Was mich immer irritiert: plötzlich heißt es, es ist nicht schlimm, wenn sie alleine reist, sie ist ja jetzt eine ehrbare Witwe. Was soll das denn heißen, dass die keine Abenteuer mehr erleben dürfen, jenseits von gut und böse sind? Sie ist ja kaum älter geworden in der kurzen Zeit, sicher jetzt volljährig aber keineswegs eine Matrone, wie ich mir ehrbare Witwen eher vorstelle.
In früheren Zeiten, auch noch vor hundert Jahren, hatte eine Frau in England die meisten Rechte, wenn sie Witwe war. Unverheiratete Frauen, gleichgültig in welchem Alter, mussten sich den Wünschen ihres Vaters richten, war der tot, dann einem Bruder, Gab es keine Verwandten, mussten sich Ledige zwar allein durchschlagen, was aber nicht einfach war, da sie beruflich kaum Auswahl hatten. Erst nach dem 1. Weltkrieg änderte sich es, da während des Krieges viele Frauen in der Rüstungsindustrie arbeiteten, sie fuhren und reparierten auch Autos und taten so viel mehr, das ihnen zuvor verwehrt gewesen war. Da die Männer an den Fronten waren, blieben nur die Frauen und sie erkannten, dass sie ebenso viel wert sind wie Männer.
Heiratete eine Frau war sie ihrem Ehemann quasi "untertan". Sie hatte keinen Anspruch auf eigenes Geld, brachte sie Geld und/oder wertvolle Gegenstände in die Ehe mit ein, fiel dieses all dem Ehemann zu. Wollte sich eine Frau von ihrem Mann trennen, konnte sie das zwar, verlor aber alles - auch ihre Kinder. Einen Unterhaltsanspruch gab es nicht.
Als Witwe jedoch - unabhängig vom Alter - hatte eine Frau die Verfügungsgewalt über ihre Besitztümer. In der Gesellschaft wurde sie gleichbedeutend wie eine Ehefrau angesehen - eben wie hier beim Reisen, Ledige Frauen, die damals ohne männliche Begleitung reisten, wurden bestenfalls schief angesehen, oft aber auch als "verdorben" angesehen. Gerade die bessere Gesellschaft beharrte noch lange darauf.
Ich hoffe, ich konnte das einigermaßen verständlich rüberbringen