, dass der Autor sich um jugendgemäße Sprache und lebhafte Schilderungen bemüht. Sehr oft beginnen die Kapitel mit einer Episode mitten aus dem Leben der Person, was für einen interessanten Einstieg sorgen soll. Erst später, wenn überhaupt, folgt dann so etwas wie ein Lebenslauf. Manchmal übertreibt es Herr Prinz aber mit der Anbiederung an jugendliche Sprache; besonders im Kapitel über Augustinus fiel mir dies auf. Da fielen Begriffe wie "Gang", "hinter Mädchen her sein", "frühreif" und "Geld auftreiben". So spricht haargenau ein Erwachsener, der wie ein Jugendlicher klingen möchte, aber nicht mehr weiß, wie's geht. Auch fiel mir oft auf, dass für Erwachsene selbstverständliche Sachverhalte in einer unnatürlich wirkenden Parenthese "erklärt werden mussten".


    Auch hat der Autor immerzu versucht, eher interessante Episoden aus den Lebensgeschichten herauszugreifen, als wirklich stringent von den Menschen zu erzählen. Da er aber jeweils nur 20 Seiten pro Person zur Verfügung hatte, führte das manchmal zu meiner Meinung nach zu unverständlichen Auslassungen, Verkürzungen, oder Fehlinterpretationen, die das Bild der Person doch sehr verzerren. Im Kapitel zu Jesus nimmt das nahezu groteske Formen an. Einerseits gibt der Autor zu, aus seiner Jugend sei so gut wie nichts bekannt. Andererseits widerspricht er sich gleich selber, indem er alles (!) an der Episode vom 12jährigen Jesus im Tempel aufhängt, daran gleichzeitig seine Alltäglichkeit sowie seine Göttlichkeit zu beweisen sucht, und die Lücken in Jesu Lebensgeschichte fleißig damit füllt, dass er sich Details aus den damaligen Lebensumständen der einfachen Leute aus den Fingern saugt. So kann man natürlich auch 20 Seiten füllen.


    Andere unverständliche Verkürzungen fielen mir besonders in den Kapiteln zu Augustinus und Martin Luther auf. Beide Berichte stoppen genau an der Stelle, als es im Leben der beiden eigentlich erst so richtig los ging. Augustinus wurde nicht dadurch bekannt, dass er Christ wurde - sondern dadurch, dass er immens einflussreiches Schrifttum in seiner Amtszeit als Bischof verfasste, wie die "Bekenntnisse" und den "Gottesstaat" - christliche Philosophie eben. Und leider hat er sich dabei zu einem teils ziemlich verknöcherten Denker und sogar zum Frauen- und Lustfeind entwickelt. Auch hat er den Begriff der "Erbsünde" erst "erfunden". Und all dies Jugendlichen zu verschweigen, finde ich ungeheuerlich. Bei Martin Luther kommt nur EIN (!) unglaublich kurzer Absatz ganz zu Ende des Kapitels über den Anschlag seiner Thesen an der Schlosskirche in Wittenberg. Der Rest des Lebens wird nur kurz überhuscht. Unfassbar. Weder erfährt der Jugendliche, dass er die Bibel übersetzte, oder dass Luther der Auslöser für den 30jährigen Krieg in Deutschland war, der für unglaublich viel Leiden sorgte, noch wird erwähnt, dass er später seine Mönchswürde auch wieder ablegte, dass er heiratete, Kinder bekam, und etliche recht derbe Sprüche hinterlassen hat.


    Manche Details lässt Herr Prinz auch ganz geschickt unter den Tisch fallen, oder erwähnt sie so am Rande, dass sie nicht weiter auffallen. Drei der hier erwähnten Personen waren gar keine Christen, sondern ursprünglich Juden (Jesus, Edith Stein, und Simone Weil), und Simone Weil hat sich sogar nie ausdrücklich zum Christentum bekannt, hat sich nie taufen lassen. Und Blaise Pascal war auch kein "klassischer" Christ, sondern Jansenist - eine schon damals sehr skeptisch beäugte Sekte. Gut, er mag eine Art "Erleuchtungserfahrung" gemacht haben, aber aus den Schilderungen wird auch deutlich, dass er Zeit seines Lebens ein überspannter Sonderling war. Sicher kein Vorbild für heutige Jugendliche - er hat nie einen Beruf ergriffen!


    Zu guter Letzt möchte ich noch die Grundthese des Autors, die der "zweiten Geburt", kritisch unter die Lupe nehmen. Ich denke, das ist eher so eine Art Konstrukt, in welches diese zehn Leben um jeden Preis gepresst werden sollen. Ich gebe zu, bei den 5 Männern in diesem Buch lässt sich ein solcher Punkt der Umkehr jeweils ausmachen - obwohl er bei dem heiligen Franziskus auch recht nebulös ist. Bei den 5 Frauen jedoch scheint es mir, als sei ihr Leben jeweils recht geradlinig verlaufen. Sie waren schon immer, schon als Mädchen, "anders", sie hoben sich von ihren Altersgenossen ab, und erschreckten ihre Umgebung durch sonderbare Aktionen. Aber ein Punkt der Umkehr, eine radikale Bekehrung - das kann ich hier nicht sehen. Und gerade Elisabeth von Thüringen und Theresa von Avila hatten ja aufgrund des kulturellen Kontextes, in dem sie lebten, gar keine andere Möglichkeit, als eben Christen zu sein, wenn sie religiös und mystisch sein wollten. Es ist also durchaus nicht so, als habe hier eine Bekehrung zum Glauben stattgefunden.


    Ich verleihe also letzten Endes zwei Punkte von zehn möglichen. Für die löbliche Absicht, und die zumindest gut lesbare Sprache. Aber im Grunde hat Herr Prinz seine Absicht verfehlt. Ich kann mir nur vorstellen, dass dieses Buch junge Menschen anspricht, die es eh schon in christlichem Kontext lesen - wo also keine Überzeugungsarbeit mehr zu leisten ist. Kritische oder konfessionslose junge Menschen werden das Zwanghafte dieses Buches, alles aufs Christentum hin zu deuten, schnell durchschauen. Und sie werden von dem eher glorifizierenden Stil abgeschreckt sein.

    Ich muss Pitt absolut zustimmen. Da gab es Logikfehler zuhauf, so dass ich das Buch vor Wut am liebsten an die Wand geworfen hätte! sowas geht bei mir gaaar nicht. Nur ein Beispiel: wer, bitte, soll denn die Ambulanz gerufen haben, die auf einmal im Wald auftaucht?
    Und warum, zum Kuckuck, kehrt das Opfer immer wieder zum Bunker zurück, obwohl sie zweimal (!) hätte fliehen können? Das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar.


    Ich persönlich finde, man merkt an diesem Buch ganz deutlich, dass Frau Schenkel damit überfordert war, ein "eigenes" Buch zu schreiben. Die beiden Erstlinge waren ja "nur" Umarbeitungen wahrer Fälle.

    Hier ist ja schon mehrfach diskutiert worden, in welche Ecke das Buch gehört. Tja, ich als Eulen-Neuling hatte meine Rezension zuerst unter "Belletristik" hochgeladen, weil es für mich doch viel mehr war als eine Biographie. Es hat so viele literarische Qualitäten! Doch offenbar war die "Eulen-Verwaltung" anderer Meinung, und hat meinen Beitrag nun hier einsortiert. Auch OK; nix für ungut!


    ***
    Aber eine Frage hätte ich doch mal. Gibt es keine gesonderten Threads für Original-Versionen? ich wollte das Buch ausdrücklich nicht unter den deutschen Versionen abspeichern, aber anscheinend ging das ja nicht. Ich finde, gerade dieses Buch sollte unbedingt im Original gelesen werden; wenn man die Besprechung aber unter dem deutschen Thread suchen muss, geht es leicht unter. Schade!

