Da Voltaire die Rahmendaten ja schon vorgestellt hat, steure ich nur meine eigenen Leseeindrücke bei.
Vorab aber schon einmal: Das Buch, das lange auf meiner Leseliste stand, hat mich sehr begeistert.
EIGENE MEINUNG
Durch die Augen dreier Perspektivträger:innen und durch verschiedene Zeitebenen führt die Autorin durch die Geschichte einer toxischen Freundschaft. Vom ersten Tag ihres Kennenlernens als kleine Jungen ist die Freundschaft von Moritz und Raffael kompliziert. Raffael, der draufgängerische Macher, Moritz, der Stille, Leise, Schüchterne. Moritz Mutter beäugt das Geschehen von Anfang an mit Misstrauen, doch wirklich wehren kann sie sich gegen die Freundschaft nicht, stets unsicher, was ihrem Sohn wirklich gut tun würde.
Auf beinah 500 Seiten erfahren wir nun mehr über die Familien der beiden und den langen Weg, der die Freundschaft schließlich zum Zerbrechen gebracht hat - bis Raffael, 16 Jahre später wieder vor Moritz' Tür steht.
Am schwierigsten habe ich mich mit der Perspektive von Johanna getan. Das Mädchen, das nur etwa ein Jahr im Leben von Moritz war, seine erste große Liebe und die Frau, die dazu beigetragen hat, dass er all seine jugendlichen Lebensträume begraben hat. Was ist wirklich geschehen damals? Was hat Raffael damit zu tun? Und gelingt es Moritz, nun ein erwachsener Mann, sich endlich aus dem Bannkreis seines Freundes zu lösen?
Geschickt räumt die Autorin in der Geschichte mit den Opfer-Täter-Mythos auf und zeigt, dass beide sich gegenseitig brauchen, um weiter bestehen zu können. Moritz, so liebeswert er ist, macht mit seinem Verhalten das von Raffael erst möglich.
Sprachlich bewegt sich der Roman auf einem sehr hohen Niveau, auch wenn mir die Blumigkeit manchmal beinah etwas zu viel wurde. Obwohl die Handlung sehr breit erzählt wird, entwickelt die Geschichte von der ersten Seite einen Sog, dem ich mich kaum entziehen konnte. Stets wollte ich wissen, wie es weitergeht. Obwohl sich direkt am Anfang abzeichnet, dass die Freundschaft zwischen Motz und Raf - wie die beiden Freunde ich gegenseitig nennen - kein gutes Ende haben wird, musste ich wissen, wie es zur Katastrophe gekommen ist, habe ich innerlich gehofft, dass Moritz die Stärke finden wird, sich gegen Raffael zu stellen und wollte unbedingt wissen, wie das geschieht.
Sehr nahe gegangen ist mir auch die Perspektive von Marie - Moritz' Mutter, die ihr bestes gibt und doch auch Fehler macht. Die eine unglaublich liebevolle Mutter ist, und dennoch nicht unfehlbar ist. Ihr Kampf darum, das richtige zu tun, ihr Hadern mit dem eigenen Leben(sstil) und die Fehler, die sie begeht, fanden ein tiefes Echo in mir. Auch wenn mein eigenes Leben ganz anders verlaufen ist, als das von Marie, habe ich mich oft in ihr wiedergefunden.
Alles in allem werde ich "Dunkelgrün fast schwarz" gerne weiterempfehlen. Vor allem an Leser:innen, die figurengetriebene Geschichten und einen eigenwilligen, bildhaften Sprachstil zu schätzen wissen.