Beiträge von Nikola_Hahn

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    Original von magali
    Nikola_Hahn


    natürlich kannst Du Deine Meinung darüber äußern, was Du für ein Gedicht hältst und was nicht.


    Das freut mich doch :-]



    Zitat

    Original von magali
    Was aber heißt: Du findest nichts 'Lyrisches' daran?
    Was ist das Lyrische? Gibt es das an sich? Sind das Deine Erwartungen angesichts der gewählten Form?
    Wie sind Deine Erfahrungen mit zeitgenössischer Lyrik? Liest Du Brinkmann? Das ist einer von denen, bei denen Gedicht und Prosa ineinander übergehen. Oder Florian Günther? Oder Ginzburg?


    Jupp, das meinte ich! Ohne, dass ich alle diese Werke gelesen hätte, maße ich mir meine Meinung an und lasse mich gern belehren. Lyrisch ist für mich genau das NICHT:


    Zitat

    Original von magali
    Grass' Gedicht ist kein sehr gut formuliertes, der Autor ist noch viel zu gebannt von seiner erschreckenden Erkenntnis und steht unter dem Druck, alles unbedingt und jetzt aussprechen zu müssen.
    Es drängt ihn zu schreiben, als ob er mit dem Leben im Rückstand wäre, um es in Abwandlung eines berühmten Gedichts von René Char aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts auszudrücken. Grass hat seine starke Emotionalität mit Mühe in der Form seines Gedichts gebändigt. Es knirscht ein bißchen. Aber die Erkentnisse kommen klar heraus, ebenso die Aussagen.



    Diese Aussage, ohne Autornamen gelesen, würde ich für einen jungen "Wilden" gelten lassen, für jemand, der am Anfang seiner Schrifststellerkarriere steht, bei dem die Worte schneller sprudeln als der Verstand sie zu reifen Werken formen kann. Noch mehr als Prosa ist für mich Lyrik eine Verdichtung, ein kunstvoller Umgang mit Sprache, der durchaus sperrig sein kann, aber eben eines NICHT: schlecht formuliert.
    Und gedrängt und rausgehauen? Das ist ja wohl die erste Stufe des Schreibprozesses. Danach fängt die (lyrische) Arbeit an. Sonst kann es ein bloßes Statement (mit einer durchaus klaren Aussage!) bleiben.


    Ach ja, erinnern wir uns (böse, jaja :nono) Wie lange schriftstellert der Mann?
    Und hat er nicht irgendeinen Preis bekommen ... :wave


    Viele Grüße :write
    Nikola

    Hallo magali,


    da hast Du was völlig falsch verstanden.
    Meine Frage bezog sich auf das "Künstlerische" als solches, auf das Lyrische an diesem "Gedicht". Und diesbezüglich war die Frage so gestellt, wie ich sie gestellt hatte: Würde man einen solchen TEXT (erst mal ohne Beurteilung des (politischen-Tabu-)Themas) unbenommen als "Gedicht" ansehen, hätte den TEXT jemand x-Beliebiges als "Gedicht" zur Publikation eingereicht?


    Ich sage einfach weiterhin frech und frei: NEIN. Ich finde einfach nichts Lyrisches an diesem Text, maße mir als Nullachtfünfzehn-Leser (und Schreiber) dieses Urteil an. Man möge mich zerpflücken dafür - gern.


    So, und als zweites wäre dann der Inhalt als solches, die Botschaft, die Intention, der Tabubruch (insoweit gebe ich Dir recht, das ist einer!), zu beurteilen: Was will uns der Autor sagen? Und, auch nicht ganz unwichtig: Werte ich
    a) das, WAS er sagt, als gut, nachvollziehbar, oder auch falsch, und
    b) ist für mich das WIE akzeptabel (dies jetzt auf den reinen Inhalt und "Ton" und nicht die literarische Form bezogen)?


