Tja, mich konnte das Buch leider nicht begeistern.
Ich bin jetzt auf Seite 100 (von 300) und breche den Roman an dieser Stelle entnervt ab.
Ich hatte mich auf das Buch gefreut. Bücher, die Lagerhaft, Gefangenschaft, Krieg oder auch die Schoah thematisieren, habe ich schon einige gelesen, die Autoren dieser Bücher haben viel zu sagen, auch mir noch und in heutiger Zeit, solche Bücher haben Tiefe und sie sprechen unmittelbar letzte Wahrheiten aus. Mir hatte auch die Leseprobe vom Anfang der "Atemschaukel" gefallen.
Herta Müller benutzt eine sehr eigene Sprache, und wie gesagt, zu Beginn fand ich ihren Stil noch ansprechend und lesenswert. Mal was anderes, dachte ich. Auch einige Wortschöpfungen der Autorin gefielen mir, z. B. das Wort Eisnagel für den einsetzenden Schneeregen bei Winterbeginn. Nun machen einige gute Formulierungen aber noch keinen guten Roman!
Je länger ich an dem Buch gelesen habe, desto mehr nervte mich die Sprache. Ich empfand den Stil bald nur noch als überdreht, gedrechselt und maniriert.
Zitat von Seite 87:
"Ich bin kurz vor dem Zusammenbruch, im süßen Gaumen schwillt mir das Zäpfchen. Und der Hungerengel hängt sich ganz in meinen Mund hinein, an mein Gaumensegel. Es ist eine Waage. Er setzt meine Augen auf und die Herzschaufel wird schwindlig, die Kohle verschwimmt. Der Hungerengel stellt seine Wangen auf mein Kinn. Er lässt meinen Atem schaukeln. Die Atemschaukel ist ein Delirium und was für eins. Ich hebe den Blick, da oben stille Sommerwatte, die Stickerei der Wolken. Mein Hirn zuckt mit einer Nadelspitze am Himmel fixiert, besitzt nur noch diesen einen festen Punkt. Und der fantasiert vom Essen. Schon sehe ich die weißgedeckten Tische in der Luft, und der Schotter knirscht mir unter den Füßen. Und die Sonne scheint mir hell mitten durch die Zirbeldrüse."
Meiner Meinung nach ist eine derartige Sprachverkünstelung unangemessen für ein solch schweres Thema. (Mich würde wirklich mal interessieren, was Menschen, die solche Erfahrungen machen mussten, zu derartigen Formulierungskünsten sagen würden …)
Mich konnte das Buch nicht packen, ich konnte mit der Hauptperson nicht mitfühlen. Zum einen lag dies an der Sprache, die für mich weit weg war, und an den kurzen, eher unvermittelt nebeneinder stehenden Kapiteln.
Mich hat es übrigens nicht gestört, dass Hera Müller "nur aus zweiter Hand" geschrieben hat, dass sie also das Erzählte nicht selbst erlebt hat. Ich kann diesen Vorwurf nicht einmal richtig ernst nehmen, denn die Arbeit eines Schriftstellers besteht ja nun gerade darin, sich in Menschen und Situationen hineinzuversetzen. Spätestens, wenn kein Überlebender mehr berichten kann, braucht es Autoren, die aus "zweiter Hand" weiter erzählen – damit nicht vergessen wird.
Vom mir leider nur 4 Punkte.