Beiträge von rumble-bee

    Auch mit viel Wohlwollen mag ich nicht mehr als drei Sterne, also etwa 5 Eulenpunkte, geben. Das steht in diesem Falle bei mir für "solide Unterhaltung", aber - leider - nicht mehr.


    Dies ist der offensichtlich erste Band einer Reihe, und von daher mag ich der Autorin gerne eingestehen, dass sie die Charaktere und Handlungsstränge noch mehr ausdifferenzieren wird. Was ich hier gelesen habe, hat mich zwar zwei Tage lang flüssig unterhalten, aber literarisch nicht vom Hocker gerissen.


    Wirklich gut gelungen ist die sommerliche Urlaubsstimmung in den Schären! Ich mache selber häufiger Urlaub auf einer Insel, und kann nur sagen, dass ich vieles wiedererkenne. Die Spannungen zwischen Urlaubern und Einheimischen, die Atmosphäre vor, während und nach der Saison, die Besitzverhältnisse, die "Zugereisten" - alles sehr wahr. Noch dazu die stimmigen Naturschilderungen, und schwups hat das Buch locker einen Stern dafür verdient.


    Der Kriminalfall an sich verläuft, vor allem im ersten Drittel des Buches, eher behäbig. Erst langsam kommt die Handlung in Fahrt. Auch der Ermittler Thomas Andreasson ist nicht gerade ein Ausbund an kriminalistischer Verve. Letztlich gelangt der Fall erst durch einige Zufälle, und vor allem durch Thomas' Jugendfreundin Nora, zu einer Auflösung.


    Wirklich geärgert haben mich Nora und Henrik! Hier werden etliche Stereotype aneinander gereiht, dass es nur so kracht. Verhuschte Hausmaus vs. karrieresüchtigem Ehemann. Ich habe Nora oft wirklich nicht verstanden, hätte sie am liebsten geschüttelt! Eine wirkliche Auflösung erfährt dieser Handlungsteil auch nicht. Vielleicht im zweiten Band...?


    Auch die zart blühende Romanze um Thomas und seine Assistentin Carina ist zwar ganz nett zu lesen, verbleibt aber viel zu sehr im Ungefähren und Süßlichen, als dass sie mich wirklich hätte überzeugen können. Thomas leidet noch unter seiner Scheidung und dem plötzlichen Kindstod seiner Tochter Emily. Hier habe ich aber schon wesentlich überzeugendere Schilderungen gelesen! Alles sehr oberflächlich geschildert von der Autorin, wenig mehr als klischeehafte Worthülsen aus Psychologie-Ratgebern. Schade, hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht.


    Insgesamt mag ich der Reihe durchaus noch eine Chance geben. Im Moment würde ich sagen - Achtungserfolg, aber nicht mehr.

    Mein Urteil zu diesem Buch ist durch und durch zwiespältig. Es gibt tatsächlich gute Anteile, mit denen ich bei diesem Autor so nicht gerechnet hätte, und die ich für höchst untypisch halte - aber auch genau die seichten Untiefen, die zu befürchten waren.


    Immerhin hat er in diesem Werk, nach dem unsäglichen "Die Schriften von Accra", wieder zu einer einigermaßen durchgehenden Erzählung zurückgefunden. Meine Meinung ist und bleibt ja, Coelho ist da am besten, wo er tatsächlich eine Geschichte erzählt, einen Plot. Das ist ihm mit der Schweizerin Linda, 31 Jahre alt und in der schönsten Midlife-Crisis, halbwegs gelungen. Wir erfahren Lindas Geschichte im Laufe ungefähr eines Jahres, von ersten Anzeichen einer Depression, über eine Affäre mit einer Ex-Liebe, bis hin zur Rückkehr ins traute Nest der ehelichen Beziehung.


    Aber hier liegen auch schon gleich meine ersten Kritikpunkte. So vieles bleibt bei diesem Buch erzähltechnisch im Ungefähren, dass man sich die Haare raufen möchte. Die Zeitabläufe zum Beispiel. Kaum mal gibt es Hinweise zu Jahreszeiten während der Handlung. Sehr oft erzählt Linda im Nachhinein, "inzwischen sei ja dies und das passiert". Ich als aufmerksamer Leser fühlte mich teilweise verhohnepipelt. Wo es bequem war, wurde linear erzählt; der Rest wurde geschlampt oder nachgereicht. Da fühle ich mich nicht ernst genommen. Die Handlung spielt sich ab wie in einer schillernden Blase, die jederzeit zu platzen droht...


    Und auch die Nebenfiguren. Das fängt schon mit dem Ehemann an. Hatte er überhaupt einen Namen? Ich weiß es nicht mehr! Er kommt nur als ominöser Stichwortgeber vor. Und die Kinder... sie haben definitiv im ganzen Buch keine (!) Namen, hier habe ich aufgepasst. Und es heißt auch nur, sie würden zur Schule gebracht, und bräuchten noch einen Babysitter. Haben aber andererseits schon Tablet-PCs. Wie alt sind sie denn nun?? Es muss sich um zwei Jungs handeln, so viel glaube ich verstanden zu haben. Ansonsten sind die Kinder Phantome, die scheinbar nur zur Komplizierung der Handlung hinzu erfunden wurden. So etwas finde ich höchst unbefriedigend als Leser!


    Skeptisch war ich von Anfang an bei der Ich-Perspektive aus der weiblichen Sicht. Das gelingt einem männlichen Autor nicht immer. Ganz furchtbar misslungen fand ich es z.B. auch bei Nick Hornby in "How to be good". Hier nun kann ich mich nicht recht entscheiden. Ich konnte Linda einfach nicht immer folgen. Es entstand zwar ein gewisser Lesefluss, aber die Motivation war doch oft recht sprunghaft und nicht immer nachvollziehbar. Außerdem wimmelte es im Text von übelsten Metaphern und abgedroschenen Phrasen, dass sich mir die Zehennägel aufrollten. "Ich fühle mich wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch"... also bitte!!


    Ich finde, dass sich Coelho in diesem Buch aus spiritueller Sicht bemerkenswert zurückgehalten hat. Es kommen immer mal Häppchen vor, die aber die Handlung (insofern sie existiert) nicht behindern. Das hat mir diesmal sogar gut gefallen. Nur der Schluss, der schien mir relativ aus der Luft gegriffen (beinahe im wörtlichen Sinne!); er erschien mir "angepappt" und doch arg rosig. Er passte für mich nicht zur Gesamtsituation.