    Eines vorweg: dieses Buch täuscht! Sowohl durch sein Äußeres, als auch seinen - leider viel zu plakativen - Titel. Denn was erwartet man schon, wenn man - Überraschung - ein dünnes und lieblos gedrucktes Taschenbuch mit dem Titel "Die toten Gassen von Barcelona" in die Hand nimmt? Eben! Zudem fand ich die Leseprobe ein wenig seltsam und schwülstig. Doch alles in allem wurde ich sehr positiv überrascht.


    Statt eines Trash-Thrillers habe ich hier einen gut durchdachten und "angenehm anderen" Krimi vorgefunden, der durch stilistisch ausgefeilte Sprache und einen erfreulichen Mangel an blutrünstiger Action besticht. Was mir in der Leseprobe noch seltsam erschien, macht im ganzen Buch durchaus Sinn. Denn in der Tat geht es, sogar beim Motiv des Täters, um Barcelona, um die Stadt und ihre Geschichte, ihre modernen Probleme, ihre den Touristen verborgene Seite. Somit war es durchaus stimmig, als "Heldin" und unfreiwillige Ermittlerin eine Journalistin und Verfasserin von Reiseführern auf den Plan zu schicken.


    Zu bemängeln ist eigentlich nur, dass der Plot an einigen Merkwürdigkeiten und allzu vielen Zufällen aufgehängt ist. Für mich war es ein wenig "dick aufgetragen", dass die Heldin Anna Silber ausgerechnet im vorigen Jahr ihre gesamte Familie verloren hat, dass ihre Mutter ausgerechnet selber aus Barcelona stammte, und dass Anna ausgerechnet bei ihrem Vater, einem Privatdetektiv, in die Lehre ging. Und, natürlich, dass der Lebensgefährte ihres Freundes ausgerechnet der Leiter der Mordkommission ist.


    Doch das wird durch die flüssige und sehr stimmungsvolle Handlung dann doch wieder aufgewogen. Zuerst wundert man sich, warum Anna, die eigentlich nach den Wurzeln ihrer Mutter suchen wollte, und außerdem einen Auftrag für einen Reiseführer in der Tasche hat, sich so sehr treiben lässt, und ihre Nase sofort in einen Fall von Serienmorden steckt. Aber im Laufe des Buches überzeugte mich Anna. Sie ist eben keine professionelle Ermittlerin, sondern eine Person, die sich von Stimmungen und menschlichen Schicksalen sehr beeinflussen lässt. Und das hat zu diesem Fall, zu dieser Stadt einfach gut gepasst. Das kann man näher nicht erläutern, ohne zu viel zu verraten.


    Anna beschreibt den Fall aus der Ich-Perspektive, und das erlaubte es der Autorin, durch und durch subjektive Stimmungen einzuflechten. Seien es flanierende Einheimische, Hausbesetzer, heruntergekommene Altbau-Viertel, Straßen und Plätze, oder kulinarische Raffinessen - ich bin Anna gerne durch diese Stadt gefolgt, und konnte manches direkt vor mir sehen. Sicher ein anderes Bild von Barcelona, nicht so mystisch-verklärt wie bei Zafón, aber dennoch plastisch und realistisch.


    Gut gefallen hat mir auch die Struktur des Buches. Die "Anna-Kapitel" wechseln sich ab mit kursiv gesetzten, sehr düsteren Einschüben, die - man ahnt es gleich - aus dem Leben des Täters berichten. Zuerst kann man wenig damit anfangen, aber wenn man sehr genau liest, entdeckt man in jedem folgenden "Anna-Kapitel" wieder einen kleinen Hinweis, der sich auf die Welt des Täters bezieht. Raffiniert gemacht! Außerdem sind jedem "Anna-Kapitel" zwei Zitate vorangestellt, die - wie man später merkt - aus der Handlung des Kapitels stammen, und die symptomatisch für das Geschehen in diesem Kapitel sind. Ungewöhnlich, aber atmosphärisch stimmig!


    Das Ende wird angenehm offen gelassen - was Anna betrifft. Der Täter wurde zwar gefasst, und zwar in einem packenden Showdown, aber Annas weiterer Lebensweg ist nicht ganz klar. Es gibt da ein gewisses Angebot - doch wird sie es annehmen? Und wird sie sich nun für einen der zwei Männer, in die sie sich im Laufe des Buches verguckt, entscheiden? Ich kann nur vermuten, dass die Autorin sich hier ein Türchen offen halten wollte, um eventuell weitere Bände mit Anna Silber zu verfassen. Zu wünschen wäre es!


    Abschließend möchte ich nur anmerken, dass ich dem Buch wünsche, dass es doch noch als Hardcover erscheint. Ich finde die Wahl, es zuerst als Taschenbuch herauszubringen, ausgesprochen unglücklich. Das erweckt einfach einen falschen Eindruck! Und das Cover hätte vom Layout her auch ansprechender gestaltet werden können. Zwar ist mir der Sinn der Marien-Statue durchaus klar, aber die Schrift ist im Verhältnis zum Bild proportional sehr unschön verteilt. Nun denn - alles Gute, Anna Silber! Vielleicht liest man sich mal wieder!

    "Och, aye, my arse!" Das ist wohl einer der vielen Aussprüche, die ich aus diesem Buch mitnehmen werde. Dies ist ein Buch, das den einfachen Leuten "direkt aufs Maul" schaut, und das gerade durch seine "mündlichen" Qualitäten lebendig wirkt und fasziniert. Es spielt ungefähr in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts in Irland, und kann ebenso sehr als Biographie wie auch als Milieustudie gelesen werden. Beinahe sogar als Roman! Eine eindeutige Einordnung ist jedenfalls ungeheuer schwierig. Man lebt und lacht mit den Charakteren, man weint auch manchmal. Und man fragt sich mitunter, wie all das mitten im aufgeklärten Westen, direkt nebenan, möglich war.


    Man merkt diesen Zeilen sicherlich an, wie aufgewühlt ich immer noch bin. Aufgewühlt ist auch fast das falsche Wort. Da mischen sich die verschiedensten Emotionen: ungeheures Mitgefühl anhand dieser elenden, armen, verdreckten, und auch angsterfüllten irischen katholischen Kindheit. Immense Wut auf die Kirche und ihre angeblichen Diener - wie kann man nur ein ganzes Volk so unter der Fuchtel halten, immer wieder Angst schüren, und gleichzeitig den Leuten die Tür vor der Nase zuschlagen, wenn sie wirklich einmal Hilfe brauchen! Nur ein einziger Priester wird in diesem Buch positiv dargestellt, und das ist erschütternd. Dann wieder gab es bei mir Lachtränen und Schenkelklopfer zuhauf, was vor allem daraus entsteht, dass Frankie aus seiner persönlichen und grenzenlos naiven Sicht die Welt der Erwachsenen zu schildern und zu verstehen sucht. Und last, but not least empfand ich eine packende Spannung. Würde es Frankie eines Tages tatsächlich schaffen, sich aus diesem Milieu herauszuarbeiten, und seinen Traum von einem Leben in Amerika zu verwirklichen?


    Alles in mir sträubt sich dagegen, dieses Buch zu zerreden, und den Inhalt fein säuberlich darzulegen. Die Summe ist hier wieder einmal viel, viel mehr als die bloße Addition der einzelnen Teile. Wird man dem Buch wirklich gerecht, wenn man sagt, dass hier ein irisch-stämmiger Amerikaner seine Kindheit und Jugend schildert? Dass er vor allem seiner Mutter mit diesem Buch ein Denkmal setzt? Dass er zwar grenzenloses Leiden beschreibt, aber niemals seinen Humor und Mutterwitz verliert? Dass er sein Land, Irland, trotz aller Schicksalsschläge und Härten des Lebens dort spürbar immer noch liebt? Und dass er immer wieder mit sich gerungen hat, seinen trunksüchtigen Vater trotz aller seiner Fehler zu respektieren und zu lieben? All das sind einzelne Mosaiksteine - doch ein wirkliches Bild ergibt sich erst, wenn man dieses Buch selber liest.


