Ja, das Ende kommt gefühlt zumindest schnell, ich weiß, das habe ich schon ein paar Mal gehört. Anfangs, zum Beginn des Schreibens, habe ich auch gedacht, dass ich noch eine ausführliche Rückreise schreibe. Eine Kollegin, die Drehbuchautorin und Dramaturgin ist, hat mir damals schon angedeutet, dass diese Rückfahrt sicherlich wegfallen wird und sie hat Recht behalten. Denn in vielerlei Hinsicht hätte ich dabei wenig Neues erzählt, auch die Tatsache, dass die Mannschaft auf der Rückfahrt der Anwesenheit einer Frau ebenfalls skeptisch gegenübersteht, ist nur kurz angerissen, Seite 388 und 389, weil es schlichtweg inhaltlich nur eine Wiederholung gewesen wäre.
Aber viel entscheidender war die dramaturgische Struktur, die dem Buch zugrunde liegt. Der zweite Teil endet mit Marys absoluten Tiefpunkt, der Katastrophe. Sie hat bis hier hin mehr erreicht, als sie sich vorher erträumt hat: Sie ist von Carl als Wissenschaftlerin anerkannt worden, sie hat mit ihm die Liebe kennengelernt und darüber begriffen, dass es mehr gibt als nur ihre "Arbeit". Natürlich war die Tatsache, dass sie ihre Leidenschaft für die Arbeit mit dem Mann, den sie liebt, teilen kann, für Mary der nicht mehr zu überbietende Idealzustand. Als Carl stirbt, ist es das schlimmste, was ihr geschehen kann, denn nun fällt ALLES in sich zusammen. Mit ihrer Liebe, also Carl, verliert sie auch den Zugang zu ihrer Arbeit. Es bleibt NICHTS.
Der dritte Akt beginnt demnach mit dem absoluten Tiefpunkt und häufig mit einer Fehlentscheidung der Hauptfigur. In diesem Fall will Mary die Forschungsergebnisse und Exponate vernichten. Erst durch Owahiri begreift sie, dass sie eine "Aufgabe" hat. Sie reist nach England zurück und mit einer neuen, einer anderen Erwartungshaltung als die, mit der sie die Reise angetreten hat. Sie will nicht den errungenen Status Quo erhalten, also im Pazifik - am anderen Ende der Welt - Anerkennung gefunden zu haben, sondern auch in England als forschende Frau verstanden werden. Ganz wichtig ist, dass ihre Erwartungshaltung aber hierbei um eine emotionale Komponente reicher ist: Sie will Carls letzten Wunsch erfüllen.
sapperlot, du merkst es sicherlich, die dramaturgische Struktur des Buches orientiert sich an den Figuren, an ihren Entwicklungsbögen und Schicksalen, und weniger an den Reisestationen. Dem Buch liegt ja letztlich die Frage zugrunde: Wird Mary es schaffen, ihre Berufung leben zu können, also für ihre Arbeit Anerkennung finden, auch außerhalb des pazifischen Paradises? Und für ihre Entscheidung, die Reise anzutreten, muss sie sich dann, im dritten Akt verteidigen, rechtfertigen ...
Hmm, darüber könnte ich jetzt noch Stunden schreiben, denn hierbei spielt auch der Antagonist der Hauptfigur, sprich der Gegner von Mary, eine Rolle, der in diesem Roman ja abstrakt ist: die gesellschaftlichen Konventionen, die ihr keinen Raum lassen, ihrer Berufung zu folgen. Und dafür stehen in diesem Roman unter anderem die Royal Society (keine Anerkennung von Frauen in der Forschung) und Tante Henriette (die gesellschaftlichen Anforderungen bzw. Unterforderungen an das Rollenbild der Frau). Mit diesen beiden Gegnern muss sie es im dritten Teil noch aufnehmen, insofern wird die Rückreise ausgespart, weil der Fokus ein anderer ist.
Hmm, versteht man, was ich versuche, hier zusammen zu fassen? Irgendwie bekomme ich das nicht kürzer gefasst ...