Hallo,
ich habe heute "Die Klavierspielerin" nach nur 4-tägiger Lesedauer beendet, was mich selbst überrascht hat, da ich dachte: "Oje, mit dieser schweren Kost werde ich mich jetzt mal ein-zwei Wochen plagen..." Jedoch, die Bedenken waren völlig überflüssig.
Elfriede Jelinek hat mit der Klavierspielerin ein wunderbar aufwühlendes, verstörendes und sprachlich geniales Werk abgeliefert. Schon nach wenigen Seiten fragt man sich, in was für eine fast schon abartige "Zwei-Personen-Welt" man denn hier eingedrungen ist und warum hier jahrelange Fesseln nicht schon längst gesprengt wurden.
Gerade die Beschreibung von Erika in ihrem Gefängnis genannt "Mutter" rief in mir innerlich immer die wildesten Proteststürme hervor, da man einerseits immer wieder denkt: "Befreie dich doch endlich und laß die blöde alte Kuh endlich zurück", andererseits jedoch Seite um Seite erkennen muss, dass Erika, selbst wenn sie dies wollen würde (genügend Anspielungen gibt es), es doch nicht schaffen würde, sich vom allmächtigen/allgegenwärtigen Herrn und emotionalen Ernährer "Mutter" zu trennen.
Fassungslos steht man davor, wenn sich Erika selbst blutig schindet und schneidet und stockt über die Offenbarungen ihrer geheimsten sexuellen Wünsche. Im Laufe des Buches eröffnet sich einem zwar immer mehr das Innere von Erikas Person, allerdings erkennt man schnell, dass das, was sich in ihr befindet, verrottet, verfault, taub und vielleicht schon tot ist...
Die sich anbahnende Liebelei zwischen Erika und ihrem Schüler Klemmer ist eigentlich nur Mittel zum Zweck, um einem Menschen aus Erikas Umfeld (und v.a. dem Leser) die tiefen, dunklen und traurigen Abgründe der Klavierspielerin vorzuführen und erkennen zu lassen.
Jelineks Sprachstil mag für manchen auf den ersten Blick nicht ganz einfach erscheinen, denn gerade das Arbeiten mit Metaphern ist eine ihrer besonderen Stärken, die viel von der Stimmung des Buches ausmachen.
Deshalb, keine Scheu davor, und wenn es beim ersten Mal nicht klappen sollte, nicht den Mut verlieren und sich nach einiger Zeit wieder an das Buch dransetzen. Wenn man es erstmal in seiner ganzen Dimension gelesen und (meiner Meinung nach) "gefühlt" hat, ist man um eine besondere Erfahrung reicher.