    Zuletzt möchte ich noch einmal ausdrücklich Werbung für die Originalfassung machen. Dieses Buch strotzt nur so vor Lokalkolorit und derber Sprache. Ich frage mich, wie es nur möglich sein soll, dieses Buch zu übersetzen! Wer auch immer sich nur halbwegs der englischen Sprache mächtig fühlt, möge bitte zu dieser Fassung greifen. Im Zweifelsfall lese man es sich laut vor, das erleichtert das Verstehen. Man wird belohnt mit einem ganzen Arsenal an Flüchen, Sprichwörtern, Volksliedern (!) und Dialektwörtern. Ein wahres Fest der irischen Volksseele - eindrücklicher und "wahrhaftiger" als jeder Historienband oder Reiseführer.

    Ich habe sehr mit mir gerungen, ob ich dieses Buch als "gut" oder nur "Mittelfeld" bewerten sollte. Es ist dann letztlich das Mittelfeld geworden. Wenn ich in mich gehe, liegt dies vor allem daran, dass ich den ersten Band von Herrn Mommsen schon kenne, und gehofft hatte, er würde die Fehler aus seinem einmal erstellten "Roman-Rezept" des Erstlings, "Oma ihr klein Häuschen", ausmerzen. Doch nein - er verwendet dasselbe Rezept einfach noch einmal, und manche "Macken", die ich schon im ersten Buch unschön fand, fallen hier sogar noch mehr auf.


    Genau wie im ersten Band, hält der Klappentext meiner Meinung nach überhaupt nicht, was er verspricht. Dieser lässt nämlich einen ausgewogenen Plot vermuten - gleichmäßig verteilt auf eine schwierige pubertierende Cousine, auf die tüddelig werdende Oma, und einen "spannenden" Kriminalfall.Gut, mit der Ankunft von Jade, der (ups - welch ein Schreck) Gothic-Braut, werden die ersten Kapitel bestritten. Gut gemacht ist Jades pampige Art, und ihre spontan erblühende Freundschaft zur fidelen 76jährigen Oma von Sönke. Doch danach verliert der Leser diesen Handlungsstrang leider ein wenig aus den Augen; Jade taucht nur noch sporadisch auf, jedenfalls weniger, als man es vermutet hätte. Und auch ihre charakterliche Wandlung wird für mich nicht recht ersichtlich. Irgendwann ist sie auf einmal "nett", und das war mir zu plump und zu plötzlich.


    Das ganze Buch wirkt ein wenig bemüht, weil die 3 Handlungsstränge (eindeutig zu viel für dieses Büchlein) so unausgegoren miteinander verquickt werden. Immer wieder gibt es nette Episoden, das will ich nicht bestreiten, aber dadurch, dass Sönke in der ersten Person durch das Buch führt, bekommt man immer zu wenig von den anderen Handlungen, bei denen er gerade nicht dabei ist, mit. Die Folge davon ist, dass neue Entwicklungen immer ein wenig überraschend im nächsten Kapitel "nachgereicht" werden müssen. Das wirkte vom Stil her auf mich recht unbeholfen.Und der Schluss - genau wie im ersten Band, wird einfach irgendwann ein "Cut" gesetzt, und dann heißt es nur noch "wenige Wochen später". Die letzten Kapitel werden demnach einfach "abgehandelt", hier passiert zu viel und zu unlogisches, und das Ende... ich werde es nicht verraten, aber das fand ich völlig unnötig und fehl am Platz. Genauso notwendig wie eine Sahnehaube auf Kartoffelpuffern...


    Von der Handlung her wirklich gelungen finde ich eigentlich nur die Beziehung Sönke-Maria, und wie sie unter den Verstrickungen auf der doch recht kleinen Insel leidet. Es kann nicht einfach sein, eine Frau zu lieben, deren Vergangenheit alle auf der Insel kennen - man selbst aber nur teilweise.


    Schön sind auch alle Charaktere, für sich genommen. Sönke, der ein wenig tapsige und finanziell unsichere Insel-Neuling - die herrlich spritzige Oma, die sogar mit über 70 noch auf Partys geht - zwei Insel-Chöre, die sich gegenseitig eigentlich nicht grün sind - die verschiedenen Insel-Promis - Sönkes Verwandtschaft - und sogar eine Art "running gag" gibt es, weil nämlich die unsägliche Band aus der Ukraine schon wieder in der Kurmuschel spielt, wie im ersten Band auch...!


    Was ich dem Autor lassen muss, ist die Fähigkeit, in gleichmäßig auf das Buch verteilten Häppchen die Insel Föhr zum Leben zu erwecken. Die Beziehung zu den Dänen, Geest und Marsch, Stadt- und Landbezirke, Föhrer Manhattan (der schmeckt übrigens sehr lecker!), die Ortschaften und Sehenswürdigkeiten, die Friedhöfe - und und und, das war alles recht detailgenau und zutreffend dargestellt. Nur eines will mir partout nicht einleuchten. Durch welches Fenster sollen Oma und Jade, bitte, aus dem Museum ausgestiegen sein? "Durch eines der unteren Fenster"..? Meiner Erinnerung nach hat das Museum "Kunst der Westküste" nur Oberlichter, und nur im blauen Kinderbereich eine große Glasfront. Die einzigen von Wohnhäusern aus einsehbaren Fenster sind die von "Grethjens Gasthof", der direkt rechts vom eigentlichen Museumsteil liegt. Somit ist mir ein zentraler Aspekt der "Kriminalhandlung", die sowieso schon recht dürftig war, überhaupt nicht ersichtlich.


    Und zwei ganz eindeutige Fehler, die das Lektorat wohl übersehen hat, möchte ich auch noch erwähnen - wer daran nicht interessiert ist, kann diesen Absatz einfach überspringen. Erstens: im ersten Drittel des Buches wird der Taxifahrer Ocke, Omas Freund, innerhalb weniger Seiten zweimal in nahezu identischen Worten vorgestellt - so als hätte der Autor vergessen, dass er ihn vor wenigen Seiten schon einmal erwähnt hat. Zweitens: Sönke radelt mit Oma in der Marsch. Sie lassen ihre Räder an einem Zaun stehen und gehen lange (!) einen Weg entlang. Doch als ihnen ein Roller-Fahrer entgegen kommt und Oma nach Hause mitziehen will, steigt sie einfach auf ihr Rad und hält sich an dessen Schulter fest. Das ist logischerweise unmöglich - zuerst hätten sie zu ihren Rädern zurückgehen müssen. Man kann mich nun des "Korinthenkackertums" bezichtigen - aber mich ärgert so etwas vor allem deshalb, weil Herr Mommsen es auch im ersten Band mit der Logik manchmal nicht so genau genommen hat.


    Klingt dies alles nun sehr kritisch? Vermutlich. Allerdings sind meine Zeilen nicht absolut "vernichtend" gemeint. Ich kann nur einfach dieses Buch nicht so unbefangen "auf Unterhaltung hin" lesen wie manch anderer, eben WEIL ich Föhr genau kenne. Da achte ich umso mehr auf überzeugende Handlung - und daran hat es hier halt gehapert. Ich möchte dies aber insofern relativieren, als man sich sicher durch dieses Buch gut unterhalten fühlen kann. Es kommt sehr darauf an, was man hier erwartet.

    Zitat

    Original von Voltaire
    Herzlichen Dank für diese Rezi. Cosse halte ich persönlich für sehr lesenswert. Ich denke, ich werde mir dieses Buch möglichst schnell kaufen. :wave


    ***
    Oh, gerne geschehen. Hoffentlich bist Du aber nicht enttäuscht. Da ist ja sogar der "Zauber der ersten Seite" noch besser...

    So, ich hab's nun auch gelesen. Hier meine Meinung.


    Weltliteratur ist dieses Büchlein sicher nicht - doch muss es immer Kaviar sein? Mir reicht zwischendurch auch mal eine Stulle, um im Bild zu bleiben. Und dieses Buch hat mich sicherlich über zwei Lesetage hinweg recht gut mit Ideen und Humor versorgt.
    Das Ganze ist außerdem ein Erstlingswerk, und in einem solchen Falle erwartet man vom Autor wohl kaum literarische Perfektion.