    Was allerdings wirklich gut war, war die Schilderung der Schweiz und der Schweizer Mentalität! Das hat mich überzeugt, und mir so manchen Schmunzler entlockt. Fassade, Sicherheit, Verlässlichkeit, Pedanterie. Das wurde mit einem gewissen sachlichen Augenzwinkern geschildert, und kam gut rüber. Insofern war es weniger ein Buch über Linda, als über ein Land und seine Bewohner.


    Es fällt mir schwer, ein Fazit zu ziehen. Wäre dieses Buch nicht von Coelho, würde ich eventuell sogar sagen - annehmbar. So aber bleibe ich beim unentschlossenen Stirnerunzeln, und vergebe ein wenig widerstrebend drei Sterne (also 5 Eulenpunkte). Wovon mindestens einer für die Schilderung der Schweiz ist!

    Fritzi, ich würde Dir insofern zustimmen, als auch ich das Buch ziemlich kompakt finde. Ich lese es gerade, bin noch nicht ganz durch.


    Also, einem Anfänger würde ich es wirklich nicht (!) geben. Und ich würde auch davon abraten, es von vorne bis hinten in einem Rutsch zu lesen. Die "Pausenzeichen", die der Autor eingefügt hat, machen absolut Sinn.


    Ich würde sagen, es ist ein Buch, das auf herzliche und einleuchtende Weise gewisse Dinge zusammenfasst. Ich erkenne hier sehr vieles wieder - habe aber auch schon viel gelesen...


    Es ist mal ein anderer Blickwinkel. Eben ein Werkzeug, das man nutzen kann. Aber weder das einzige, noch das einzig richtige Werkzeug.

    Liebes Rumpelstilzchen,


    ich habe auch gezögert, diesen Vergleich so offen anzubringen. Habe mich dann aber doch dafür entschieden, einfach weil ich zeigen wollte, wie Horowitz sich aus der Tradition bedient, und wie gut ihm das gelingt.


    Beste britische Krimi-Tradition


    ***


    Ich muss sagen, dass sich Anthony Horowitz mit diesem Buch ein wenig selber übertroffen hat. Schon das "Geheimnis des weißen Bandes" fand ich atmosphärisch dicht und gut geschrieben; aber dieser Folgeband geht noch darüber hinaus. Horowitz hat hier ein Spiegelkabinett der detektivischen Irrungen erschaffen, das seinesgleichen sucht. Die Schreibweise von Conan Doyle wird aufs Beste weitergeführt, und mit Anklängen an Agatha Christie und Edgar Wallace verbunden, dass es nur so kracht.


    Wenn man die genannten Autoren, also Christie und Wallace, kennt, muss man im Nachhinein ein wenig schmunzeln. Horowitz hat sich einen Knalleffekt für den Schluss des Buches einfallen lassen, der an die britische Schreibtradition dieser beiden Autoren anknüpft.

    Er hat aber nicht einfach kopiert, und das kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen. Er hat aus dem Alten etwas ganz Eigenes erschaffen, das sich elegant, flüssig und spannend liest. Hut ab dafür.


    Typisch Wallace sind viele Elemente dieses Buches - die nebligen Straßen, die düsteren Schauplätze, zwielichtige Butler, Giftpfeile, die aus dem Dunklen kommen, Gangsterbanden mit stets wechselnden Allianzen, blinde Autoritäten, diplomatische Verwicklungen - und Frauen, die höchstens in Nebenrollen glänzen, nämlich als leichtes Mädchen oder treuherzige Ehefrau. Auch hier gilt: sehr gut transponiert und weitergeführt!


    Auch der Fall an sich hat mich überzeugt. Die Londoner Unterwelt ist in Aufruhr: ein berüchtigter amerikanischer Gangster soll sich auf den Kontinent begeben haben, um die Macht an sich zu reißen. Die Verbrechen und brutalen Methoden nehmen zu, und niemand weiß, wer dahinter steckt. Gleichzeitig scheinen zwei bekannte Geistesgrößen dramatisch ums Leben gekommen zu sein: Sherlock Holmes und Professor Moriarty... Ein amerikanischer Detektiv, Frederick Chase, und ein englischer Inspektor, Athelney Jones, machen sich gemeinsam daran, von den Reichenbachfällen aus die Spuren zu verfolgen, um das Böse aus der Welt zu schaffen.


    Hier verbeugt sich Horowitz vor Conan Doyle: der Plot ist wirklich sehr klassisch, viele Szenen hätten vom großen Meister selbst geschrieben worden sein können. Chase fungiert in diesem Buch als Ich-Erzähler à la Watson, und Jones gibt den Sherlock. Man folgt Hinweisen, und kommt zu überraschenden Schlüssen. Jones ist ein großer Fan von Holmes, und hat von ihm gelernt. Er schließt unglaubliche Details aus den merkwürdigsten Einzelheiten, und Chase folgt ihm getreulich. Immer wieder kommt es zu unerwarteten Wendungen, zu tumultartigen Szenen, und viele Kapitel enden mit "Cliffhangern". Es ist sicherlich keine haarsträubende Spannung, aber der Bogen wird kontinuierlich gespannt, bis hin zum doch dramatischen Showdown. Das Ende verbleibt übrigens in einigen Punkten angenehm offen...!


    Als sehr nett habe ich auch empfunden, dass Horowitz sich auf zahlreiche bekannte Fälle von Sherlock Holmes bezieht, und diese immer wieder erwähnt, wie "Das Zeichen der Vier", den "Hund von Baskerville", oder den "Club der Rothaarigen". Für einen Holmes-Fan ist es eine wahre Freude, diese kleine Schnitzeljagd zu verfolgen!


    Hübsch auch die Idee, in die Handlung technische Neuerungen einzuflechten, die um 1890 herum gerade erst aufkamen, und als "neu" bestaunt werden. Wie Straßenbahnen, Kühlräume, Telegrafenämter. Ich musste lachen, als über die Zukunft der Kommunikation spekuliert wurde! Ein wenig seltsam erscheint mir nur, dass ausgerechnet einer der Haupttäter Vegetarier ist, und einen seitenlangen Vortrag über das Leiden der Tiere hält... die Argumente kennt man heute zwar, aber damals...? Nun ja.


    Insgesamt bin ich wirklich sehr begeistert, und kann das Buch uneingeschränkt empfehlen. Vielleicht nur mit der Einschränkung, dass eher solche Leser Freude daran haben werden, die sich in der britischen Krimi-Tradition ein wenig auskennen. Sonst entgehen einem doch viele Feinheiten.