    Der Inhalt dieses "Textes" ist, wie Du richtig sagst, keinesfalls "political correct"; da ich diese Vokabel absolut nicht mag, wäre es also ein Grund, Grass' Text aufgeschlossen gegenüberzutreten. Trotzdem bleibt bei mir ein irgendwie "falsches Gefühl" zurück ...


    Viele Grüße
    Nikola


    PS: Bitte eines nicht verwechseln: Dass ein Künstler kritisch sein kann, soll, muss, wenn er sich als politisch, sozialkritisch oder wie und wo auch immer verortet, bedeutet nicht, dass ich den Inhalt seiner Kritik und die "künstlerische Darstellung" allein deshalb gutheißen muss, weil sie gegen den Strich der Mehrheit gebürstet ist.


    Es gibt sehr viele sehr kritische Künstler, es gibt Satire, die so böse ist, dass es einen schaudert, und trotzdem sage ich: Gut so. Andererseits gibt es Künstler, die diese Intention einfach nicht haben, die unterhalten wollen, nicht mehr und nicht weniger. Ich finde, wir sollten jedem das Seine lassen.


    Und last not least: Es wäre traurig, wenn die Worte eines Mannes, der den Literaturnobelpreis bekommen hat, nicht zu Diskussionen anregten. Auch unser verflossener Bundespräsident hat zu Diskussionen angeregt, und das nicht etwa, weil "man" sein Tun gut fand. Womit wir wieder beim Anfang wären: Deklaration des Textes als Gedicht: (Nur) weil Grass es eben als solches definiert hat?

    arter hat es sehr schön auf den Punkt gebracht.
    Ich möchte dazu noch eine Frage stellen, die ich auch andernorts schon gestellt habe:


    Wie würde dieses "Gedicht" aufgenommen, wenn es Mr. Nobody verfasst hätte?


    Ich glaube, die Antwort ist auch die Antwort auf die Eingangsfragen.


    Für mich ist das kein Gedicht, sondern ein politisches Statement in Prosa, das lyrisch gesetzt wurde, ohne lyrisch gedacht zu sein. Auch da wiederhole ich mich. Es bleibt jedenfalls jede Menge Kopfschütteln. :gruebel

    Ich gehöre auch zu denen, die erst auf den Inhalt/Autor schauen, und erst mit einem zweiten Blick auf den Verlag. Durch meine Schulzeit bin ich ein bisschen reclamgeschädigt (wurde hier ja auch schon erwähnt), für mich sind diese gelben Heftchen zusammen mit dem Verlagsnamen das Synonym für "Muss-Lektüre", also völlig spaßbefreit, zumal ich in der Schule verstärkt die Latein-Übersetzungen konsumierte.


    Es gibt aber Bücher, die ich speziell in einem bestimmten Verlag gekauft habe, WEIL mir die Form so gut gefällt. Ganz obenan steht "Der geheime Garten" von Frances Hodgson Burnett, den ich als Tb-Ausgabe hatte (ich glaube, von Heyne, bin mir aber nicht sicher), aber weder die Übersetzung noch die Aufmachung gefielen mir - und dann kaufte ich mir das gleiche Buch als illustrierte Ausgabe vom Verlag urachhaus - es ist eines meiner Lieblingsbücher geworden. Selten habe ich eine so schöne Verbindung zwischen Text und Illustration gesehen.


    Ebenfalls schöne Bücher macht meiner Meinung nach der Schöffling Verlag. Ich habe ein kleines, feines (in Leinen gefasstes) Werk mit dem Titel "Grünes Glück" (Autor: Beverley Nicols), das ich sehr schön finde, und das auch inhaltlich eine Entdeckung wert ist - es geht um den "Kampf mit einem dreieckigen Garten :-).


