Beiträge von Rika-

    Zitat

    Original von Rosha
    Haben sich mittlerweile die Ebooks nicht von selbst erledigt mit dem Auftauchen von Tablet-PCs?


    Meiner Meinung nach nicht, denn der Bildschirm von Tablet-PCs besitzt eine Hintergrundbeleuchtung, eReader funktionieren ohne Hintergrundbeleuchtung. Dadurch lesen sich die Reader ermüdungsfreier.

    Ich hab das Buch gestern Abend zu Ende gelesen und hier ist meine Meinung:


    Das Buch beginnt gemächlich, die Autorin nimmt sich Zeit, in die Handlung einzuführen und die Personen vorzustellen. Die erste Hälfte des Buches lebt von Andeutungen, dass irgendwann etwas passiert und danach alles anders sein wird. Mir hat dieser Teil sehr gut gefallen, die Autorin hat es gut verstanden, das Leben in den sechziger Jahren darzustellen. In die politischen Verhältnisse, aber auch in das Leben auf dem Land und die Arbeit auf der Farm konnte ich mich als Leser gut hineinversetzen. (Off Topic: Mir persönlich haben auch die Schilderungen der Arbeiten auf der Milchfarm sehr gut gefallen. Meine Großeltern waren Bauern und hatten auch Kühe, als Kind hab ich die Schulferien sehr gerne bei ihnen verbracht und habe den Betrieb noch miterlebt. Mich hat es gefreut, mich daran mal wieder zu erinnern. Die Arbeitsabläufe waren ähnlich, doch einen Unterschied gab es: die Kühe meiner Großeltern hatten Namen. Der Name stand jeweils auf einer kleinen Tafel, die über dem Platz der Kuh im Stall hing – und mein Opa hat mir weißgemacht, dass die Kühe lesen können und deshalb immer an ihren Platz finden. :lache)
    Manchmal wirkte der Schreibstil der Autorin im ersten Teil des Buches auf mich ein wenig zu geschwätzig, was an der Ich-Perspektive gelegen haben mag und daran, dass bis zur Mitte des Buches um das kommende Drama immer sehr drumherum geredet wird.


    Ab der Mitte nimmt das Buch aber richtig an Fahrt auf. Am Ende gibt es gar einen gewaltigen Showdown – den ich übertrieben fand. Die Handlung schlägt da doch einige Haken, die mir unglaubhaft erschienen und die ich als zu dick aufgetragen empfand. Außerdem wird es am Ende ziemlich, ziemlich rührseelig. Oh je. :rolleyes Meiner Meinung nach war das nicht nur am Kitsch vorbei geschrammt, sondern Kitsch. Trotzdem hat auch der Schluss bei mir funktioniert: wegen der Haken, die da geschlagen wurden, hab ich mir gesagt, dass ich als Leser eben auch mal die ein oder andere schiefe Kurve mitgehen muss, das gehört zum Lesen dazu. Und der Kitsch hat auch gewirkt: Mir sind zum Schluss gleich zwei Mal die Tränen gekommen. :augenreib (Und ich bin wirklich nicht nah am Wasser gebaut!)


    Es waren schöne Lesestunden. Mit schönen Erinnerungen an die Ferien bei meinen Großeltern.
    Dafür 8 Punkte.

    Arkadi Babtschenko; Die Farbe des Krieges; 1,5
    Juli Zeh; Corpus Delicti. Ein Prozess; 3,5
    Miljenko Jergovic; Freelander; 5,5; abgebrochen
    Andrew Davidson; Gargoyle; 4,5; abgebrochen
    Wassili Grossman; Alles fließt; 2,5
    Kathrin Aehnlich; Alle sterben, auch die Löffelstöre; 2
    Andrej Wolos; Churramobod, Stadt der Freude; 4; abgebrochen
    Tschingis Aitmatow; Der Schneeleopard; 4; abgebrochen
    Gerard Donovan; Winter in Maine; 1; Monatshighlight

    So, ich hab‘s gelesen. Hier ist nun noch meine Meinung:


    Das Buch ist ein guter Schmöker für zwischendurch, aber unbedingt weiterempfehlen würde ich es nicht.


    Denn so ganz packen konnte mich keine der beiden Geschichten.
    Bei der Geschichte um die geheime Stadt hatte ich immer im Hinterkopf, dass hier Grundlegendes nicht stimmen kann, denn, wie schon mein Physiklehrer in der Schule sagte: Es gibt kein perpetuum mobile. Die Geschichte über die Stadt fand ich von der Sprache her ein wenig einfach formuliert. Ein 250 Jahre alter Text hätte ein bisschen mehr altmodisch klingende Begriffe und Wendungen enthalten können. So ein wenig mehr im Stile einer alten Luther-Bibelübersetzung zum Beispiel.
    Die Geschichte um den Professor hat mir schon mehr gefallen, aber vom Hocker hat mich diese auch nicht gerissen.