    Jedesmal, wenn ich ein Buch von Zoran Drvenkar lese, denke ich: der kann doch unmöglich noch besser werden. Und jedesmal entdecke ich: doch, er kann! Dieses Buch hat mich erneut völlig sprachlos zurückgelassen. Man muss sich beinahe schämen, dass man solche Themen "gut findet". Dies verdankt sich vor allem der unerreichten Fähigkeit Drvenkars, das Grauen in einer klirrend-kalten Schönheit zu schildern. Und auch noch spannend zu sein.


    Zuerst war ich fast ein wenig enttäuscht, denn den hauptsächlichen "Kniff" seiner Schreibweise hat er schon öfter angewendet: die Aufteilung der Erzählstränge in "Sie", "Du" und "Ich". Allerdings hat er sich eine so ausgefuchste Grundidee für die Handlung ausgesucht, dass es mir den Atem verschlagen hat: ein verzweifelter Vater eines verschwundenen Mädchens wechselt die Identität, und schleust sich freiwillig (!) in einen Ring von Pädophilen ein...


    Das Buch lebt für mich, wie gesagt, einesteils von seiner Sprache, die nüchtern, klar, kalt, aber eben auch faszinierend ist. Andererseits ist es die wirklich nervenzerfetzende Spannung, die den Leser voran treibt. Wer wird wem auf die Schliche kommen? Wer führt hier eigentlich wen hinters Licht? Wer ist Täter, wer Opfer? All dies ist für mich auch nach Beendigung der Lektüre keineswegs geklärt, und gerade das finde ich ausgesprochen genial!


    Im Grunde kann man dieses Buch nicht nacherzählen. Daher nur so viel: nichts, aber auch wirklich gar nichts, wird am Ende so sein, wie man zu Beginn des Buches dachte. Das Buch geht im Kopf weiter! Jeder der Protagonisten meint für sich, es sei so und so gewesen. Aber Pustekuchen... wir Leser wissen es besser...


    Ein Grundthema ist hier, wie immer, die Rechtfertigung von Gewalt. Ein anderes die Aufarbeitung seelischer Traumata. Wie weit sind Eltern bereit, zu gehen? Das Buch bietet nicht zuletzt viele Ansätze zur Selbstbefragung für den Leser.


    Ich würde nur eine einzige Einschränkung machen: das ist absolut nichts für Leser mit schwachen Nerven. Das Buch ist zwar nicht eigentlich blutrünstig, aber moralisch sehr, sehr fragwürdig. Und es geht um Kinder. Wer damit nicht zurechtkommt, lasse lieber die Finger davon. Ansonsten gibt es für mich die deutlichste Lese-Empfehlung, die ich nur aussprechen kann. Drvenkar gehört für mich zu den sehr wenigen deutschsprachigen Thriller-Autoren von wirklichem Weltrang.

    Auf den ersten Blick ist dies ein Buch über einen jugendlichen Schwimmer, der an sich, seinen Lebensverhältnissen, und vor allem seinen Ansprüchen zerbricht. Erst auf den zweiten Blick, etwa ab dem zweiten Drittel des Buches, dämmert dem Leser, dass es hier um noch viel mehr geht. Um die australische Mentalität beispielsweise. Um ausgewanderte Griechen. Um die Identität der Arbeiterklasse. Um die Haltung der Gesellschaft Schwulen gegenüber. Um geplatzte Lebensentwürfe. Und und und.


    Eines vorab: mir fällt es ungeheuer schwer, dieses Buch für sich allein stehend zu betrachten. Für mich hat Christos Tsiolkas, der Autor, seit seiner "Ohrfeige" einen Nimbus, einen Ruf, und den lese ich irgendwie "mit". Ich habe es vor allem dahingehend gelesen, ob ich die Stimme des Autors, seine Haltung, "wiedererkenne", und ob er noch dieselbe Einstellung der Welt und dem Erzählen gegenüber hat. Nun - er hat!


    Auch dieses Buch wirkte auf mich wie eine Ohrfeige, eine teils derbe und harte Erzählung, die in authentischer und drastischer Sprache absolut nichts beschönigt - und die ich dem Autor größtenteils abnehmen konnte. Sympathien für den Helden Danny Kelly habe ich wenig empfunden; aber ich glaube, es geht an der Absicht des Buches vorbei, es dahingehend beurteilen zu wollen. Die Geschichte hätte genau so passieren können, und vermutlich tut sie es auch. Darauf kommt es an.


    Manches hat der Autor stilistisch beibehalten, manches weiterentwickelt. Wie gesagt, die Sprache ist typisch Tsiolkas geblieben. Ein großes Lob an die Übersetzung übrigens! Man hat es geschafft, dass die Jugendsprache trotzdem authentisch rüberkommt, all die gehässigen Frotzeleien und auch das Mobbing wirken real, nicht angestrengt oder gekünstelt. Und auch die Sexszenen konnte ich so annehmen - fand sie sogar weniger unschön als in der "Ohrfeige".


    Sehr gefallen hat mir die erzählerische Experimentierfreude des Autors. Dass die Chronologie in modernen Romanen aufgebrochen wird, ist man ja fast schon gewöhnt. Neu ist jedoch, dass die Rückblenden (!) alle in der Ich-Perspektive geschrieben sind; die Erzählstränge aus der (relativen) Gegenwart aber in der dritten Person. Das hat für mich die Aussage des Buches sehr gut unterstrichen: Danny klebt sehr an seiner Vergangenheit als Schwimmer, hier hat er wirklich gelebt, hier war er ein "Ich". Außerdem fiel mir auf, dass die Rückblenden eine grobe Richtung haben: sie gehen in der Zeit immer weiter zurück, bis hin zu Dannys ersten Erfolgen, ja sogar bis hin zu der Szene, als er als Kleinkind mit seinem Vater am Strand Schwimmen lernt. Diese letzte Szene schien mir allerdings doch sehr an Joyce angelehnt - ein "stream of cosciousness", der wohl die kindliche Unmittelbarkeit rüberbringen sollte.


    Als "typisch Tsiolkas" habe ich auch empfunden, dass manche Rätsel bezüglich Dannys Vergangenheit bewusst offen bleiben. Man kann hier viel interpretieren, was ich prinzipiell gut finde. Dies betrifft vor allem die wahren Gefühle der Personen füreinander, und ihre Ausrichtung im Leben. Wann und wie hat Danny eigentlich gemerkt, dass er schwul ist? Liebt er Clyde in Wahrheit doch? Und das größte Rätsel von allen: der Trainer, Frank Torma. Ich wette hundert zu eins, dass er heimlich in Danny verliebt war - schließlich vermacht er ihm am Ende sein Haus. Aber auch dies bleibt Interpretationssache.