    Und dann gibt es noch den Wagenbach-Verlag, der in der Reihe Salto wunderbar editierte Bücher herausgebracht hat. Es ist ein wahres Vergnügen, diese Kleinode in die Hand zu nehmen! Es handelt sich um in knallrotes Leinen gebundene HC-Ausgaben mit silbergeprägter Aufschrift und aufgeklebten kleinen Titelbildern. Auch die anderen Bücher dieses Verlags überzeugen durch eine sehr sorgfältige und professionelle Aufmachung, wie man sie heutzutage nur noch selten findet. Und noch dazu lassen sich dort auch inhaltlich richtige "Perlen" finden.


    Um nur eine zu nennen: Michaela Murgia, Accabadora. (Dieses Buch ist allerdings NICHT in der roten Salto-Reihe erschienen, aber auch sehr schön "gemacht" und vor allem: Ein wahres Lesevergnügen, vor allem für Leute, die gern Geschichten lesen, in denen viel Atmosphäre vermittelt wird und die das Spiel mit Sprache mögen.)


    Ansonsten stammen meine Bücher querbeet so ziemlich aus allen Verlagen.


    Herzliche Grüße
    Nikola

    Zitat

    Original von agu


    Die mühen sich auch nicht mit Kleinverlagen ab.


    MIt Großverlagen manchmal auch nicht mehr :lache


    Nee, ist schon sehr interessant, Eure Diskussion hier :grin


    PS Hef: Viel Glück mit Deinem Projekt ... Ich kenn das mit den Protas, die einem ähm ... doch, ja, mal ne Pause abverlangen sollten.


    Herzlichst
    Nikola


    PS: Ich finde es durchaus legitim, Schnelles zu schreiben, aber es ist doch WUNDERBAR, auch LANGSAMES zu schreiben. Ich bringe es fertig, für einen Roman von 200 Seiten vier Jahre zu brauchen. Und freu mich noch drüber. Geht aber nur, weil ich meine Brötchen woanders verdiene ;-)

    Hallo Batcat,


    ... das macht neugierig! Ich mag solche Bücher. Habe mir gerade mal die Rezis auf amazon.de durchgelesen. Was mich ein bisschen stört, ist der mehrfache Hinweis, dass es im zweiten Teil abflacht. Einen etwas "langsamen" Einstieg kann ich bei Büchern verzeihen, ein unschlüssiges oder unausgegorenes Ende eher nicht. Wie siehst Du das?


    Viele Grüße
    Nikola

    Liebe Charlie,


    ich muss es einfach noch mal sagen: Deine Beiträge sind köstlich, sensibel, auf den Punkt gebracht, sozusagen kleine literarische Mottenkugeln (das meine ich jetzt liebenswert!!)


    Ich bin (in eigener Sache) durchaus in den vergangenen Wochen verstärkt im Netz unterwegs gewesen, und was ich fand, war: Grauen! Der Eindruck, der hier herrscht, ist schon richtig: Es gibt eine neue Möglichkeit des Publizierens, und die wird heftig genutzt und anschließend versucht, das Buch auf Teufel komm raus unter die Leute zu bringen. Erst einmal und völlig neutral gesehen (und ich sag mal, das ist das, was Dir womöglich das Unbehagen verursacht), ist es genau DAS, was wir alle wollen, die wir nicht nur Leser, sondern auch Autoren sind (jajaja, ich auch ... die Leser sollen uns doch liebhaben :knuddel ... ) ABER als Leser schlägt nun mal ein anderes Herz in unserer Brust, oder? ZWITTERWESEN sind wir - ach, was waren das Zeiten, als ich NUR ein Leser war :-)


    Ganz ehrlich: Ich habe keine Idee, wie man das aufdringliche Werben abschaffen könnte. Vielleicht würde es helfen, den "Neulingen" beim Registrierungsvorgang ein "Mini-Merkblatt" aufpoppen zu lassen, in dem kurz aber knapp steht: Also, liebe(r) Neu-Eule(rich), falls Du zu ebenjenen Zwitterwesen gehörst, lass die Seele des Schreibers erst mal in der Brust, und bring dich als Leser ein, WEIL die Leser hier auch gern mal schreiben, wenn sie sich durch Schreiber beim Lesen gestört fühlen. Und das kann dann wenig nett ausfallen, und GANZ GROSS geschrieben: das Resultat wäre absolute Antiwerbung! Also, bitte beachten: Auf keinen Fall Dein Buch innerhalb der ersten drei Monate Mitgliedschaft oder vor dem Posten 50 fremdbuchbezogener Beiträge hier reinzuspammen :wow