    Die Geschichte spielt auf der Nordsee-Insel Föhr, wo auch die Schwiegerfamilie des Autors seit Generationen wohnt. Ich habe mit meiner Familie schon mehrfach auf diesem herzlichen Eiland geurlaubt, und habe daher natürlich ein besonderes Augenmerk auf faktische Richtigkeit und Atmosphäre gelegt. Mein Resümee: was Örtlichkeiten und Lokalkolorit angeht, so kann ich dem Autor guten Gewissens die Höchstnote verleihen. Ortschaften, typische Familiennamen, Straßen, Sehenswürdigkeiten, ja sogar die Namen von Geschäften - alles versetzte den Leser mitten auf diese Insel. Nur eine einzige Information scheint veraltet zu sein, denn die einzige Insel-Discothek heißt meins Wissens "Olympic", und nicht "Erdbeerparadies".


    Die Geschichte an sich - nun, der Klappentext geht am eigentlichen Inhalt meiner Meinung nach ein wenig vorbei. Sicher reist der plötzlich arbeitslose Sönke nach Föhr, um sich anstelle seiner Mutter um "Oma ihr klein Häuschen" zu kümmern, bzw. eine Entscheidung in dieser Hinsicht in der Familie herbeizuführen. Die ist nämlich ganz schön zerstritten - es gibt sogar verzweifelte Sabotage-Akte und Erpressungsversuche, um die Gegenseite von der eigenen Meinung zu überzeugen. Doch mitten im Buch weicht die Handlung von diesem Erzählstrang plötzlich ab, und entwickelt sich zum Melodram. Nicht nur muss die verschwundene Oma gesucht werden, nein, auch Sönke und Maria überstehen manche Episode, bis sie schließlich zueinander finden.


    Warum und wohin Oma verschwand, möchte ich an dieser Stelle nicht auflösen. Es sei nur soviel gesagt, dass hier nicht mit tragischen und romantischen Momenten gegeizt wurde. Und zugunsten dieser Effekte hat leider die Wahrscheinlichkeit und Plausibilität im letzten Drittel ein wenig gelitten. Zudem hat sich noch mindestens ein dicker Logik-Fehler eingeschlichen. Und was passiert nun mit "Oma ihr klein Häuschen"? Tja, weil sich der Autor ein wenig im Melodram "verloren" hat, blieb am Ende nicht mehr viel Zeit, um die Sache wirklich logisch aufzulösen. Es gibt nur noch einen Epilog, in dem ganz plötzlich "alles in Ordnung " ist. Sowohl mit dem Häuschen, als auch in Sönkes Privatleben. Gut, es ist ein reines Unterhaltungsbuch, und es wird am Ende darauf ankommen, was man von einem solchen erwartet. Doch bei mir haben diese Schwächen dazu geführt, Punkte abzuziehen.


    Was ich allerdings wirklich genossen habe, waren die vielen schrägen Charaktere, und teils haarsträubenden Situationen, die sich um den Familienstreit rankten! Hier habe ich oft herzhaft gelacht. Die Friesen sind in ihrer Art wirklich wunderbar getroffen. Wenn man will, kann man sogar ein wenig Friesisch von den Figuren lernen - es ist wirklich eine eigene Sprache. Der Autor hat außerdem ein eindeutiges Talent für humorige Beschreibungen und spritzige Dialoge, das muss man ihm lassen. Da störte es auch nicht mehr, dass Herr Mommsen ein wenig einseitig die immer gleichen Hauptsatz-Konstruktionen bevorzugte.


    Insgesamt gebe ich eine doch von Herzen kommende Lese-Empfehlung. Aber nur für solche Leser, die sich nicht allzu sehr an obigen Kritikpunkten stören. Die also um der guten Unterhaltung willen gerne mal auf Logik und stringente Handlung verzichten.

    Arré, Baba! Dies ist ein prallvoller Schmöker aus Indien, ein Erstlingswerk eines noch recht jungen Autors. In diesem Buch finden sich ungeheuer viele Tendenzen, Sprachbilder und dramatische Wirrungen - und was dabei herauskommt, lässt sich in so gut wie keine westliche Literatur-Schublade einordnen. Daher muss man mit einer Bewertung auch ziemlich vorsichtig sein.


    Das Buch steht schon seit einigen Jahren ungelesen bei mir im Regal, und heute muss ich sagen, das war auch gut so. Als es mir damals über den Weg lief, wäre ich definitiv noch nicht reif genug gewesen für eine Lektüre. Es setzt schon einiges voraus. Es hilft nämlich, sich ein wenig mit Indien (und auch mit Literatur über und aus Indien) auszukennen. Der junge, schelmisch dreinblickende Autor, Herr Shangvi, hat sich an einigen Vorbildern orientiert, die er aber munter zu etwas Eigenem verquickt.


    WENN man das Buch schon unbedingt mit anderen Büchern vergleichen muss, dann fallen mir auf der einen Seite moderne "indische Klassiker" ein, wie Salman Rushdie, Arundhati Roy, oder Chitra Banerjee Divakaruni. Von ihnen hat er das indische Erbe des Fabulierens und der orientalisch-dramatischen Familiensaga übernommen. Es geht um Liebe und Eh(r)e, Familienkonflikte, Gewaltausbrüche, böse Schwiegermütter, ein Haus mit melancholischer "Seele", ein dämonisches Waisenkind, etliche Todesfälle, die aufstrebende und exzentrische indische Künstlerszene, Prophezeiungen, Vorausdeutungen, und übersinnliche Fähigkeiten. Näher braucht man die Handlung gar nicht zu beleuchten, weil man sie sonst zerredet.


    Skizzieren wir nur kurz, welche Personen uns hier begegnen. Das Buch beginnt mit der Liebesgeschichte um Anuradha, die wunderschöne und magisch begabte Sängerin, und Vardhmaan, den aufstrebenden Arzt, und ihrem teilweise vergeblichen Streben nach einem erfüllten Familienleben. Krankheiten, Flüche und Unglücksfälle säumen ihren Weg. (Die ständigen "Vorausdeutungen" des Autors tragen hier ihren Teil zur bedrückenden Atmosphäre bei.) Ab der Mitte des Buches treten noch Pallavi, eine gute Freundin von Anuradha, sowie Anuradhas elternlose Cousine Nandini hinzu. Nandini läuft Anuradha bis kurz vor Ende des Buches ein wenig den Rang ab, da ihr Versuch, in die Welt der Künstler einzudringen und berühmt zu werden, die Familiengeschichte teilweise verdrängt. Doch am Ende laufen doch wieder irgendwie alle Fäden in dem verfluchten Haus am Rande der Stadt zusammen, und das Buch endet mit einem Ausblick auf das Leben eines Nachkommens von Anuradha und Vardhmaan. So schließt sich der Kreis - doch ist damit das Buch nur höchst unzureichend beschrieben.


    Stilistisch und sprachlich ist das Buch noch weniger zu fassen. Im Klappentext ist die Rede von "magischem Realismus" sowie von "melancholischer Technicolor-Prosa". Trefflich ausgedrückt! In der Tat fühlt man sich passagenweise in die "Blechtrommel", die "Mitternachtskinder" oder auch in "Hundert Jahre Einsamkeit" versetzt. Schon nach wenigen Kapiteln hat man gelernt, Wahrscheinliches von eher Mystischem zu unterscheiden. Verschiedenste Realitätsebenen durchdringen sich mühelos, was den Leser aber auch zu eher "schlürfendem Lesen" zwingt. Eine oberflächliche Lektüre, die sich nur am "Plot" orientiert, verbietet sich von ganz alleine.