    Das Buch ist für mich nur sehr knapp an der 5-Sterne-Marke vorbeigesaust, was in meinen Augen an der thematischen Überfrachtung lag, wie ich sie im ersten Absatz schon angedeutet habe. Ich persönlich hätte eine Konzentration auf Dannys Geschichte besser gefunden. All die Diskussionen über Australien und seine verquere Mentalität, über Politik, über Auswanderung und so weiter, sind ein wenig an mir vorbei gegangen. Vermutlich müsste man Australier, oder zumindest Bewohner des Commonwealth, sein, um hier manches besser zu verstehen. Auch der autobiographisch gefärbte Anteil des Buches scheint mir größer zu sein als noch in der "Ohrfeige". In Australien griechische Wurzeln zu haben, nun, davon kann der Autor ein Lied singen. Ich fand zwar manches gut beschrieben - aber tendenziell eben auch "too much", wie der Besuch bei der sterbenden griehischen Oma.


    Insgesamt freue ich mich aber sehr, dass Tsiolkas versucht, authentisch und innovativ zu bleiben. Er hat sich glaubwürdig in eine Welt des Erfolgsdrucks und der Klassenunterschiede begeben, und hat mich nebenbei noch zum Nachdenken gebracht. Dafür gibt es von mir 4 sehr verdiente Sterne.

    Slàinte, Pippa!



    Meine Bewertung ist diesmal knapp ausgefallen. Mit einem zugekniffenen Auge und viel Wohlwollen werden es dennoch 5 Sterne, bzw. 10 Eulenpunkte, wie gewohnt bei dieser Reihe. Nicht, dass ich das Buch nicht gemocht hätte! Doch es ist eben schon das fünfte über Pippa Bolle, in vergleichsweise kurzer Zeit erschienen. Und nach bewährtem Rezept verfasst. Vermutlich muss man als Leser einfach einer gewissen "Pippa-Übersättigung" vorbeugen...


    Es ist einerseits wirklich zu bewundern, wie die Autorinnen die bewährten Elemente in immer wieder neue Szenerien versetzen. Diesmal ist Pippa also in Schottland, um der Hochzeit ihrer Freunde Duncan und Anita (bekannt aus einem früheren Band) beizuwohnen, eine Brennerei-Tour zu begleiten, und so nebenbei ihre Nase in Dinge zu stecken, die sie nichts angehen. Wir haben, wie immer, zu Anfang des Buches ein "Dramatis Personae", das mir diesmal wirklich geholfen hat. Die Personen waren doch sehr zahlreich, und ihre (teils verwandtschaftlichen) Verwicklungen nicht immer leicht zu durchschauen. Hier hätte ich beinahe einen Stern abgezogen. Ich musste mich arg konzentrieren, um den Faden nicht zu verlieren. Und auch beim "Showdown" hätte ich eventuell einiges zu bemängeln; das las sich teilweise wie aus "5 Freunde" oder "TKKG". Ein klein wenig überdreht eben.


    Insgesamt überwiegen für mich aber die positiven Seiten dieses wieder durchweg liebevoll komponierten Krimis. Von Anfang an taucht man ein in eine flüssig gestaltete, gründlich recherchierte Welt. Man sieht die Highlands, genießt wunderbare Panoramen, lacht über Dorfbewohner und ihre Macken. Man lässt Whisky die Kehle hinunter rinnen, wundert sich über so manche Eitelkeiten, und setzt so langsam ein Puzzle zusammen, das von Schmugglern und Familienfehden handelt. Und man möchte am liebsten gleich die Koffer packen, und nach Schottland reisen!


    Aufgefallen ist mir, dass es in diesem Band überproportional häufig um Ehe- und Beziehungsprobleme geht. Vielleicht verständlich angesichts einer Handlung, die sich um eine Hochzeit dreht. Und angesichts eines schottischen Heiligen, der sich mit Eheproblemen befasst haben soll. Nur manchmal habe ich gezweifelt; eine bestimmte Verwicklung um Pippa habe ich noch nicht so ganz verdaut und verstanden.


    Grandios fand ich allerdings, wie viel man in diesem Band nebenbei "gelernt" hat. Über das Whiskybrennen, über die Rolle von Katzen in den Destillerien, über Preise und Auktionen. Man merkte deutlich, dass sich die Autorinnen intensiv mit diesem Thema befasst haben.


    Insgesamt gesehen, würde ich diesen Band durchaus wieder weiterempfehlen. Vielleicht aber nicht gerade an Neulinge, die Pippa noch nicht kennen. Es entgeht einem sonst doch so manche Anspielung auf frühere Fälle.

    Der abergläubische Mörder


    ***


    Ich fand das Konzept ja spannend: es sollte in diesem Krimi vordergründig um Aberglauben und Symbole gehen. Und um die Stadt Wien natürlich. In meinen Augen ist das Konzept nicht ganz aufgegangen.


    Zuerst einmal: das Buch hat gottlob keinerlei Ähnlichkeit mit dem Stil von Dan Brown, den ich einfach nur furchtbar finde! Beate Maxian schreibt erfreulich ungekünstelt, und hat einen sehr weiblichen Stil. Es geht vordergründig um die Figuren, ihr Verhältnis zueinander, um Rangeleien im Alltag. Und eben um einen Kriminalfall.


    Das Buch hat mich vor allem deshalb nicht ganz überzeugen können, weil für mich der Erzählfluss immer wieder gestört wurde. Sicher, es sollte um Aberglauben, um Mystik und Symbole gehen. Immerhin ist die Heldin Sarah Pauli Journalistin, und schreibt eine dementsprechende Kolumne! Aber die Art und Weise, wie viele Informationen in den Text eingearbeitet wurden, fand ich doch manchmal umständlich. Erzählende Passagen wechselten sich ab mit zähen, faktenreichen Erläuterungen. Das war mir oft zu gekünstelt, und vor allem zu lang.


    Auch der Spannungsbogen des Buches war in meinen Augen nicht ganz rund. Zum Ende hin wird es zwar wirklich rasant, aber es wird doch arg gerafft, und so manches Detail habe ich auch nicht wirklich verstanden. Ein eiskalter Auftragskiller - und dem kann die Journalistin mal eben so durch einen Schlag auf den Kopf entkommen? Mit Pumps und Handtasche? Na ja... Das wird vermutlich vom einzelnen Leser abhängen, wie er das bewertet. Sehr merkwürdig auch, dass im ganzen Buch die Polizei nur am Rande vorkommt. Das war für mich gewöhnungsbedürftig...