    Sehr gut gefiel mir, wie der Autor die beiden Geschichten miteinander verknüpft hat. Cliffhanger mag ich nämlich nicht, v. a., wenn sie zu holzhammermäßig eingesetzt werden. Ich hab dann schnell das Gefühl, dass mich der Autor manipulieren will. Und so was mag ich nicht.
    Die Handlungsstränge hier wechseln aber wunderbar miteinander ab, ohne solche "Genre-Marotten".
    Zudem wusste ich immer, in welcher Geschichte ich mich gerade befinde. Bei einem Wechsel wurden jeweils schnell die nun handelnden Personen und/oder der Handlungsort genannt, und damit war alles klar. Wie gesagt, eine deutlichere sprachliche Unterscheidung der beiden Geschichten hätte ich mir gewünscht. In dieser Hinsicht hat der Autor Potential verschenkt.


    Die Auflösung des Buchstabenrätsels am Ende war eine schöne Überraschung, war ich die ganze Zeit nicht drauf gekommen.


    Ich vergebe 7 Punkte für gute Unterhaltung ohne besonderen Glanz.

    Tja, das war wieder eines der Bücher, die ich nicht zu Ende gelesen habe :-( Ich tu mich allerdings auch nicht schwer damit, ein Buch abzubrechen, wenn ich mich nicht hineinfinde …


    Meine Meinung:
    Mich hat die Erzählstimme genervt.
    Die beiden nebeneinander verlaufenden Handlungen um den Journalisten Arsen und den Schneeleoparden werden von einem allwissenden Erzähler erzählt, der nach meinem Empfinden viel zu deutlich immer wieder in Erscheinung trat. Es wimmelt in diesem Buch von Deutungen, Interpretationen und Kommentaren, die immer wieder in die Geschichte eingestreut werden. Aber als Leser will ich mir lieber meine eigene Meinung zum Erzählten bilden, hier hatte ich aber oft den Eindruck, dass mir meine Meinung vom Autor "vorgekaut" wird.
    Zu Beginn des Buches gab es z. B. viele (Voraus-)Deutungen über das Schicksal im allgemeinen und das Schicksal und Vorherbestimmung der beiden Handlungsträger im besonderen.
    Weitere Beispiele:
    Es werden Vorbereitungen zur Jagd im Gebirge getroffen, und promt steht da, dass, hätten die Tiere dies auch nur geahnt, sie schon längst in die Weiten des Himalaya geflohen wären. (In meinen Augen sind solche Anmerkungen auch keine Weisheiten …)
    Oder während eines Treffens der Organisatoren der Jagd fliegen mehrmals laut kreischende Schwalben in das Zimmer – die Deutung, dass die Schwalben ihren Unmut über die Planungen äußeren und ihre Unruhe auch hinaus ins Gebirge tragen, folgt sofort.


    Für mich hat diese erläuternde Art des Erzählens den Fortgang der Geschichte oft gehemmt. Was ich sehr schade fand, denn ich lese ja gerne Geschichten.


    Zudem verliefen die beiden Handlungsstränge deutlich parallel zueinander, was auf mich dann leider schon wieder sehr konstruiert gewirkt hat und was mich auch wieder aus dem Lesefluss der Geschichte herausgetragen hat.


    Von mir gibt es daher nur 5 Punkte.


    Ich kann mich nicht erinnern, dass andere Romane Aitmatows, den ich als Autor eigentlich sehr schätze, ebenfalls so stark auktorial erzählt sind. :gruebel

    Zitat

    Original von Ida
    Wenn Du dem Buch doch noch eine Chance geben möchtest - versuch es mit den Kapiteln Sieben "Ushik" und/oder Zehn "Das Haus am Fluss". Die sind in sich abgeschlossen, lesen sich ganz gut und tragen meiner Meinung nach einiges dazu bei, dass man der Antwort auf die Frage, was der Autor eigentlich sagen will, ein Stück näher kommt.