    Na gut, ist nicht ganz ernst gemeint. Ich finde nämlich auch, wie schon festgestellt wurde, dass die Eulen ein Nest betreiben, das im Netz schon seinesgleichen sucht.


    Viele Grüße
    Nikola

    ... ist ja köstlich :-)
    Ich praktiziere "Schreiben für Lohn" - ja! Aber nicht um jeden Preis. Da ist es ungemein beruhigend, wenn man seine "Brötchen" woanders verdient. Das hat den Nachteil, dass die Nächte zuweilen unglaublich kurz werden (vor allem in einer Bucherstellungsendphase), aber dafür gibt es einem die UNGEHEURE Freiheit, NEIN zu sagen ... zu (Schreib-)projekten, die man nicht machen will. Hat was, oder? Wobei natürlich die ALLERGENIALSTE Verbindung die wäre:


    Schreiben, was man will + 1 Mio Leser :lache

    Ja, magali,


    da hast Du schon recht, mit dem Nerven. Ich glaube der Unterschied liegt nicht darin, dass es solcherart früher nicht gab, sondern dass es das nicht so flächendeckend gab. Ich habe vor vielen Jahren (noch bevor mein erstes Werk in einem "richtigen" Verlag erschien) in der Redaktion einer Literaturzeitschrift gearbeitet. Oh weia, was da für Einsendungen kamen. Und wehe, Du hast gewagt, etwas nicht gut zu finden. Was vielen "angehenden" Autoren fehlt, ist eine gesunde Portion Selbstkritik. Und das Feeling für Leserbedürfnisse. Wobei beides aber auch in die gegengesetzte Richtung einschlagen kann.


    Leider kenne ich auch einige (viele) Fälle, in denen nur noch für (angebliche) Leserinteressen geschrieben wird, und auch solche will ich nicht verschweigen, die durchaus talentierte Autoren in Selbstzweifel trieben, die bis hin zum Nicht-mehr-Schreiben-Können reichten. Und das nur, weil ein vorgeblicher "Literat" meinte, jemanden "zu seinem Besten" kritisieren zu müssen.


    Ich habe gelernt, dass das Feld der Schriftstellerei viele Fallstricke hat, auf der einen wie auf der anderen Seite, und das Internet und die digitale Welt generell, lassen Schreibende und Lesende mit einer Unmittelbarkeit aufeinandertreffen, die vor wenigen Jahren undenkbar war.


    Aber wie Du so schön sagst: Die Dinge entwickeln sich weiter, und wir müssen sehen, wohin es führt. Ich plädiere nur nachhaltig dafür, dass Schriftsteller ein Beruf ist und dass man diesen völlig unabhängig von der Art der Publikation, mit einem Mindestmaß an Professionalität ausüben sollte. Und das Mindeste, was man tun kann, ist sich weiterzubilden in dem, was man tut. Und wenn man denn unbedingt Bücher schreiben will, die die Öffentlichkeit lesen soll, dann muss man sich darum kümmern, wie diese Bücher professionell geschrieben werden. Und wenn man keine Lust/kein Geld/keine Notwendigkeit sieht, sich Hilfe beim "Machen" des Buches zu holen, muss man es eben selbst tun. Und zwar richtig.