    Für mich war es auch eher die Sprache, die zum Faszinosum dieses Buches wurde. Süß, reichhaltig, aber auch zähflüssig wie Honig. Mit immer neuen, exquisit geschöpften Vergleichen, Bildern und Metaphern. So würde in Wirklichkeit kein Mensch reden, jedenfalls kein Westler! Hier scheint alles zu leben, sogar die Natur und die Häuser.


    Allerdings muss ich auch einräumen, dass es keine Charakterisierung wie in westlichen Romanen üblich gibt. Alle Figuren, sogar die exzentrische Nandini, die so gerne Malerin werden möchte, wirken auf eine gewisse Weise konstruiert; man wird nicht wirklich mit ihnen warm. Doch man tut dem Buch Unrecht, wenn man es mit einer solchen Erwartungshaltung liest. Wir sind im Indien der 20er Jahre, und man darf nicht vergessen, dass in einem solchen "Setting" Konzepte wie Individualität oder "runde" Charaktere noch gar nicht vorkamen. Die indische Gesellschaft war seit je her geprägt von einem deutlichen Klassenbewusstsein, und von dem Bemühen des Einzelnen, sich in dieses System einzupassen.


    Man sollte den geneigten Leser auch insofern vorwarnen, als es doch etliche Passagen mit deftiger Erotik gibt. Und die spielt sich nicht immer im Rahmen des Legalen oder Erwartbaren ab... Wer in dieser Hinsicht zart besaitet ist, sollte das Buch besser nicht lesen. Sonst sind rote Ohren vorprogrammiert...!


    An dieser Stelle erschöpft sich so langsam meine Fähigkeit, dieses Buch zu beschreiben. Das war wirklich Bollywood in Reinkultur! Ich verleihe nur deswegen keine volle Punktzahl, weil mir gegen Ende die Handlung doch arg gerafft erscheint. Und weil ich finde, dass das Motiv des "magischen Gesangs", der dem Buch ja auch seinen Namen gibt, nicht so konsequent durchgehalten wird, wie ich das erwartet hätte. Das wirkt im Rückblick doch ein wenig bemüht. Ansonsten kann ich nur sagen, dass ich noch gar nicht weiß, wie mir geschah! Ich bin in dieses Buch getaumelt, wurde mitgerissen, und tauche ein wenig atemlos wieder auf. Das ist definitiv nichts für Schnell-Leser. Denn sonst verdirbt man sich leicht den Magen an der doch oft zuckersüßen und prallvollen Schreibweise.

    Zugegeben - erwartet hatte ich einiges. Denn gerade die französischen Autoren haben in den letzten Jahren immer mal wieder Mut bewiesen, indem sie schwierige aktuelle Themen aufgriffen und sie in einer - fiktiven - Geschichte neu interpretierten, oder sogar lösten. Angefangen hat diese Tradition wohl mit Michel Tournier und seinem "Le Roi des Aulnes" (Der Erlkönig), verfilmt unter dem Titel "Der Unhold". Dann kam Eric-Emmanuel Schmitt mit seinem Roman über den jungen Hitler, "La Part de l'Autre" - was wäre, wenn Hitler damals doch Kunstmaler hätte werden dürfen? Und zu guter Letzt, vor einigen Jahren, Frédéric Beigbeder mit seinem Roman "Windows on the World", in welchem er den 11. September 2001 in New York rekonstruiert. Wie sehr hatte ich gehofft, dieses Buch von Laurence Cossé würdig in diese "Ahnengalerie" einreihen zu können!


    Doch weit gefehlt. Dabei ist der Anlass des Buches, die Grundidee, wirklich clever ausgesucht. Was geschah wirklich am 31. August 1997, um Mitternacht, im Pariser Alma-Tunnel? Was war die Ursache für den tödlichen Autounfall von Prinzessin Diana und ihrem Liebhaber, Dodi Al- Fayed? Laurence Cossé bezieht sich durchweg auf bekannte Fakten, die sie zu einer Geschichte ausbaut. Ein kleiner weißer Fiat Uno war damals gesehen worden, doch niemals erfuhr man Genaueres. Laurence Cossé lässt uns in die Seele einer jungen Frau blicken, die damals am Steuer des Fiat Uno hätte sitzen können, und die vielleicht in Panik flüchtete. Im ersten Drittel des Buches, in Teil Eins, begleiten wir die schwer traumatisierte Lou, und all die Gedankenwirbel, die sich in einer solchen Situation einstellen mögen. Das war durchweg recht glaubhaft, und teils sogar spannend geschildert. Vor allem deshalb, weil die Autorin sich konsequent an die überlieferten Fakten hält, wie sie damals in den Nachrichten auftauchten, und sie immer wieder in die Handlung einbindet.


    Doch in Teil Zwei und Drei mutiert das bis dahin immer noch "nette" Buch zu einer vollkommen haltlosen Räuberpistole, und läuft - meiner Meinung nach - völlig aus dem Ruder. Lou wird entführt und erpresst, wobei ich die Situationen schon gar nicht mehr zählen kann, in denen ich mir die Haare raufte vor lauter Unwahrscheinlichkeiten. Ich erkenne sie auch gar nicht wieder, die Charakterisierung scheint sich wie ein Fähnchen nach dem Winde zu richten. Es kommt sogar zu einem - diesmal beabsichtigten - zweiten Todesfall, und an dieser Stelle hätte ich das Buch am liebsten vor lauter Wut an die Wand geworfen! Wenn denn da eine Wand gewesen wäre.


    Ich habe mich schließlich gezwungen, Teil Drei zu lesen, um wenigstens eine Rezension schreiben zu können. Das war aufgrund des immer noch flüssigen Schreibstils auch nicht zu schwierig. Doch der Inhalt besserte sich leider nicht. Aus der Räuberpistole wird ein Roadmovie, bei dem man am besten gar nicht erst fragt, ob und wie wahrscheinlich diese oder jene Aktion von Lou ist. Erst will sie hierhin, dann dorthin. Aus Paris raus, dann wieder rein. Erst auswandern, dann untertauchen - nur um dann am Ende doch wieder bei ihrer alten Arbeitgeberin zu landen...?? Grundgütiger, bewahre uns vor der losgelassenen Erzählwut einer überambitionierten Schriftstellerin! Es wäre ja alles nicht so schlimm, wäre es nur die Tatsache gewesen, dass ich selber nie im Leben so gehandelt hätte, und dass ich die ganze Handlung auch der Situation für überhaupt nicht angemessen halte. Das wäre ja nur meine persönliche Meinung gewesen. Aber was bei mir nun wirklich gar nicht geht, sind deftige bis haarsträubende logische Lücken, und Charaktere, die sich manchmal von Seite zu Seite widersprechen.


    Auf das Ende mag ich nun gar nicht näher eingehen - immerhin lässt es die Autorin ebenso offen, wie der Fall ja in Wirklichkeit bis heute auch ist. Aber ich ärgere mich fast schwarz über so manchen Punkt! Man möge mich bitte aufklären, aber meiner Meinung nach ist es absolut unmöglich, ohne Pass umzuziehen oder gemeldet zu sein, oder ohne Konto ein Gehalt zu beziehen oder Miete zu bezahlen! Aaaargh! So, das muss als Wutausbruch reichen.


    Tja, immerhin habe ich den ersten Teil noch leidlich genossen. Auch ist die Sprache im ganzen Buch angenehm zu lesen, allerdings manchmal haarscharf an der Grenze zur Platitüde. Ich denke, die Autorin hätte es beim ersten Teil belassen sollen, um diesen als Novelle zu veröffentlichen. Mit Teil Zwei und Drei macht sie sich alles kaputt.

    Es ist eine Herausforderung, eine Rezension über dieses Buch zu schreiben. Denn bis zum Schluss war ich mir nicht klar, ob ich den Autor ernst nehmen sollte. Ein Journalist und eingefleischter Katholik will, so sagt das Vorwort, den Buddhismus "sehen, riechen und schmecken". Ein Vatikankenner beim Dalai Lama? Kann das gutgehen?