    Hallo Ida,


    "Ushik" hatte ich schon gelesen, bevor ich das Buch dann doch weggelegt habe, weil Du diese Geschichte schon in Deiner Rezi lobend erwähnt hattest. Ich fand dieses Kapitel okay, nicht überragend ;-), aber in Ordnung.
    Die ersten Geschichten fand ich allesamt nicht so prickelnd, den letzten Anstoß, das Buch beiseite zu legen, gab mir allerdings das 11. Kapitel "Fremd". Beim Vorblättern und schauen, was wohl noch so kommen würde, hab ich ausgerechnet in dieses Kapitel reingelesen, und zwei grausame Szenen erwischt (ich meine das, was dem Baby und das, was dem Hund da angetan wird :-(). Da hab ich dann nur noch gedacht: Nee, das tu ich mir nicht rein!


    Nun hab ich aber aufgrund Deiner Empfehlung gestern Abend noch "Das Haus am Fluss" gelesen und diese Geschichte hat mir sehr gut gefallen! Danke für den Tipp! Ich hätte was verpasst. Das war doch mal eine runde Sache, ich fand es sympatisch, dass die Hauptperson sich gegen das Unrecht wehrte, auch wenn‘s von vornherein aussichtslos erschien, und zum Schluss gab‘s ja sogar noch eine unerwartete Wendung. Und eine Aussage hatte diese Geschichte auch (und zwar: wie verhalten sich Menschen, wenn sich die politischen Machtverhältnisse ändern). Das war gut ausgearbeitet, sehr schön zu lesen. :-)
    Schade, dass es in diesem Buch nicht mehr Geschichten solcher Art gibt.

    Die letzten beiden Abende habe ich mit Julius Winsome in Maine verbracht.
    Ich saß in seiner Hütte, deren Wände er gegen die Kälte mit Regalen voller Büchern isoliert hatte. Der Wind peitschte ums Haus, draußen begann es zu schneien und ab und zu krachte ein Schuss. Vom Fenster aus sah ich das frische Grab seines Hundes. In dem einzigen beheizten Raum hatte ich es mir in dem Stuhl neben dem Holzofen bequem gemacht. Hier hatte schon sein Vater gerne gesessen, Pfeife geraucht und gelesen – ich konnte sogar noch einen leichten Geruch des Pfeifenrauchs wahrnehmen. Wir tranken Tee und Julius Winsome hat mir seine Geschichte erzählt …


    Endlich mal wieder ein 10-Punkte-Buch! :freude
    Ein großes Kompliment und :blume an den Autor!

    Ich hab jetzt viereinhalb der zwölf Geschichten gelesen und gebe es hier auf. :-(


    Meine Meinung fällt leider nicht so sehr gut aus:


    Ich hab mich zu oft gefragt, was mir der Autor eigentlich sagen will und worauf die jeweilige Geschichte denn nun hinausläuft. Idas Formulierung "Momentaufnahmen mit offenem Ende" trifft es gut. Es sind Stimmungsbilder, keine in sich abgeschlossenen Geschichten.
    Mitunter waren es auch in einer Geschichte ziemlich viele Personen auf einmal, da fing ich dann an zu sortieren und wenn ich dachte, ich hab‘s jetzt, war die Geschichte schon wieder zu Ende und ich musste mich wieder in eine neue Situation eindenken.
    Außerdem waren es mir zu viele tadschikische Begriffe und Sätze. Zwar gibt es im Anhang Worterklärungen und Anmerkungen, aber da stand bei weitem nicht jeder Begriff erläutert, den ich nachgeschlagen habe. Zudem nervte dann auch irgendwann das ständige Blättern ans Buchende.


    Sprachlich und von den Formulierungen her habe ich nichts auszusetzen. Das Buch liest sich gut, Andrej Wolos kann schreiben … aber das allein macht eben für mich auch noch kein gutes Buch.


    Ich vergebe nur 4 Punkte.

    Und wieder ein Buch für meine Leseliste. :-)
    Danke sehr für die appetitmachende Rezi und die Links, Conor. Bücher, die (zumindest teilweise) aus Kinderperspektive erzählen, konnten mich bisher noch nicht begeistern. Aber hier hat der Autor ja gute Gründe genannt, bei bestimmten (gewaltintensiven) Szenen in die Kinderperspektive zu wechseln.
    Interessant fand ich auch die Antwort des Autors auf die Frage, warum er denn keine Dokumentation, sondern einen Roman geschrieben habe.


    Ich glaube, ich bin hier bei den Eulen goldrichtig: ich habe noch nie so viele gute Lesetipps abgeräumt. :-)

    Ich bin erst jetzt durch die Eulen auf dieses Buch aufmerksam geworden! Und ich hätte ein paar unterhaltsame Lesestunden verpasst, auch wenn mich der Roman nicht so restlos begeistert hat wie die meisten von Euch.


