Zitat
Original von Hazel
Das ist doch einfach alles nur grauslich! Wer hat denn überhaupt damit angefangen, dass Frauen angeblich "weniger wert" sind und Männern "dienen" müssen?!
Hi Hazel,
Das ist die Frage! Mein Mann meint dazu immer, die Frauen sind selbst schuld, immerhin gehören zwei dazu, ein Unterdrücker und einer der sich unterdrücken lässt. Nur so einfach ist die Sache fürchte ich nicht.
Die Patriarchate waren sicher nicht über Nacht da, sie sind langsam gewachsen. Einige Faktoren haben das sicher begünstigt, z.B (1) die Sesshaftwerdung vor 5.000-10.000 Jahren. Gibt es gemeinsamen Besitz, kann sich ein Paar nicht mehr so leicht trennen. Jäger und Sammler Paare gingen auseinander, wenn sie sich nicht mehr verstanden. Eine Partnerschaft musste nur so lange halten, bis das Kind von selbst mithalten konnte (also etwa vier Jahre). Danach konnten sich beide neu orientieren. Keine Möglichkeit für den Mann seine Frau zu irgend etwas zu zwingen, sie konnte entkommen, wenn es ihr nicht mehr passte. Der Neanderthaler hat seine Frau sicher nicht an den Haaren hinter sich hergezogen, das ist eine Interpretation heute lebender Patriarchen und Patriarchatsgeschädigter.
Mit der Viehzucht erkannte der Mann erst, was für einen Beitrag er eigentlich zur Fortpflanzung leistet (2), bis dahin war der Zusammenhang nicht unbedingt klar. Liegt doch ein Zeitraum von 9 Monaten zwischen Zeugung und Geburt. Die Frau der Urzeit glat als die alleinige Herrin über die Wiedergeburt. Ein starker Mythos, der ihr ein hohes Ansehen in der Gesellschaft verlieh.
Also war es dem frühen Ackerbauen darum zu tun nicht nur Feld- und Viehwirtschaft unter seine Kontrolle zu bringen sonder auch die Gebärfähigkeit der Frau. Die Frau geriet nun zusehends in Abhängigkeit, vor allem aus einem weiteren Grund (3). Kinder waren in der Jäger und Sammler Gesellschaft Ballast gewesen, der mitgeschleppt werden musste. Daher sah eine Frau darauf, dass sie nicht mehr Kinder bekam, als sie gerade nch tragen konnte - im Idealfall alle vier Jahre eines (heute noch lebende Jäger und Sammler Kulturen halten es noch so). Für den Ackerbauern hingegen ist Kinderreichtum eine Lebensversicherung. Nicht nur wird am Hof jede Hand gebraucht, im Alter können die Eltern auf Ausgedinge hoffen. Also wurde Kinderreichtum zum Statussymbol. Die Frau, die bislang alle vier Jahre ein Kind bekommen hatte und dadurch relativ mobil gewesen war, kam nun jedes Jahr "nieder" mit allen Konsequenzen gesundheitlicher Natur. Die Vorstellung vom "schwachen Geschlecht" mag hier seinen Ursprung haben.
Die neue sesshafte Lebensweise brachte Probleme mit der Hygiene (4), Flöhe z.B. können sich nur bei jenen Tierarten verbreiten, die fixe Schlafplätze haben, weil die Floheier zu Boden fallen, dasselbe gilt für die meisten anderen Parasiten auch (Würmer). Die Sterblichkeit war enorm unter Kleinkindern und das forderte wieder die Gebärfähigkeit der Frauen, viele von ihnen erlebten wohl ihren Lebensabend nicht mehr.
Im Trubel des unausgesetzten Geburten und Stillzeiten und Wochenbetten, mag so mancher Frau entgangen sein, dass die "Herrn der Schöpfung" inzwischen in aller Seelenruhe begannen die Gesellschaft nach ihrer Denkweise zu gestalten (5). Das war allen Übels Anfang.
Was dann geschah sieht man heute noch, denn das Patriarchat blüht und gedeiht ja in den meisten Kulturen noch mit allen Konsequenzen. So ist es überall dort besonders scheußlich, wo nur Männer das Sagen haben. Überbevölkerung, Hungesnöte, Verletzungen und Missachtung der Menschenrechte findet man vor allem dort, wo Frauen in Knechtschaft und Abhängigkeit gehalten werden.
Warum Frauen so lange zugesehen haben? Weil es erstens langsam und schleichend ging und zweitens weil Generation für Generation die immer abhängigere Rolle von den Müttern an die Töchter weitergegeben wurde. Da die Männer alle Ressourcen unter sich aufgeteilt hatten, mussten Mütter darauf achten, dass ihre Töchter für einen hochstehenden Mann (Höhe der Stellung im Patriarchat gleichbedeutend mit Menge der angehäuften Güter) gut genug sind. Das trieb dann die abartigsten Blüten, wie die Verstümmelung des weiblichen Genitale, als Zeichen unbedingter, sklavischer Treue.
Ein Auskommen aus diesen "Traditionen" ist wenn überhaupt dann nur sehr langsam möglich. Das schafft eine einzige Generation gar nicht. Und dennoch ist es möglich. Europa hat sich vor etwa 100 Jahren auf den richtigen Weg gemacht. Wir Europäische Frauen profitieren ja schon in ganz unglaublicher Weise von den Errungenschaften der Frauenbewegung. Ein Forum wie dieses wäre vor 100 Jahren undenkbar gewesen (auch, wenn es das Internet schon gegeben hätte). Wir würden hier nicht über Geschlechterrollen diskutieren, sondern darüber ob es uns gelungen ist einen netten Mann zu finden und ob dieser mit unserer Gebärfreudigkeit und unserer Häuslichkeit zufrieden ist.
Ich musste das Gottlob - so wie Du - nicht mehr erleben, insoferne bin ich tatsächlich in einer "heilen Welt" aufgewachsen. Aber in abgelegenen, ländlichen Gegenden und unter weniger gebildeten Menschen sieht das heute noch ganz anders aus. So erzählte mir eine Studienkollegin aus dem Burgenland, dass sie von den Kumpels ihres Lebensgefährten öffentlich beschimpft worden war, weil sie sich erdreistete alleine auszugehen, statt daheim auf ihn zu warten, während er - selbstverständlich alleine - mit seinen Kumpels auf Tour ging.
Die tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und Frau ist auch in Europa noch lange nicht hergestellt. Viel Überzeugungsarbeit muss noch geleistet werden.
LG
Barbara