    Meine Zweifel begannen schon im Vorwort. Das Buch beginnt und endet nämlich mit einem Treffen bei einem katholischen Geistlichen - was an sich nicht schlimm ist. Doch dieser Herr fragt den Autor allen Ernstes und mit deutlich erhobenem Zeigefinger, "er wolle doch wohl bitte nicht als Buddhist zurückkommen". Und das verneint Herr Kulle lachend. Das hat mich doch ein wenig betroffen gemacht. Was ist denn das für eine Einstellung? Ich betrachte den Buddhismus wie ein wildes Tier im Zoo, zwar mit Interesse, doch mit deutlichem Abstand...?? Ich an der Stelle des Geistlichen hätte gesagt, mein Sohn, Hauptsache, Du kommst seelisch reicher zurück, egal was passiert.


    In den ersten Kapiteln verstärkte sich mein Unbehagen. Augenscheinlich hatte sich Herr Kulle vor Antritt der Reise nur ausgesprochen oberflächlich informiert. Ein hauptberuflicher Journalist, der den Buddhismus untersuchen will und nicht einmal weiß, was ein Stupa, eine Khata oder tibetischer Tee ist (Buttertee mit Salz nämlich), der hat bei mir schon fast verspielt. Zudem hielt er sich bei seinen Schilderungen zu einem großen Teil bei Äußerlichkeiten auf - die Tempel waren zu heruntergekommen, die Treppen zu steil, das Dorf zu dreckig, die Bürokratie zu ineffizient. Das erinnerte teilweise schon an Kafka. Und wirklich geärgert habe ich mich,als Herr Kulle manche Lamas aufgrund der ungewöhnlichen Hüte als "gelbe Schlümpfe" bezeichnete! Unglaublich, dass hier der Lektor nicht eingeschritten ist.


    Der Titel ist ebenfalls ein wenig unglücklich gewählt. "Das" Kloster des Dalai Lama gibt es nicht. Es gibt in und um Dharamsala zahlreiche Klöster, von denen der Autor im Laufe des Buches in zweien (!) residiert. Und die nächste Einschränkung folgt auf dem Fuße. Er nimmt nun keinesfalls am Tagesablauf der Mönche teil, nein, er verhält sich eher wie ein Tourist. Gut, ein Tourist mit Sonder-Privilegien. Gelegentlich bemüht er sich um Interviews oder Audienzen, aber dies macht nur einen minimalen Teil des Buches aus. Ansonsten streift er durch die Gegend, freundet sich sich auf seinen Spaziergängen mit diversen Mönchen und Einheimischen an, schildert Örtlichkeiten und am Rande Rituale, ergötzt sich an Essen und Trinken (soweit es eben geht). Nur im letzten Drittel des Buches bekommt er die Erlaubnis, für ganze drei (!) Tage tatsächlich einmal Mönch zu werden. Und selbst diese drei Tage schildert er nur lückenhaft.


    Eine Auseinandersetzung mit den Ideen des Buddhismus findet auf geschätzten 20 Seiten von fast 400 statt - das sagt meiner Meinung nach schon alles. Zudem wird andauernd mit dem Christentum verglichen, was für die realistische Einschätzung ebenfalls nicht gerade zuträglich ist. Der Rest des Buches ergeht sich mehr oder weniger in einer schlichten Reisebeschreibung, und darf keinesfalls als ein Sachbuch über religiöse Fragen gewertet werden. Schade, ich hätte hier mehr Tiefgang erwartet. Dass der Autor am Ende dennoch von sich sagt, er habe "viel gelernt", und die Reise habe ihn verändert, hat mich staunen lassen. Das war durch die vorherigen trockenen Beschreibungen nämlich nicht ersichtlich. Meiner Meinung nach hat er sich um kein Haar breit verändert.


    Dennoch verleihe ich letzten Endes drei mehr oder weniger ratlose Sterne. Das Buch liess sich passabel bis gut lesen, und wenn man erstmal Abstand von weitergehenden Ansprüchen genommen hatte, war der Reisebericht an sich zumindest in folkloristischer Hinsicht leidlich interessant. Wirklich gut fand ich nur die Schilderungen der verschiedenen Charaktere der Mönche, die er kennen lernt.

    Danke, tinkerbell, Du hast das noch viel besser ausgedrückt als ich.
    Ich konnte mit Berenike auch nicht recht warm werden.
    Fast nur der Tee hat mich durchhalten lassen.


    Lieben Gruß,
    die Lesebiene

    Salut, Belle Affaire,


    so unterschiedlich können Meinungen sein. Also, ich finde nicht, dass am Ende alles geklärt ist in diesem Buch. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich auch keine Lust hatte, zurück zu blättern, um manches zu überprüfen. Ich fand es irgendwann nur noch anstrengend.


    Schön fand ich aber, dass Du Dich auf meine Rezension bezogen hast. Dann hat sie ja wenigstens jemand gelesen - vielen Dank!


    Lieben Gruß,
    die Lesebiene

    Hallo streifi,


    ich habe den "Strandkorb für Oma" auch bei vorablesen gewonnen. Würdest Du denn sagen, dass man "Oma ihr klein Häuschen" vorher lesen MUSS? Hat es Dir geholfen, Dich auf den "Strandkorb" vorzubereiten? Oder geht es auch ohne?


    Besten Gruß,
    die Lesebiene

    Dieses Sachbuch, das sich schon halb auf einer Gratwanderung hin zu einer literarischen Kurzgeschichtensammlung befindet, war mir schon länger ein Begriff. Jetzt, wo ich es endlich gelesen habe, kann ich sehr gut verstehen, warum es außerdem Eingang in das „Buch der 1000 Bücher“ gefunden hat! Einfach einzuordnen ist es jedenfalls nicht, vereint es doch Elemente aus Fallstudie, Melodram, Geschichte und philosophischer Betrachtung.


    In der breiten Öffentlichkeit dürfte der Autor, Oliver Sacks, ein britisch-amerikanischer Neurologe, durch ein anderes Werk noch viel bekannter sein; nämlich durch „Awakenings – Zeit des Erwachens“, ebenfalls ein Sachbuch, das allerdings in seiner verfilmten Form (mit Robert De Niro und Robin Williams) zu Weltruhm gelangte. Im „Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ haben wir es nun nicht mit einem, sondern gleich 20 Fällen von neurologischen Absonderlichkeiten zu tun. Die „Geschichten“, wie man sie eigentlich nennen müsste, umfassen eine beeindruckende Spannbreite menschlicher Erfahrung, und der Autor versteht es sehr geschickt, anhand dieser teils verstörenden, teils dramatischen Fehlentwicklungen aufzuzeigen, was Menschlichkeit überhaupt ausmacht – und wo, wenn überhaupt, die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit liegt.


    Die Fälle sind 4 verschiedenen Bereichen zugeteilt, in die das Buch gegliedert ist: „Ausfälle“, „Überschüsse“, „Reisen“ und „Die Welt der Einfältigen“. Oliver Sacks macht das Buch nicht nur durch seinen sehr lesbaren Schreibstil zugänglich, sondern auch durch sein Bemühen um fachliche Genauigkeit. Jedem Abschnitt ist eine Einleitung vorangestellt, in der der Forschungsstand sowie die eigene Meinung (!) des Autors zum jeweiligen Themengebiet präzise referiert wird. Ferner endet jede (!) Fallbeschreibung mit einem Nachwort, in welchem der Leser Ausblicke auf den weiteren Verlauf der Krankengeschichte, oder aber weiterführende Gedanken zu ähnlichen Fällen erhält.


    Diese Beschreibung macht zunächst einen sehr nüchternen Eindruck, nicht wahr? Aber dem möchte ich unbedingt widersprechen! Ich würde jedem Leser, der auch „Awakenings“ faszinierend fand, und der sich auch nur entfernt für die Funktionsweise des menschlichen Geistes und Gehirns interessiert, dringend zur Lektüre dieses Buches raten! Man wird eben nicht nur informiert, sondern, so tragisch es teilweise auch ist, blendend unterhalten, zum Nachdenken angeregt, und in seiner eigenen Weltsicht gründlich aufgerüttelt.