    Gestern hab ich das Buch ausgelesen und hier kommt meine Meinung:


    Das Buch hält wunderbar die Balance zwischen den ernsten Themen Krankheit und Tod und immer wieder eingestreuten humorvollen Augenblicken. Es ist so, wie das Leben ist: eine Mischung aus ernst und heiter. Typisch für das gesamte Buch fand ich in dieser Hinsicht z. B. die kurze Szene im Blumenladen (Seite 223), als Skarlet das erste Mal seit Pauls Tod in Tränen ausbricht, weil sie die gewünschten Blumen für Pauls Beerdigung nicht bekommt. Skarlet weint auf die Schulter und den grünen Kittel der Blumenverkäuferin, sie hat kein Taschentuch dabei und putzt sich stattdessen mit einem rosafarbenen Stück Zellstoff die Nase, das kratzte und eigentlich eine Schmuckbandarole für Blumentöpfe war.
    Sehr gut hat die Autorin auch die verschiedenen Erzähl- und Zeitebenen miteinander verknüpft. Die gemeinsamen Erinnerungen an Kindergarten und Schule, Pauls und Skarlets weitere Lebenswege, die Familiengeschichte der beiden, das Leben in der DDR und danach, die Zeit vor und während Pauls Erkrankung, die Zeit nach Pauls Tod und die Vorbereitung der Beerdigung: Das steht alles locker und nicht in strenger zeitlicher Abfolge nebeneinander. Für mich war das ein gekonnter Romanaufbau, dem ich gerne gefolgt bin.
    Mir hat auch das Ende sehr gut gefallen. Zunächst war ich ein bisschen verwundert, aber schließlich ist das Leben genau so und nicht nur schwarz-weiß.


    Zwischendurch, ungefähr in der Mitte des Buches, habe ich aber trotzdem mal das Interesse an der Geschichte verloren. Die Story zog sich durch viele kleinere Rückblenden und mir war die Sprache mitunter auch zu gefällig, zu unterhaltend-plaudernd, zu durchschnittlich. Auch der Fokus auf die Kindergartenzeit mit der rabiaten Tante Edeltraut war mir zu stark, irgendwann fand ich es unglaubhaft, dass die Kindergartenzeit noch fast 40 Jahre später so sehr nachwirkt.


    Das Michael-Fischer-Art-Cover find ich einfach nur verdrießlich. :-( Ich mag diese glupschäugigen Comic-Figuren überhaupt nicht. Leider kommt man hier in Leipzig nicht an Michael Fischer-Art vorbei: der Mann bemalt nämlich auch Häuserfassaden. :-(
    Und ja, das andere Cover von Piper ist auch nur ein Allerweltscover.
    Ein schöneres und passenderes Cover, finde ich, gab es mal vom Bertelsmann Buchclub, mit Frühstücksbrettchen und milchgefüllter Plastetasse – siehe Foto auf der Internetseite der Autorin. <klick>


    Leseprobe:
    Den Anfang des Buches gibt es als Leseprobe auf der Homepage der Autorin. <klick>


    Insgesamt vergebe ich zufriedene 8 Punkte.

    Wassili Grossman, Alles fließt
    Aus dem Russischen von Annelore Nitschke
    Ullstein Verlag, Berlin 2010 (Neuauflage)
    Gebunden, 256 Seiten, 24,95 EUR
    ISBN: 9783550087950


    Meine Rezension bezieht sich auf eine ältere Ausgabe, die 1985 im Albrecht Knaus Verlag München und Hamburg erschienen ist. Die Übersetzung aus dem Russischen besorgte Nikolai Artemoff.


    Kurzbeschreibung (von ullsteinbuchverlage.de):


    Nach dreißig Jahren Gefängnis und Lager kehrt Iwan Grigorjewitsch in die Freiheit zurück. Er zieht nach Moskau, dann weiter nach Leningrad, findet Arbeit und eine Frau. Wieder gehen die Jahre dahin – und Iwan versucht zu verstehen, nach welchen Gesetzen das Leben funktioniert.
    Von der russischen Revolution bis hin zur Tauwetterperiode spannt Wassili Grossman den Bogen um Fragen nach Staat und Individuum, Verbrechen und Strafe, Schuld und Unschuld. Im Mittelpunkt steht dabei sein gütiger Blick auf die Fehlbarkeit des Menschen.