    Das Buch hatte aber auch gute Seiten, keine Frage! Wirklich nett fand ich die Figur der Sarah Pauli "an sich". Sie wird in ihrer Redaktion als die "Hexe vom Dienst" bezeichnet. Und sie hat auch noch eine schwarze Katze! Wirklich ein netter Einfall. Mich hat auch interessiert, wie es in einer Redaktion so zugeht, wer wann über was berichten darf.


    Viele Figuren waren mit glaubwürdigen und augenzwinkernden Details erdacht worden. Sehr gut gefallen hat mir z.B. der abergläubische Mörder, der Rumäne. Einerseits eiskalter Killer, andererseits fürchtet er sich vor dem "bösen Blick"... Er war für mich die Würze des Buches. Gut gezeichnet auch der alte General, der immer noch seine Beziehungen hat.


    Unerwartet waren für mich manche Einblicke in die österreichische Mentalität. Ganz offensichtlich trauert das Land noch seiner einstigen Bedeutung als k.u.k.-Monarchie hinterher. Und Deutsche werden als "Marmeladinger" bezeichnet... herrlich!


    Ich beende die Lektüre letztlich mit einer mittleren Bewertung. Dass das Buch Teil einer Reihe ist, hat man erfreulicherweise nicht gemerkt, es ließ sich relativ flüssig lesen. Als Gesellschaftsporträt, als Story über Sarah Pauli - OK. Als Krimi - noch ausbaufähig.

    Was für ein Jammer, dass dieses Buch bislang nur als Taschenbuch erschienen ist! Für mich ist es als reiner Roman genauso gut wie als Krimi, und hat von daher auf jeden Fall ein Hardcover verdient.


    Wir befinden uns in Jokkmokk in Nordschweden, knapp oberhalb des Polarkreises. Hier hat sich zuerst ein verdächtiger Todesfall ereignet, danach ein handfester Mord: ein 19jähriger wurde wie ein Rentier abgestochen. In der 2000-Seelen-Stadt tummeln sich diverse Menschen, die irgendwie mit der Aufklärung der Angelegenheit befasst sind. So zum Beispiel die junge Julla, eine Journalistin, die ihre alte Freundin Satu besucht und eine Reihe von Zeitungsartikeln über die Samen schreiben will. Ferner die frisch nach Lappland versetzte Kommissarin Linda Lundin, sowie ihre ortsansässigen Kollegen Bengt und Margareta, sowie diverse liebevoll erdachte Nebenfiguren.


    In der Tat sind es vor allem die Charaktere und die atmosphärischen Beschreibungen, die mir dieses Buch haben ans Herz wachsen lassen. Der Krimi kam für mich erst an zweiter Stelle! Man merkt auf jeder Seite, dass die Autorin selbst in dieser Region lebt. Ihr Herz schlägt für Lappland, und das Volk der Samen. Man lernt als Leser unglaublich viel, und fühlt sich förmlich in diese Gegend versetzt. Die unglaubliche Kälte und der Schnee scheinen zwischen den Buchseiten hervorzuquellen. Man besucht Märkte und Feste, lernt landestypische Gesänge kennen, isst Rentier-Eintöpfe, und nimmt an Husky-Rennen teil. Wirklich großartig, und mit viel Herzblut beschrieben.


    Zweitens waren es die Figuren, die ich so sympathisch fand. Die Ermittler sind keine Übermenschen, aber auch nicht mit Problemen überladen wie beispielsweise ein Wallander. Ganz normale Leute eben, die man so auch irgendwie kennt. Die Samen sind starrköpfig und direkt. Der Bürgermeister ist geradezu herrlich von sich selbst eingenommen. Julla und Satu sind so liebevoll gezeichnet, dass man mit ihnen am Feuer sitzen und Kaffee trinken möchte! Der absolute Knaller waren aber sicherlich die zwei alten Damen, die sich ständig streiten, und sozusagen als "running gag" im ganzen Buch auftauchen. Ich habe wirklich selten so gelacht!


    Besonders gut hat mir diesmal auch gefallen, dass die Erzählperspektive ständig wechselt. Linda Lundin ist nicht (!) die Hauptfigur, wie man es aus einem klassischen Krimi erwarten würde. Immer mal wieder wechselt man von Margareta über Bengt und Linda zu Julla. Aber jede Perspektive wirkt absolut authentisch, und vermittelt dem Leser das Gefühl, dass in Lappland die Uhren eben ein wenig anders laufen. Geruhsamer. Hier kennt jeder jeden.


    Der eigentliche Krimi hat bei mir keine Wünsche offen gelassen. Es gab von der Autorin sparsam dosierte Hinweise, man hatte eine echte Chance, mitzuraten. Dennoch wartet das Ende mit einem spannenden Showdown und einem Knalleffekt auf der letzten Seite auf, der mir wirklich den Atem geraubt hat... Man hat das Gefühl, an diesem Ort sind noch lange nicht alle losen Fäden aufgerollt worden. Von daher hege ich die feste Vermutung, dass es weitere Fälle aus Jokkmokk geben wird! Das wäre wirklich wunderbar. Selten habe ich einen Krimi als so erfrischend anders, und dennoch spannend empfunden. Ganz große Klasse.

    Ich hätte dem Buch gerne volle 5 Sterne (also 10 Eulenpunkte) gegeben, aber das fällt mir schwer. Für die volle Punktzahl ist es mir letztlich ein wenig zu sprunghaft, und zu schwer einzuordnen. Auch ist zu viel Spekulation dabei. Insgesamt allerdings besticht es durch die ruhige Erzählweise, die schöne Sprache, und gründliche Recherche.


    Ich war vor langer Zeit schon auf dieses Buch aufmerksam geworden, weil es allenthalben als Krimi oder Thriller in historischem Gewand beworben wird. Thriller oder Krimi ist es aber für mich überhaupt nicht. Der historische Anteil überwiegt doch bei weitem. Der Autor hat sich einfach einigen Spekulationen über das Privatleben von Albert Einstein hingegeben, die auf gewissen, belegten Fakten beruhen. So soll Einstein tatsächlich in erster Ehe eine Tochter gehabt haben, deren Schicksal jedoch bis heute unklar ist. Um diese gewagte Theorie herum hat der Autor einen ansprechenden, ruhigen und gut recherchierten Roman geschrieben, der den Leser in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts entführt.


    Verwirrt hat mich zum einen auch, dass der Roman keine einheitliche Erzählperspektive hat. Das Buch beginnt mit Alma, der Verlobten des Psychiaters Martin Kirsch. Im späteren Verlauf wechselt es immer mal wieder zwischen Martin Kirsch und seiner Patientin Maria. Es gibt Bücher, bei denen wechselnde Perspektiven unbedingt zum Erfolgsrezept dazugehören. Hier jedoch war ich manchmal kurz davor, den Faden zu verlieren.