    Die besondere Leistung des Autors besteht eben darin, dass er alle seine Patienten zuallererst als Menschen wahrnimmt und porträtiert, nicht als „Fälle“. Obwohl die Geschichten unterschiedlich lang sind, nimmt sich Sacks in jedem Falle Zeit, dem Leser seine Bekanntschaft mit der fraglichen Person von Anfang an zu schildern. Er lässt auch Fragen und Bedenken nicht aus, sowie diejenigen Stellen, an denen selbst die Medizin nicht weiter wusste. Und siehe da – so manches Mal haben die Betroffenen selbst einen nicht unerheblichen Teil zum Ausgang ihrer eigenen Geschichte beigetragen. Teils machten sie Vorschläge zu ihrer eigenen Behandlung, teils wehrten sie sich sogar dagegen, ihrer „neuen Fähigkeiten“ wieder beraubt zu werden! Diese Stellen zählen mit zu den eindringlichsten des ganzen Buches, weil hier deutlich wird, dass Glück und Wohlbefinden nicht immer in der Kategorie des „Normalen“ und „Gesunden“ messbar sind.


    Man erfährt so „ganz nebenbei“ eine unglaubliche Fülle an medizinischem Fachwissen, und den damaligen Forschungsstand – das Buch erschien zuerst 1985. Es werden so unterschiedliche Gebiete behandelt wie der Verlust des Körpergefühls oder des halben Gesichtsfeldes, der Verlust der Fähigkeit zum Wiedererkennen menschlicher Gesichter (deswegen die Verwechslung zwischen Frau und Hut!), Radio-Hören im eigenen Kopf, das Steckenbleiben in einer bestimmten Zeit, das Tourette-Syndrom, sowie Autisten mit besonderen Fähigkeiten (besonders Zahlen und Musik). Gleichzeitig liegt hier mein einziger Kritikpunkt an dem Buch, weswegen ich auch nur 4 Sterne verleihe und nicht 5: so manches Mal hat man doch den Eindruck, der Autor habe eine Lobhudelei auf in Fachkreisen berühmte Kollegen verfasst – denn die erwähnt und zitiert er ausführlich.


    Das sollte aber wirklich niemanden davon abhalten, zu diesem Buch zu greifen! Der Stil ist ganz ähnlich wie bei Ferdinand von Schirach, und ich möchte nicht ausschließen, dass dieser Autor sich bei Oliver Sacks inspiriert hat. Die Methode ist dieselbe: echte Fälle in eine flüssig lesbare und dramatisch wirkungsvolle Form zu bringen, die einen großen Leserkreis anspricht und gleichzeitig literarisch wertvoll ist.

    Der Titel dieses Buches ist ein wenig flapsig, das gebe ich zu; und sicher war auch die Absicht damit verbunden, Leser anzulocken, die sich sonst eher weniger an spirituelle Inhalte wagen. Doch letztendlich ist dieses Buch wirklich "handfest", es vermittelt zu Dutzenden wichtige Einsichten und Erkenntnisse, und lässt uns an ganz alltäglichen Schwierigkeiten großer Meister teilhaben - ohne jedoch schwer lesbar zu sein!


    Jack Kornfield ist ein wirklich bekannter buddhistischer Lehrer, und ich habe ein wenig den Eindruck, als habe er sich mit dem Verfassen dieses Buches selber etwas "gegönnt". Ein Schreibprojekt also, das ihm, ganz abgesehen von seinen sonstigen Erfolgsbüchern, einmal erlaubte, viele problematische Randbezirke spirituellen Lebens zu behandeln, die sonst immer vernachlässigt werden. Sehr wichtig auch: er nimmt sich selber zurück, erwähnt sich selber nur am Rande. Vielmehr trägt er zahllose Beispiele religiöser Praktizierender aus aller Welt zusammen - eben nicht nur von Buddhisten, sondern auch von Swamis, Rabbis, islamischen Gelehrten, und katholischen Ordensangehörigen. Die Anonymität bleibt dabei stets gewahrt, nur wer zustimmte, wird namentlich erwähnt.


    Schon allein den Aufbau des Buches finde ich sehr durchdacht. Es besteht aus insgesamt vier Abschnitten, die alle aufeinander aufbauen (es ist also kein Buch zum Querlesen). Er beginnt sehr persönlich, mit Anekdoten aus seinem eigenen spirituellen Leben, und mit einer herzlichen Erklärung, wie er überhaupt an dieses Buch heranging. Sofort ist man vom durch und durch persönlichen Tonfall dieses Autors gefangen genommen, und sicher wird man auch schon hier so manches Mal lachen!


    In Abschnitt Eins, "Die Vorbereitung der Ekstase", geht es darum, wie man überhaupt zu großen spirituellen Einsichten kommt. Egal, wie man es nennt, Erleuchtung, Herzensöffnung, das Paradies - es gibt kein Patentrezept dafür, wie man dorthin gelangt. Und erst recht keinen Fahrplan! Sehr humorvoll wird dem Leser vor Augen geführt, dass auch die größten Meister klein angefangen haben - und dass es mitunter Jahrzehnte dauert, bis sich spirituelle Praxis bemerkbar macht.


    Abschnitt Zwei, "Die Tore des Erwachens", ist dann schon ein wenig buddhistischer. Anhand der vier bekannten buddhistischen Begriffe Mitgefühl, Leerheit, Einssein und Buddha-Natur zeigt uns Kornfield, welch unterschiedliche Wege es gab und gibt, sich auf Erkenntnis hin zu bewegen. Für manch einen eröffnet sich die Einsicht, während er Schwerkranke pflegt. Für einen anderen wiederum ist es soweit, wenn er alle Erwartungen loslässt. Und ein Dritter erlangt Erleuchtung, wenn er sich auf einem Spaziergang mit allem verbunden fühlt. Ich muss sagen, dieser Abschnitt war zwar hochinteressant, aber für einen Nicht-Buddhisten vielleicht doch ein wenig anspruchsvoll.


    Abschnitt Drei, "Kein Abschied nach der Erleuchtung", ja, der geht so richtig "ans Eingemachte". Hier kommt genau das vor, was der Titel des Buches vermuten ließ: alle möglichen und unmöglichen Schwierigkeiten des Alltags, denen sich jemand gegenüber sieht, der seine Erleuchtungserfahrung in den Alltag hinüberretten will - und oft genug dabei fast versagt. Rebellische Teenager, Machtmissbrauch, Skandale, Wohlstandsgesellschaften, verständnislose Familienangehörige - vieles kommt hier vor, wird aber immer mit Herzenswärme und Verständnis verfolgt. Hier werden keine Urteile gefällt, sondern nur mögliche Stolpersteine auf dem spirituellen Weg aufgezeigt. Mein Kritikpunkt an diesem Abschnitt ist nur, dass er zu kurz ist!


    In Abschnitt Vier, "Die gründliche Wäsche", wird es noch ein wenig persönlicher. Hier geht es um den Einzelnen, und um Hinweise, wie er sich nach seiner Einsichtserfahrung persönlich weiter entwickeln kann. Denn das muss er - es gibt eben keinen Ruhe- oder Stillstand nach der Erleuchtung! Man kann nie sagen, "nun hätte man es aber geschafft". Und das ist für einen jeden ernsthaft Praktizierenden ungemein wichtig zu verstehen! Man sollte ständig weiter an sich arbeiten, und nach und nach die gesamte Persönlichkeit in die Erleuchtung einbeziehen - eben auch die ungeliebten oder verdrängten Seiten unserer Psyche, unsere Macken und Marotten, unsere Emotionen, unseren Körper, unsere Familien, und - unseren Humor! sprich: auch ein Weiser sollte sich selbst nicht furchtbar ernst nehmen!