    Über den Autor (von ullsteinbuchverlage.de):


    Wassili Semionowitsch Grossman (1905-1964) war zunächst einer der anerkanntesten linientreuen Schriftsteller der Sowjetunion. Die Erfahrungen während des Krieges, die Katastrophe der europäischen Juden, die auch ihn unmittelbar traf, sowie die vielen Schicksale, denen er als Korrespondent der Armeezeitung Roter Stern begegnete, veränderten sein Leben jedoch von Grund auf und er wurde zu einem der unbeugsamsten Chronisten seiner Zeit.


    Geschichtlicher Hintergrund:


    Nach dem Tod Stalins im März 1953 beginnt unter Chruschtschow 1956 die sog. Tauwetterperiode, die geprägt ist von einer kritischen Auseinandersetzung des Personenkultes um Stalin und den in den 1930er Jahren begangenen stalinistischen Verbrechen. Auch die Straflager öffneten sich in dieser Zeit, politische Gefangene wurden freigelassen und zum Teil rehabilitiert.
    Das Buch spielt in den 1950er/1960er Jahren in der Sowjetunion und schildert den Weg Iwan Grigorjewitschs nach seiner Entlassung aus dem Straflager.
    Der Autor schrieb das Buch in den frühen 1960er Jahren, vor seinem Tod 1964 konnte er es nicht noch einmal abschließend bearbeiten. In der Sowjetunion konnte das Buch erst 1989 erscheinen. In Westdeutschland erschien es erstmals 1972.


    Meine Meinung:


    Das Buch beginnt mit der Beschreibung einer Bahnfahrt. Wir begleiten Iwan Grigorjewitsch auf seiner Fahrt aus dem Lager im fernen Osten Russlands in die Hauptstadt Moskau. Die Schilderung ist eindrücklich, meist sitzt Iwan still auf seinem Platz, die Hände auf dem Schoß, während die anderen Reisenden sich munter unterhalten, ihre Essenspakete miteinander teilen, Karten spielen. Als Iwan von einem der Mitreisenden etwas unfreundlich aufgefordert wird, ein bisschen beiseite zu rücken, steht Iwan auf und verlässt wortlos das Abteil. Man kann sich als Leser denken, welche Lagererfahrungen hinter dieser Reaktion stecken.
    Die erste Nacht in Freiheit verbringt Iwan bei seinem Vetter und dessen Frau. Iwan bemerkt die Versuche seines Vetters, sich die Schuld der Vergangenheit schönzureden. Da Iwan den beiden nicht zur Last fallen will, reist er schon am nächsten Tag weiter nach Leningrad. In Leningrad hat er studiert, in den Straßen der Stadt trifft er auf Bekannte. Doch schnell stellt sich auch hier wieder die Frage von Schuld und Unschuld. Seine Geliebte aus der Zeit vor der Verhaftung besucht er nicht, sie ist längst mit einem anderen verheiratet …


    Immer wieder finden sich in der Erzählung von Iwans neuem Leben starke, beeindruckende und nachdenklich stimmende Sätze:
    Zum Beispiel schreibt Grossman über den Tod Stalins (Zitat von Seite 34):
    „Stalin starb außerplanmäßig, ohne Anweisung der Direktivorgane. Stalin starb ohne persönliche Anweisung des Genossen Stalin.“
    Oder über die nach jahrzehntelanger Abwesenheit in Vergessenheit geratenden Inhaftierten (Zitat von Seite 43):
    „Die Zeit arbeitete ohne Eile, gründlich – erst meldete sich der Mensch im Leben ab, zog ins Gedächtnis um, dann verlor er die Zuzugsgenehmigung für das Gedächtnis, wanderte ins Unbewusste aus, und nun tauchte er nur noch selten auf, wie ein Stehaufmännchen, erschreckte durch die Plötzlichkeit seines sekundenhaften Erscheinens. Die Zeit arbeitete und arbeitete und grub in die Erde, und Iwan hat schon ein Bein gehoben um aus dem dunklen Keller des Unterbewussten seiner Freunde hinüberzuwechseln und seinen ständigen Wohnsitz im Nichtsein zu nehmen, in der ewigen Vergessenheit.“