    Sehr begeistert hat mich aber das authentische "Feeling", die Zeitgeschichte, die 30er Jahre in Berlin kurz vor der Machtergreifung Hitlers. Großartig recherchiert sind weiterhin die Hintergründe zur Psychiatrie, zu damaligen Behandlungsmethoden, und zur gängigen Meinung über die Relativitätstheorie. Manche Abschnitte habe ich sogar meinem Mann vorgelesen, so prägnant waren sie.


    Der Schluss macht das Ganze ebenfalls für mich ein wenig "unrund". Das Buch ist kurz davor, als Agententhriller zu verunglücken. Das tragische Element um Martin Kirsch hätte für mich überhaupt nicht sein müssen. Und auch die Art und Weise, wie Marias Amnesie sich löste, kam ein wenig plötzlich.


    Insgesamt habe ich die Lektüre allerdings doch genossen. Als leisen, gut erzählten Roman, der mit viel Hintegrund aufwartet. Dem jedoch die Anbiederung an diverse Genres nicht immer gut getan hat.

    Eher Kunstwerk statt Kochbuch





    Tja, was erwartet man, wenn ein extrovertierter Sternekoch ein vegetarisches Kochbuch schreibt? Sicher keine Allerweltsmenüs für den Otto-Normal-Verbraucher, der im Supermarkt einkauft. Von daher habe ich mich doch zu 4 Sternen durchgerungen, auch wenn die Alltagstauglichkeit dieses Buches eher beschränkt ist. Für mich ist es eben eher ein Kunstwerk als ein Werkzeug, das man tatsächlich gebrauchen könnte.


    Das fängt schon mit dem Format an. Ein wirkliches Gebrauchs-Kochbuch hat für mich handlich zu sein, es muss offen auf dem Tisch liegenbleiben können, und muss pflegeleicht sein. Dieses Buch ist eher groß und schwer, eher wie ein Kunst-Bildband aufgemacht. Hochwertig ja, aber sicher weniger gegen alltäglichen Gebrauch und Soßenflecken gefeit. Ich müsste mir erstmal überlegen, wie ich es aufstelle und abstütze, damit ich wirklich danach kochen könnte...!


    Für den Titel "Kunstwerk" spricht auch eher die Gestaltung und das Layout mit den Fotografien. Die Logik hinter der Bebilderung hat sich mir nicht immer erschlossen. Schön sind die Fotos ja alle. Aber nicht alle (teils doppelseitigen!) Bilder passen zu Rezepten. Sie sind einfach nur "da", nur "schön". Dann wieder fehlen zu genau den Rezepten, die mich am meisten interessiert hätten, die Bilder. Und: ich brauche in einem Gebrauchs-Kochbuch eigentlich kein Bild von einem Teller, der spartanisch wie in der "Nouvelle Cuisine" aussieht. Eine minimale Soßenspur, und Gemüse, das darauf eher "arrangiert" aussieht als zum wirklichen Essen gedacht. Aber, wie gesagt, man muss halt wissen, als was man das Buch betrachten will.


    Als Selbstzeugnis eines begeisterten Kochs ist es wirklich toll. Auf jeder Seite schimmert durch, dass Andi Schweiger für seinen Beruf lebt, und mit Leidenschaft nach neuen Ideen sucht. Es hat ja niemand behauptet, dass wir alle Sterneköche seien, und das genauso könnten...!


    Der Sinn des Untertitels ist für mich auch nur so erklärbar: aus eigenem Garten. Im Laden hätte ich angesichts dieses Titels gedacht, es handelt sich um Gemüse, das jeder selber ziehen kann oder griffbereit hat. Aber mitnichten. Es soll wohl bedeuten, dass eben seine Schwiegereltern begeisterte und auch erfahrene Gärtner sind, die so einiges ausprobieren. Nur so erkläre ich mir, wie Herr Schweiger an manche Zutaten für seine Rezepte kommt. Von manchen habe ich entweder nie gehört, oder sie noch nie zum Kauf irgendwo gesehen.


    Und erst die versteckten Kosten... Das sind ja nicht nur die Zutaten. Freundlicherweise erklärt Andi Schweiger manche Käsesorten und extravaganten Gemüse. Dahinter schwingt aber mit, dass man diese entweder nur im Feinkostladen oder Reformhaus bekommt. Oder sonstwo! Und erst die Weine und Liköre, die er manchmal benutzt! Hinzu kommt die Tatsache, dass er anscheinend Küchengeräte besitzt, die den meisten von uns fehlen. Eismaschine, Gemüse-Spirelli, Entkerner, Entsafter, Käsehobel... all das habe ich zum Beispiel nicht.


    Dies alles soll mitnichten wie ein Verriss klingen. Vieles war auch sehr gut! Die Informationen zu den jahreszeitlichen Gemüsen beispielsweise. Wie man welches Gemüse besonders zur Geltung bringt. Und die Hintergründe zu Andi Schweigers Biographie. Das alles habe ich schon sehr genossen, und war auch von mancher Geschmackskomposition sehr angetan. Nur mit dem Nachkochen wird es sicher eher schwierig. Schon allein wegen des oft immensen Zeitaufwandes. Erbsen schälen! Rosenkohl einzeln blättern...! Insgesamt halte ich das Buch für ein Luxusprodukt, das man sicher einem erfahrenen Hobbykoch schenken kann. Für die eigene Küche eher weniger geeignet.

    Dieses Buch hat mir durchweg gut gefallen. Es war eine leicht zu lesende, herrlich entspannende und humorvolle Lektüre über ein Dorf in Italien, das versucht, den ganz großen Coup zu landen. Das hat mich irgendwie auch an einen meiner Lieblingsfilme erinnert, "Lang lebe Ned Devine". Dort ist es ein irisches Dorf, das versucht, einen Lottogewinn zu erschleichen. Auch nicht ganz legal...!


    Bis zur Hälfte des Buches hätte ich glatt 5 Sterne (also 10 Eulenpunkte) verliehen. Es gab so herrlich ironische Episoden, wundervolle Porträts von schrullig-liebenswerten Charakteren. Besonders der Bürgermeister und der Pfarrer Don Antonio haben mir sehr gut gefallen!