    Das hört sich alles furchtbar nüchtern an, doch ich kann wirklich nur unterstreichen, welch großes Vergnügen mir dieses Buch bereitet hat! Ich hatte überhaupt nicht das Gefühl, in irgendeiner Weise "belehrt" zu werden. Nein, ich konnte vielmehr Schätze heben, und Anteil nehmen an den ganz alltäglichen Freuden und Leiden großer Meister aus aller Welt. Das hat meine Verbundenheit mit meinen Idealen ungemein gestärkt. Mir wurde klar, dass Selbstverwirklichung im spirituellen Sinne eben mehr ist, als ein Gelübde abzulegen, oder einer Gemeinschaft beizutreten. Es bedeutet, sich auf eine Erkundungsreise durch sich selbst zu begeben, und dabei alles vorurteilslos zu betrachten - nicht "hinzunehmen"! Gleichzeitig wurde ich auch noch wunderbar unterhalten, und genau das macht dieses Buch für mich zu etwas Besonderem. Ich würde es wohl nicht jedem empfehlen, aber zumindest jedem, der ein klein wenig Vorbildung auf spirituellem Sektor mitbringt - und der allzu faktenlastige oder trockene Ratgeber leid ist.

    Dieses Buch habe ich als Teil meines diesjährigen, mir selbst auferlegten Lesepensums gelesen - ich wollte einmal 30 Klassiker von meiner Liste streichen, die schon zu lange in meinem Regal verstauben. Nun, der erste Schritt ist getan. Ich kann nun verstehen, warum dieses Werk berühmt wurde, warum es Aufsehen erregte, und warum es sogar im "Buch der 1000 Bücher" landete. Und dennoch, zu mehr als drei Sternen mag ich mich nicht hinreißen lassen. Denn so bin ich nun mal als Leser - ich lasse mich zwar vom "Ruf" eines Buches durchaus leiten, kann aber die rein literarische Beurteilung, also die "Lesbarkeit" an sich, nicht völlig außer acht lassen.


    Sicher, die Inhalte sind leider nach wie vor brisant und erschütternd, und auch ich habe an manchen Stellen fassungslos den Kopf geschüttelt. Günter Wallraffs Mut ist sehr zu bewundern, zumal man weiß, dass er in diesem Stil weitergemacht hat - trotz zahlreicher Angriffe.


    Doch Kritikpunkte habe ich eben auch - und die beziehen sich rein auf das Buch, "als Buch". Nicht auf die Inhalte! Erstens: Wallraff hat sich, als Türke "Ali" getarnt, in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen umgesehen. Er war bei McDonald's, auf einer politischen Kundgebung, im Fußballstadion, bei der katholischen Kirche, bei der Pharmazie - und als Leiharbeiter im Stahlwerk. Doch leider werden diese verschiedenen Bereiche im Buch nicht gleich gewichtet. Ich persönlich hätte beispielsweise die Arbeit bei McDonald's am interessantesten gefunden, doch die wird auf kaum 20 Seiten abgehandelt. Auch die Kundgebung und das Fußballstadion bekommen nicht sehr viel mehr Raum. Den weitaus größten Teil des Buches über beschreibt Wallraff seine Erlebnisse als Leiharbeiter, der unter unmenschlichsten Bedingungen Staub und Schlacke an Hochöfen und Förderbändern entfernen muss. Doch warum? Hat er hier die meiste Zeit verbracht? Hat er hier am meisten Freunde gefunden? Der Leser erfährt es nicht. Und das finde ich ausgesprochen schade. So kann ich nur vermuten, dass er nach persönlichen Vorlieben gegangen ist, was er am ausführlichsten schildern soll. Doch das kann für mich nicht der Sinn einer wirklichen journalistischen Reportage sein.


    Überhaupt finde ich, dass die zeitlichen Angaben völlig vage bleiben. Sicher verstehe ich, dass er seine ehemaligen Kollegen hat schützen wollen. Doch es wird nicht einmal ansatzweise der Versuch gemacht, einmal konsequent seine eigenen Lebensumstände während dieser Zeit, einen Tagesablauf, oder seine tägliche Maskerade zu schildern. Viele Details bleiben mir einfach unklar. Wenn er beispielsweise als Stahlarbeiter Doppelschichten hat fahren müssen, aber ständig Perücke und Schnurrbart trug, dann verstehe ich nicht, wie er nicht viel früher aufgeflogen ist. Das muss doch, bei all der Hitze und dem Dreck, verrutscht sein...?? Und die gefärbten Kontaktlinsen, bei all dem Staub in der Luft, wie ging das überhaupt?? Und nur ein einziges Mal soll ein Kollege etwas gemerkt haben, als er sich Notizen machte. (Man bedenke, es war in den 80er Jahren, da gab es noch nicht so viele elektronische Medien!) Das finde ich einfach unglaubwürdig. Es gibt noch weitere Fragen, die nicht im Buch geklärt werden. Wie war das Verhältnis zu den Nachbarn? Was war mit dem Kontakt zur eigenen Familie? zum Verlag? Wann und wie hat er sich seinen Kollegen zu erkennen gegeben? und so weiter.


    Ja, ich finde, dass er sich um einen der wichtigsten Teile im Buch tatsächlich "drückt". Er hatte es geschafft, aus dem Dreck des Stahlwerkes aufzusteigen, zum Chauffeur des Chefs der Leiharbeiter-Agentur, Adler. Doch er schildert eben nicht, wie er aus dieser Nummer wieder rauskam! Und ob Adler ihn enttarnte, oder nicht. Ob er hinterher verklagt wurde, oder nicht. Wie die Kollegen reagierten. Das hat mich doch gewurmt! Das Buch endet einfach, und zwar mit einer gestellten Episode, eine Falle, in die sie diesen Adler tappen lassen. Zusammen mit zwei Schauspiel-Kollegen fingiert Wallraff einen hochgefährlichen und natürlich illegalen Auftrag in einem Atomkraftwerk. So gerade eben schaffen sie es, dass Adler zwar annimmt, er also überführt ist, sie den Auftrag aber dennoch nicht ausführen müssen. Hm, doch wie kam überhaupt der Kontakt zu diesen Schauspielern zustande? wie konnte Wallraff überhaupt Zeit dafür haben, sie zu kontaktieren? Hatte er ein eigenes Telefon in dieser Bruchbude in der Dieselstraße?? Fragen über Fragen, die wieder im Raum stehen bleiben.


    Als letzten Kritikpunkt möchte ich noch die Sprache erwähnen. So leid es mir tut, aber auch wenn man erschütternde Inhalte schildert, dann sollte man als Journalist so professionell sein, die Geschehnisse für sich sprechen zu lassen, und nicht den vorgeführten Personen die eigene Meinung (in Klammern) in den Mund zu legen. Das gehört sich erstens nicht, und zweitens hätte es sich auch erübrigt. Besonders bei der Schilderung der Episode mit der Katholischen Kirche, als sich "Ali" angeblich taufen lassen will, fiel mir das auf. Wallraff konnte es einfach nicht lassen, jedem Pfarrer in Klammern seine eigene Interpretation der Antworten beizugeben. Das finde ich schlicht störend, und unprofessionell. Und außerdem - dieser angeblich türkische Akzent, den er sich da zugelegt hat, der war absolut grausam, und in keinster Weise glaubwürdig! Na, vielleicht sind wir Heutigen da auch besser drauf eingestellt; wir haben eben doch schon mehr Umgang mit ausländischen Mitbürgern und ihrer Sprache, so etwas fällt uns auf. Aber es will mir einfach nicht in den Kopf, dass damals sogar gebildete Leute auf diese angebliche Ausländersprache hereingefallen sind.


    Insgesamt gesehen, würde ich das Buch durchaus als Klassiker weiterempfehlen - aber ich würde auch dazu sagen, aus welcher Zeit es stammt, und dass die Geschichte der Reportage in Buchform seit damals deutliche Fortschritte gemacht hat.


    Edit: ISBN der Ausgabe von 1990 eingesetzt, damit das Buch auch über das Verzeichnis zu fiden ist. LG JaneDoe