    „Alles fließt“ hätte ein großartiger Roman werden können, wenn der Autor bei der Geschichte Iwans geblieben wäre.
    Das Problem des Buches ist jedoch, dass der Text zwar als Roman beginnt, aber als Essay endet. In der zweiten Hälfte des Buches dient die Erzählung um Iwan nur noch als dürres Gerüst für seitenlange essayistische Ausführungen des Autors bspw. über den Charakter Lenins und Stalins, über die Entwicklung Russlands von der Leibeigenschaft über die Revolution bis zur Unfreiheit des Sozialismus, Kommunismus und Stalinismus. Das Schicksal der Romanfigur gerät in den Hintergrund und dient nun nur noch als Plattform für politische und geschichtliche Analysen, für eine Abrechnung mit den Machthabern, für Plädoyers gegen Ungerechtigkeit und für die Freiheit. Für mich las sich dies leider sehr ermüdend. Eine Meinung zum Stalinismus habe ich mir längst gebildet, der Autor rannte damit bei mir offene Türen ein, seiner Agitation hätte ich nicht mehr bedurft. Zudem kommen diese theoretischen Ausführungen sehr holzschnittartig daher.
    Viel lieber hätte ich hingegen weiter die Geschichte Iwans gelesen, wäre gerne mit ihm noch ein Stück gegangen.


    Natürlich muss man dies im zeitgeschichtlichen Kontext sehen. Der Autor wollte aufrütteln, protestieren, aufdecken, entlarven. Vielleicht erschien ihm die Form des Romans dafür irgendwann zu schwach. Vielleicht hätte er, wenn er die Zeit für eine abschließende Überarbeitung gehabt hätte, diesen Genre-Widerspruch gemildert oder abgeändert. Die Herangehensweise des Autors an den Stoff ist der damaligen Zeit geschuldet. Genre-Diskussionen können wir uns heute leisten. Damals wäre das Buch, wenn es hätte erscheinen dürfen, mit Sicherheit Sprengstoff gewesen.


    Ich denke, der Verlag ordnete das Buch absichtlich keinem Genre zu. Was hätte unter dem Titel auch stehen sollen? Romanhafter Essay? Essayistischer Roman?
    Für mich als heutigen Leser war das Buch wegen der essayhaften Ausführungen trotzdem eine Enttäuschung, denn ich hatte einen Roman erwartet. Und wenn ich einen Roman lese, möchte ich, dass mir eine Geschichte erzählt wird. Nicht mehr und nicht weniger.
    Deshalb von mir leider nur 7 Punkte.

    Hallo Buzz, :wave


    schön, dass Du uns hier so gut auf dem Laufenden hältst. War ja gestern fast wie Live-Ticker. :-)


    Klar geht’s Bandit nun erst mal nicht so gut, war ja auch ein ziemlicher Eingriff. Aber das wird jetzt jeden Tag besser, geht jetzt jeden Tag ein Stück bergauf. Ganz bestimmt!


    Ich wünsch Bandit, dass er bald wieder richtig auf die Pfoten kommt!
    (Und für heute auch erst mal guten Appetit. Cheesburger – ich musste ja echt lachen.)


    Gute Besserung!

    Ach, da fällt mir doch auch ein gutes Buch ein:


    Rosa Luxemburg: Briefe aus dem Gefängnis
    Dietz Verlag, Berlin 2000 (17. Auflage)
    Taschenbuch, 128 Seiten, 7,45 EUR
    ISBN 978-3320020064


    Es ist nur ein schmales Bändchen, ich hatte es vor vielen Jahren mal gelesen und es hat mich sehr berührt.

    Ich bin jetzt auf Seite 300 von 572 und werde das Buch hier abbrechen.


    Bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus (Seite 69) war ich begeistert. Das war brilliant, herausragend, überwältigend … Ich fand das zum einen inhaltlich sehr interessant – wie Verbrennungsopfer behandelt werden, war mir so bisher noch nicht bekannt.
    Und der Schreibstill war auch einfach umwerfend: eindrücklich geschildert und dazwischen immer dieser Sarkasmus der Hauptperson. Alles sehr nachvollziehbar. Ich hab manchmal sogar der Hauptfigur in Gedanken geantwortet, z.B. als er schildert, wie seine Brandverletzungen mit Schweinehaut abgedeckt werden und sich dann fragt, ob das bei moslemischen und jüdischen Verbrennungpatienten aus so gehandhabt wird, dachte ich: 'Klar Mann. Probleme gibts eigentlich immer nur bei den Zeugen Jehovas.' ;-)
    Oder als er en detail schildert, wie er seinen Selbstmord nach der Entlassung aus dem Krankenhaus durchführen will und dann mal meint: "Ganz schön clever, was?", dachte ich: 'Ja, Mann. Echt clever. Wenn das nicht klappt, weiß ich aber auch nicht.'
    Selten hab ich so einen guten Text gelesen.


