Endlich ein bisschen Zeit ...
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Ich bin vollkommen auf deiner Linie: "Ohne die Magie des Schreibens gäbe es keine Literatur. "
Dazu gleich mehr.
magali
Zu meinem Satz: ich möchte die Leser nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. Literatur fordert. Ob der Autor nun einen hohen EQ hat, lieb, nett, verdorben, besoffen, paranoid oder sonst wie ist - ist ein anderes Kapitel. Ja, es gibt Autoren, die ich auch - nun ja - als nicht unbedingt angenehme Zeitgenossen empfinde. Es gibt aber genug Menschen auf der Welt, und ich muss nicht mit jedem zu tun haben. Ich kann trotzdem ihr Werk in die Hand nehmen, mich daran reiben, empört sein, es lieben. Wen kümmert es heute, ob man z. B. Bukowski *persönlich* ausgehalten hätte?
Was ich sagen will: Doc, wir *müssen* Mensch und Werk trennen. Zumindest, wenn es uns um Literatur und Kultur geht, und nicht um ein hübsches, warmes Nest sozialer Verbindlichkeit. Das ist für mich auch eines der großen Probleme: sobald es um die Sache geht, um Qualität, verlassen wir das soziale Gefüge und werden zum Außenseiter.
Noch ein Satz zur Magie. Vorhin habe ich den ollen Hem zitiert, es gibt noch ein Zitat, worin sich das Mysterium des Schreibens begründet: in der Verwandlung von Poesie und Prosa. Das hat m. E. mit den Ursprüngen der Poesie zu tun, die tatsächlich keine Geschichte erzählt, sondern eher mit Sprachmagie, Beschwörungen etc. zu tun hat. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Autoren, die aus der Poesie oder der reinen erzählenden Prosa kommen. Wie es auch einen großen Unterschied zwischen Sammlern und Jägern gibt. Dazu gibt es noch einen seltsamen Menschenschlag, der sich diesen beiden Gruppen nicht zuordnen lassen.
Mein Eindruck ist, dass, bei allen Überschneidungen und Mischformen, hier unterschiedliche Weltvorstellungen existieren, die sich teilweise ausschließen, teilweise sogar bekämpfen. Ein Roman, der diesen Kampf auf (für mich) eindrucksvolle Weise bearbeitet, ist Mr. Aufziehvogel von Murakami. Um es abzukürzen: es geht um die Auseinandersetzung zwischen Pragmatikern, die sich im Status Quo einrichten, und jenen, die den Status Quo als Bedrohung sehen. Es geht um die Auseinandersetzung zwischen Romantikern und Pragmatikern. Idealisten, die nach einer eigenen Moral leben, und jenen, die sich in der "Wirklichkeit, wie sie eben ist", einrichten.
Es stellt sich dann die Frage, was "wir" von Kunst und Literatur erwarten. Revolte oder Erhalt? Das sind natürlich Ränder, die meisten Menschen bewegen sich m. E. dazwischen. Ein bisschen Revolte, ein bisschen "bloß nix ändern".
Damit meine ich niemanden hier persönlich, indirekt etc. Es sind meine Gedanken zu dem Thema, die komplett falsch sein können. Das Scheitern ist mir nicht unbekannt, sondern Voraussetzung dafür, vielleicht einen anderen, noch unentdeckten Weg zu finden. Deshalb ist mir das Scheitern sympathischer als die Trampelpfade des Erfolges. Könnte gut sein, dass ich ein Romantiker bin.
Marcel