Rezension
Rita Hampp – „Baden-Badener Roulette“ – emons-Verlag – erschienen März 2011 - 331 Seiten
Das aus Rita Hampps vorangegangenen drei Romanen gut bekannte und bewährte Ermittlungstrio ist wieder unterwegs: Lea Weidenbach, die quirlige Journalistin, Maximilian Gottlieb, Kommissar und mehr sowie die liebenswerte, knapp 80-jährige Marie-Luise Campenhausen. Seit Monaten wird Baden-Baden vom sogenannten Gentleman-Räuber in Atem gehalten, der sich darauf spezialisiert hat, alleinstehende, ältere, vermögende Damen zu berauben. Doch dieses mal scheint etwas schief gegangen zu sein: Es gibt eine Tote. Ausgerechnet eine Freundin von Marie Luise. Doch die drei ermitteln in völlig verschiedene Richtungen – die Mordkommission nimmt den Enkel der Toten ins Visier, Lea gräbt Zusammenhänge mit dubiosen russischen Investoren aus und Marie-Luise beginnt im Umfeld der Baden-Badener Spielbank zu recherchieren. Eine weitere Leiche folgt.
Wenn man nun glaubt, es wäre unmöglich, Tanztee, überreifen Käse, der geradezu erotisch von einem Arm geleckt wird, eine von Maden wimmelnde Leiche, die Schilderung einer ruinösen Spielsucht, massenhaft auftauchende grellbunte getöpferte Göckel, erstklassiges Gebäck, Telefonkabel durchbeißende Kaninchen, einen verliebten Kommissar, die Atmosphäre der Baden-Badener Spielbank, ehrgeizigen Journalismus, den Charme eines uralten Wohngebiets der Sommerhauptstadt Europas, sonnendurchflutete Hinterhöfe und den dramatischen Kampf ums Überleben in ein einziges Buch zu packen, der irrt.
Rita Hampp gelingt es wieder, dem Leser durch verschiedene Handlungsstränge die völlig individuelle Sicht und Motivation der Beteiligten nahe zu bringen, man kann sich gleichsam in die Handelnden hineinversetzen und wird jäh, fast auf dem jeweiligen, vermeintlichen Höhepunkt unterbrochen, indem man in einen anderen Handlungsstrang eintaucht. Der Leser hat das unmittelbare Bedürfnis weiterzulesen, zu erfahren, wann sich die Handlungen denn nun verbinden. So gibt es in diesem Roman kaum eine Atempause, keine Langatmigkeit, die einen zum Weglegen des Buches ermuntern könnte. Allein schon der Beginn des Romans fesselt, die Spielsucht eines Menschen, der sich zwischen Gier, Hoffnung und Selbstzerstörung bewegt wird so bedrückend nahe geschildert, dass man sich förmlich selbst am Roulettetisch sitzen sieht. Erst wenn der Leser alle Personen vollständig in sich aufgenommen hat, treibt Rita Hampp die Handlung konsequent weiter, manchmal schockierend, meist unerwartet, jedoch immer mit einer Prise Humor und dem Charme des schläfrigen Baden-Badens gewürzt. Das Finale ist dramatisch, der Kontinuität der Handlung angemessen.
Trotz aller Spannung und Dramatik hat Rita Hampp Zeit und Raum gefunden, eine liebevolle Beziehungsgeschichte einzuweben, unkapriziös und ohne zu stören, es ist Platz für einen Käseverkäufer, der seine Kunden in Käsetypen einteilt, Wurstsalat und Mozarts „Türkischer Marsch“ finden ihren Platz. Charmant.
Sicherlich überfordert dieser Roman niemanden intellektuell, das soll er aber auch nicht. Denn er liefert solide, manchmal atemberaubende Spannung und gute Unterhaltung. Ein Buch das sich auf der Sonnenterasse so gut liest, wie am prasselnden Kaminfeuer, im ICE oder in der Kartenschlange am Festspielhaus.
Wer noch nie einen der Romane Rita Hampps gelesen hat, kann ohne weiteres mit diesem einsteigen – das liebenswerte Ermittlertrio nimmt einen sofort und ohne Vorkenntnisse gefangen.
Besonderen Charme hat das Buch für Personen, die Baden-Baden und Umgebung gut kennen oder dort wohnen. Viele Handlungsorte hat man schon oft begangen oder gesehen, manche Person kommt einem verblüffend bekannt vor. Wer ortsfremd ist, bekommt eine liebevolle und äußerst zutreffende Schilderung der kleinen Kurstadt.
Ein nach meiner Meinung uneingeschränkt zu empfehlendes, spannendes Buch für´s Osternest!