    Ab der Entlassung aus dem Krankenhaus fand ich das Buch aber nur noch flach. Eso-Tante Marianne hat mich genervt, die Geschichten in der Geschichte waren mir zu märchenhaft-naiv formuliert und die Story an sich … auhweia.
    Mir ist schon klar, dass, wenn ein Buch so fulminant beginnt, dieses Niveau nicht durchgehend bis zum Ende gehalten werden kann. Deshalb hab ich auch immer noch gehofft, dass es das Buch noch mal reißen kann.
    Nun hab ich mir Euren Rezi-Thread durchgelesen und die Diskussion zum Ende des Buches … und geb’s jetzt auf.


    Ich schließe mich Toms Rezi an, Tom hat das sehr schön auf den Punkt gebracht.

    Danke sehr für die Rezi, Herr Palomar!


    Von Dirk Kurbjuweit habe ich bisher nur "Zweier ohne" (da geht es um zwei Ruderer) gelesen. Das Buch hat mir gut gefallen, ich mochte v. a. den Schreibstil sehr.


    Aber bei "Kriegsbraut" hab ich mich auch schon gefragt, ob sich der Autor da nicht vielleicht mit dem Thema verhoben hat …

    Zitat

    Original von buzzaldrin
    Ich muss mich gerade wieder über Menschen ärgern, die nichts besseres zu tun haben, als im Café zu sitzen und darüber zu lachen, dass es ja ach so lustig aussieht, wie Bandit mit seiner Orthese im Anhänger sitzt. Ich habe dann zu der Frau gesagt, dass ich es auch witzig finde, wie sie da mit ihren komischen Stiefeln sitzt, aber trotzdem sie ja nicht offen auslachen würde. Dann erinnere ich mich, dass ich noch so was wie "bescheuert" und "Idioten" gesagt habe und am Ende hatten wir das ganze Café gegen uns. :schaem


    Hallo Buzz,


    :knuddel1


    Das Problem ist halt, dass Auslachen und Verspotten einen direkt treffen :-( Darauf dann noch einigermaßen souverän zu reagieren, können die wenigsten.
    Vielleicht hilft es, wenn Du Dir für solche "Gelegenheiten" ein paar Sprüche zurechtlegst?
    Also z.B. was lustiges zur Beinschiene: "Das trägt man diese Saison so. Gibt‘s auch noch in lila." Oder zum Fahrradanhänger: "Bremer Hundetaxi – noch nichts davon gehört?"
    Oder man reagiert frontal-dirket, auf Auslacher: "Der Hund kann im Moment schlecht laufen. Aber Sie hätten ihn wohl gleich einschläfern lassen?"


    Sorry, was besseres an Reaktionsmöglichkeiten fällt mir jetzt leider auch nicht ein … :gruebel


    Letztlich ist eine Behinderung doch v.a. eines: Eine Herausforderung an Phantasie und Kreativität. Und in der Hinsicht seid Ihr wirklich klasse! Wenn ich mir die Fotos mit der Orthese und dem Fahrradanhänger so anschaue – ich bin schwer beeindruckt! :anbet
    Solange es solche Menschen gibt, kann ich es selbst auch noch ein bisschen auf dieser Welt aushalten. (Okay, das klingt jetzt sehr pathetisch, aber ich mein es wirklich so.)


    Soll Bandit nicht morgen operiert werden? Dafür wünsche ich alles, alles Gute: Euch gute Nerven, Bandit, dass er bald wieder gut laufen kann und dem Arzt eine sichere Hand! Unser Hund drückt Eurem Hund die Pfoten und lässt im übrigen ausrichten, dass er Tierarztbesuche auch – Zitat – "zum kotzen" findet. ;-)
    Berichtest Du mal, wie‘s gelaufen ist?

    Mir fällt spontan dieses hier ein:


    Richard Bach: Die Möwe Jonathan
    Ullstein Verlag
    Taschenbuch, 96 Seiten, 8,95 EUR
    ISBN 978-3548269665


    Inhalt (von amazon.de):
    "Die Möwe Jonathan" handelt von Freiheit, von Selbstverwirklichung, vom Leben selbst. Ein kurzweiliger Schmöker, dessen Tiefe nur begrenzt wird, von der Vorstellungskraft und Offenheit des Lesers selbst. Wer gern mal mit leichter, nahezu poetischer Lektüre entspannt, wer mit dem Herzen liest, wer gern mit den Möwen über die unendlichen Weiten sanfter Wellen und steiler Klippen seine aerobatischen Kunststücke vollbringen möchte: Mit dem Kissen im Rücken auf's Sofa, anschnallen, und mit beiden Händen das Buch fest umschlingen!