    Doch in den Teilen 4 und 5 hat das Buch meiner Meinung nach ein wenig nachgelassen. Der feinsinnige Humor sank ab auf das Niveau eines bayrischen Schwanks; es geschah zu viel, und vor allem zu viel Unwahrscheinliches. Sicher soll bei einem Stück Unterhaltungsliteratur nicht alles 1:1 realitätsnah sein. Aber ich hätte doch ein anderes Ende erwartet. Es war für meinen Geschmack nicht stimmig mit der Atmosphäre der ersten Hälfte. Alles wirkte auf mich so, als sei die Autorin beim Schreiben ein wenig überdreht geworden.


    Und die Liebesgeschichten... es gab derer nämlich zwei im Buch. Sie waren zwar nett, hatten aber mit dem Wunder nur sehr indirekt zu tun. Das bestätigt mich in meinem vorigen Verdacht: dann hätte man das "Wunder" lieber gleich ganz weggelassen, und einfach ein Porträt eines italienischen Dorfes geschrieben.


    Außerdem waren die Anklänge an "Don Camillo" nun wirklich nicht zu überlesen! Pfarrer Don Antonio unterhält sich zwar nicht mit Gott, sondern mit seinem verstorbenen Mentor, auch einem ehemaligen Pfarrer. Das entbehrt nicht der Komik, aber am Ende wird's mir eben zu abgedreht, als auch andere Menschen den Geist sehen können.


    Insgesamt ist das Buch liebevoll geschrieben, und lässt sich mit Genuss innerhalb kürzester Zeit verspeisen. Lange nachklingen wird es allerdings eher nicht.

    Es ist so jammerschade - ich würde diesem durchaus poetischen Büchlein gerne mehr Sterne geben, aber über drei (also höchstens 6 Eulenpunkte) komme ich beim besten Willen nicht hinaus. Dafür ist mir einfach nicht klar genug, "was das Ganze soll". Ich finde erstens, dass es sich durchaus nicht (!) um einen "Roman" handelt, und zweitens, dass der Klappentext in die Irre führt.


    Mir ist schon klar, dass heutzutage alles "Roman" genannt wird, das einen erzählenden Inhalt hat und zwischen zwei Buchdeckel passt. Trotzdem habe ich mich ein wenig geärgert! Das Büchlein ist viel zu sprunghaft, und hat für mich keinen wirklichen roten Faden. Es liest sich nicht wie ein "Roman", sondern wie ein Tagebuch, aus dem immer mal wieder Seiten herausgerissen wurden. Und der Rest wurde durchgeschüttelt.


    Ja, ich gebe zu, in der Leseprobe fand ich die eher assoziative Schreibweise noch charmant. Doch da war mir die erschreckende Kürze des Bandes noch nicht klar. Auf einer längeren (!) Strecke hätte diese Schreibweise durchaus ihren Reiz entwickeln können. Aber hier gibt es einfach zu wenig, das das Ganze wirklich "trägt". Weder die politische Lage in Vietnam, noch die persönliche Geschichte der Protagonistin, noch das Kochen, noch die angepriesene Liebesgeschichte werden wirklich "erzählt". Alles nur angedeutet. Das Ende habe ich zudem als hektisch und unlogisch empfunden.


    Die Idee mit den vietnamesischen Vokabeln am Rand, die zudem noch zum Inhalt der Abschnitte passen, war ganz nett. Allerdings werden dadurch auch wieder Seiten geschunden...


    Einzig und allein die Sprache hat mich an dem Buch wirklich beeindruckt. Ich glaube durchaus, dass die Autorin schreiben kann, dass sie Talent hat. Aber mir ist insgesamt einfach nicht klar, was mir dieses Büchlein sagen will. Schade.

    Erster Auftritt für Roberto Serra


    ***


    Der Autor ist Mitglied einer italienischen Online-Platform für Kriminalliteratur, und dies ist sein Erstlingswerk. Beides merkt man! Aber auf ausgesprochen positive Weise.


    Giuliano Pasini hat einen sehr guten Riecher dafür, was Leser wollen, und was sie bei der Stange hält. Sein Kommissar, Roberto Serra, ist ihm wirklich gut gelungen: privat zwar ein wenig verknackst, wie derzeit viele Kommissare, aber nicht zu sehr. Er hat eine Vorliebe für italienische Liedermacher, und eine unglaubliche Musiksammlung. Des weiteren einen untrüglichen kriminalistischen Spürsinn, sowie eine - teilweise verhängnisvolle - übersinnliche Gabe. (Das fand ich persönlich sehr interessant!) Und - er kocht! Und zwar mit Leidenschaft, so dass dem Leser das Wasser im Munde zusammenläuft.


    Das Gute an diesem Buch besteht aber aus mehr als der Summe seiner Teile, so dass ich mich nicht in Aufzählungen verlieren möchte. Für mich war einfach alles rund und hat gepasst. Die Handlung war nicht übertrieben reißerisch oder blutig - nur die Rückblicke, was bei dem Thema aber verständlich war. Denn das Motiv liegt weit in der Vergangenheit, im ausgehenden zweiten Weltkrieg verborgen. Als Leser hat man gleichzeitig eine überzeugende Geschichtslektion bekommen, was mir sehr gefallen hat (da nicht belehrend).


    Der Spannungsbogen verläuft am Anfang eher gemächlich, wird zum Ende hin aber dann so rasant, dass es nahezu filmreif ist. Die letzten 50 Seiten habe ich wie unter Zwang verschlungen! Denn es hätte beinahe noch schiefgehen können. Zudem war nun wirklich unmöglich zu erraten, wer nun der Täter war. Die Überraschung ist dem Autor gelungen!


    Das Buch hat seine besondere Würze für mich durch diverse Details erlangt, die ich als sehr "italientypisch" empfinde. Erstens, die ständigen verbalen Frotzeleien unter Kollegen, durchaus auch mit ranghöheren! Sogar am Telefon. Da wird niemand mit Samthandschuhen angefasst. Zweitens, in einem Land wie Italien ist es ähnlich wie in England: da wird ein Mensch noch sehr nach Region und Dialekt beurteilt. Wo sonst hat man das - da lebt ein Rettungssanitäter schon seit über 30 (!) Jahren im Appenin, und von ihm heißt es, "für einen Sizilianer ist er ja ganz OK"...!


    Der einzige Punkt, der bei mir beinahe zu einem Abzug geführt hätte, ist ausgerechnet die Schilderung der Frau, also der Immer-mal-wieder-Geliebten von Roberto Serra. Sie gerät phasenweise ein wenig klischeehaft, und sehr intolerant bezüglich Serras Gabe, die ja eigentlich etwas Gutes ist. Sie will ihm partout einreden, er sei "krank", was aber völliger Unsinn ist. Das weiß jeder halbwegs gebildete Leser.