    Jonathan ist keine gewöhnliche Möwe. Er nimmt einfach nichts für selbstverständlich hin, es genügt ihm nicht, wie alle Anderen seine fliegerischen Fähigkeiten nur zum Fischen einzusetzen. Jonathan ist verliebt ins Fliegen und in die Freiheit. Er ist besessen von dem Willen, das Beste aus sich herauszuholen, und Nichts und Niemand kann ihn aufhalten. Er ist neugierig, will alles erfahren, alles versuchen, alles verstehen -- selbst wenn es bedeutet, aus dem Kreise seiner Gemeinschaft und seiner Familie verbannt zu werden. In seiner Bescheidenheit, seiner Einfachheit und seiner Tiefe ist Jonathan dem kleinen Prinzen nicht unähnlich, obwohl seine Botschaft nicht ganz so global, nicht ganz so welterschütternd ist. Jonathan ist ein Aufruf zur Initiative, eine Botschaft an alle, die ihre Träume und Sehnsüchte noch nicht völlig in die Hand der Hamburg-Mannheimer gelegt haben. Selbstverwirklichung, der Mut dazu, dem Herzen zu folgen und einfach das zu tun, was wirklich befriedigt. Wer Jonathan liest, wird es entweder lieben oder hassen. Aber Millionenauflagen, und die Tatsache, daß viele Leser dieses Buches nach weiteren Werken von Richard Bach verlangen, ist ein Beweis dafür, daß Jonathan in vielen von uns steckt.

    Tschingis Aitmatow: Der Schneeleopard
    aus dem Russischen von Friedrich Hitzer
    Roman, 314 Seiten
    Unionsverlag, Zürich 2007 (Dt. Erstausgabe)
    Taschenbuch 9,90 EUR
    ISBN 978-3293204270


    Huhu,


    ich möchte demnächst von Tschingis Aitmatow "Der Schneeleopard" lesen.
    Darum geht’s (aus dem Klappentext):


    Für beide scheint es keinen Platz mehr zu geben – weder für den alten Schneeleoparden Dschaa-Bars noch für den unabhängigen Journalisten Arsen, der gegen Oligarchen und Fanatiker anschreibt.
    Der einst unbezwingbare Schneeleopard fühlt seine Kräfte schwinden und will sich zum Sterben in ein unzugängliches Tal im kirgisischen Hochgebirge zurückziehen. Und Arsen Samantschin, der unabhängige Journalist, wird von der Welle des entfesselten Kommerzes in seiner Heimat überrollt. Die Medien kuschen, Oligarchen und Fanatiker drängen sich vor, und seine große Liebe, die Sopranistin Aidana, feiert als Popstar Triumphe.
    Das Schicksal führt Arsen und den Schneeleoparden in einer atemberaubenden Wendung zusammen: arabische Prinzen haben sich zu einer luxeriösen Jagdpartie angekündigt. Arsen soll sie als Tourmanager und Dolmetscher begleiten. Aber nicht alle im Dorf wollen hinnehmen, dass es bei diesem Geschäft so wenige Gewinner und so viele Verlierer gibt.
    In Tschingis Aitmatows Roman werden kirgisische Mythen lebendig und finden neue Bedeutung in unserer Zeit.


    Bei den Eulen gibt es zu diesem Buch auch schon einen Rezensionsthread. <klick>


    "Der Schneeleopard" ist Aitmatows letzter Roman. Aitmatow ist ja ein recht bekannter Autor, ich habe schon mehrere Bücher von ihm gelesen und bisher hat mir alles von ihm ausnehmend gut gefallen. Der Autor ist also sozusagen "eine sichere Bank", d.h. kaum Abbruchpotential sondern garantiertes Lesevergnügen. :-)


    Deshalb frag ich mal: Möchte denn noch jemand mitlesen? Vielleicht sind wir zu zweit oder zu dritt und können zusammen lesen? Mich würde es freuen!
    Falls sich jemand das Buch erst noch besorgen muss – ich warte auch gerne mit dem Lesebeginn.

    Hmpf. Ich bin jetzt auf Seite 79 (von 231) und breche das Buch hier ab. Mir geht das alles zu sehr durcheinander, ist ja ein einziges Assoziationswirrwar.
    Und sooo gut kenn ich mich in der Geschichte des Balkans seit dem 2. Weltkrieg nun auch nicht aus, dass ich jede Andeutung verstehe, leider.


    Das Buch wurde ja wohlwollend besprochen, u. a. bei den "Vorlesern" im ZDF – aber so richtig versteh ich nicht, weshalb …


    :-(