    Insgesamt habe ich mich aber wirklich wunderbar unterhalten gefühlt, und das auch noch mit Anspruch - wegen der geschichtlichen Aspekte. Ich freue mich auf weitere Teile mit Roberto Serra!

    Sterben und erben


    ****


    Man kann sich sicherlich streiten, ob es sich hier um einen "Krimi" handelt. Gut, immerhin geht es um Mord und Totschlag, und um durchaus niedere Motive. Dafür fehlt allerdings das Element "Ermittlungen". Das Einzige, was hier "ermittelt" wird, ist die zu erwartende Gewinnspanne...


    Ich kann meine Eindrücke gar nicht so recht in Worte fassen, zu verblüfft bin ich, dass man angesichts solcher Hinterlist als Leser sogar lachen kann! Dies war mein erstes Buch von Ingrid Noll, aber sicher nicht mein letztes.


    Eine pensionierte Bibliothekarin wird in moralische Versuchung geführt - soll sie ihren ehemaligen, todkranken Kollegen nur betreuen und pflegen, und sich mit der Hälfte des Erbes zufrieden geben? Oder will sie doch mehr...? Geht sie auf sein perfides Angebot ein? Die Autorin lässt den Leser hierüber nicht lange im Unklaren.


    Die Heldin, Karla, vertraut sich einer jungen Kollegin an. Sie wird diesen Schritt zwar bald bereuen, aber immerhin kommen so die Dinge in Bewegung. Es ist wirklich erfrischend zu lesen, wie anfangs biedere Leute durch immer einen Gedankenschritt mehr auf Abwege geraten! Insofern hat das Buch sicher auch einen tieferen moralischen Anspruch. Gar nicht unähnlich dem "Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt.


    Grandios gefallen hat mir der Humor! Immer wieder haben die Möchtegern-Möderinnen ein flottes Zitat auf den Lippen, oder die Situationskomik entwickelt sich in eine sehr schräge Richtung... mehr als einmal habe ich wirklich laut aufgelacht! Was man so alles mit Inschriften auf Grabsteinen oder mit Trauermusik anstellen kann...


    Ich ziehe nur deshalb einen Stern ab, weil es mir am Ende des Buches ein wenig zu schnell ging. Das Buch wirkte auf mich ein klein wenig "abgewürgt", im beinahe wörtlichen Sinne... nun ja!! Am Schluss geschah Vieles auf einmal, da hätte sich Ingrid Noll mehr Zeit lassen können. Immerhin ist der letzte Satz super, und lässt beim Leser echtes Kopfkino entstehen...


    Eigentlich wirkt das Buch auf mich nicht wie ein Roman, sondern wie eine etwas vergrößerte Kurzgeschichte. Was ich nicht negativ meine! Aber es ist halt alles mehr anekdotisch, und wirklich nicht ernst zu nehmen. Ich finde, es ist ein sehr gut gemachtes Stück rabenschwarze Unterhaltung, nicht ohne Anspruch.

    Ziemlich sperrige, aber dafür informative Geschichte



    Hm! Das soll also ein Krimi sein? Okay, es geht um Verbrechen und deren Aufklärung durch einen Ermittler. Aber "spannend" würde ich das Buch nicht direkt nennen... womit ich das Buch keineswegs aburteilen will! Vielleicht hatte ich einfach zu wenig Vorkenntnisse. Für mich war es jedenfalls ein wenig anstrengend, mich durch dieses Dickicht aus politischen Informationen hindurchzulesen.


    In erster Linie würde ich dieses Buch so beschreiben: eine anschauliche Darstellung der politischen Machenschaften im heutigen China, genauer gesagt, in Shanghai. Inspector Chen wird eigentlich nur als Berater zu einem scheinbaren Selbstmord hinzugezogen. Deswegen, und auch, weil er die wahren Hintergründe zu kennen glaubt, erlaubt er sich einige Freiheiten. Er wagt es, eigene Ermittlungen anzustellen, zu hinterfragen, andere Wege zu gehen. Und dabei findet er so einiges heraus, das nicht ganz "koscher" ist...


    Das Buch ist wirklich geballte Politik! Wobei ich den Autor, der seit den späten 80er Jahren übrigens in Amerika lebt, sehr, sehr mutig finde! Er ist ziemlich unverblümt, und legt seinen Figuren etliche unliebsame Wahrheiten in den Mund. Das betrifft einerseits den Wohnungsbau, die Vergabe von Posten, und auch die Kontrolle des Internets, die in China schon beinahe paranoide Ausmaße angenommen hat.


    Sobald ich mich eingelesen hatte, habe ich das Buch eher auf diesen Aspekt hin gelesen. Ich musste mich sehr konzentrieren, wurde dafür aber mit vielerlei Erkenntnissen belohnt. Ich fühlte mich, als habe mich der Autor an die Hand genommen, und führe mich durch seine alte Heimat. Besonders pikant: er lässt sogar einen "unliebsamen Künstler", einen "gewissen Ai", am Rande in der Handlung auftauchen... eine ziemlich unverhohlene Anspielung auf Ai Weiwei! Gewagt...! Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn der Autor in China verboten wäre...


    Ferner habe ich mich über etliche "Blüten am Wegesrand" doch sehr gefreut. Chinas Kochkunst kommt mehrfach ausführlich vor, und auch die Geschichte hinter manchen Gerichten, sowie regionale Besonderheiten. (Das unterscheidet sich doch sehr von dem, was man hierzulande in China-Lokalen bekommt...!). Zweitens, Inspector Chen ist sehr belesen, und zitiert oft klassische chinesische Gedichte oder andere Literatur. Hier bedauere ich ein wenig, kein Chinesisch zu können - da im Original sicher noch die Reime oder das Versmaß erhalten sind.


    Inspector Chen hat ein besonders höfliches und delikates Verhältnis zu Frauen - er behandelt seine eigene Mutter wie ein rohes Ei, und auch zu der hübschen Journalistin, mit der er es in diesem Fall zu tun bekommt, ist er ausgesprochen zuvorkommend. Es entspannt sich sogar eine zarte Romanze...


    Was mich aber wirklich gestört hat, ist das relativ offene Ende. Chen findet zwar denjenigen, der den Rummel um den toten Politiker losgetreten hat - aber den eigentlichen Mörder nicht. Immerhin, es ist klar, es war Mord. Vielleicht findet manch ein Leser das auch passend - mich hat es jedoch gewurmt.


    Insgesamt finde ich das Buch nicht schlecht - aber so völlig anders, als ich persönlich das Wort "Krimi" interpretiert hätte...