    Das heißt nun ja beileibe nicht, dass ein Anfänger gleich ein absolut perfektes Buch herstellen muss! In nahezu jedem Buch (auch bei Verlagen) findet sich irgendwo ein Fehler, und auch wenn man sich SEHR müht, kann es durchaus sein, dass ein Professioneller doch einen Fauxpas findet. Das mag auch bei meinen "Selbstgemachten" so sein. Aber darum geht es nicht, sondern es geht darum, dass Professionalität nicht einmal VERSUCHT wird. Dass man als Schreibender dem Lesenden Texte zumutet, die jeder Deutschlehrer rot angestrichen hätte. Dass in Teilen der Neuautorenschaft eine Einstellung vorherrscht: Es reicht, dass ich es geschrieben habe. Der Rest ist irrelevant.


    Ist er nicht. Da helfen auch keine 99-Cent-Preise.


    Das ist es, was MICH ärgert. :lesend


    Ich wünsche Dir einen sonnigen Wochenstart!
    Nikola


    www.nikola-hahn.com

    Hallo magali,
    das Problem "Massenware" besteht doch nicht nur bei den eBooks. Auch bei den gedruckten Büchern fällt es immer schwerer, in der Masse der Neuerscheinungen durchzublicken. Verlagsvorschauen helfen da nicht unbedingt weiter, viele Buchhändler leider auch nicht - die stellen einfach das ins Regal, von dem sie glauben, dass es sich verkauft. Echte Empfehlungen? Zumeist Fehlanzeige. Deshalb finde ich solche Foren wie das hier so wertvoll. Hier kann man unmittelbare Lese-Eindrücke und Leser-Empfehlungen finden.


    Auch sehr gut sind (nicht verlagsfinanzierte!) Büchermagazine, wie z. B. die Buchwelt oder die Lesart. Dort stößt man wirklich auf interessante Bücher!


    Ich glaube, bei den eBooks müssen sich solche "Filter" erst noch etablieren.


    Mit den besten Grüßen
    Nikola :-)

    Lieber LeSeebär,


    das ist doch kein Widerspruch, sondern Du sagst genau das, was ich auch ausdrücken wollte. Im Prinzip ist es das gleiche Dilemma wie beim BoD. Ich finde es auch schade, dass so viele glauben, Schriftsteller würde man von allein, und es genüge, einfach eine Geschichte irgendwie aufzuschreiben. Dabei muss man das Handwerk "Schreiben" ebenso lernen wie das "Handwerk" Büchermachen. Und das bedeutet: Viel Arbeit, aber auch Freude, wenn man weiterkommt.


    Ich sehe also durchaus beide Seiten der Medaille ...
    Herzliche Grüße
    Nikola :write

    Hallo Delphin,


    ach ja, diese Berufsbezeichnungen ;-( Man könnte weinen! Nicht nur als Leser, glaub`s mir, auch als Autor! Als man mir vor nunmehr 14 Jahren den Titel meines ersten Romans vorsetzte, widersprach ich heftig, doch ohne Erfolg. So hieß das Werk denn "Die Detektivin", was ich ganz furchtbar fand, aber vielen Lesern gefiel der Titel sogar. Beim zweiten Roman setzte ich mich durch (ohne "-in"), aber was mich DAS für Nerven gekostet hat!!! Über Mitentscheidungsrechte bei Covern rede ich da nicht mal. Und damit bin ich beim Thema: Ich bin ja nicht nur Autorin, sondern auch Leserin, und ich LIEBE es, bei Büchern sozusagen die Fortsetzung von Titel und Cover irgendwo im Buch zu finden. Kannste aber bei den "Großen" vergessen. Man ist dort sehr genrebezogen - und damit komme ich zum Thread-Thema: eBooks bieten eine tolle Möglichkeit, ein Buch mal so zu machen, wie man es WIRKLICH will. Und: Ja, auch Indie-Autoren mit Verlagsgeschichte tummeln sich hier! Ich zähle dazu, und ich werde sicher auch wieder in "meinem" Genre historischer Krimi schreiben, aber darf denn ein Autor nicht auch mal eine andere Geschichte erzählen?
    Mein Verlag meinte: Nö. Die möchten von mir das eine und sonst nix. Konnte ich vor Jahren immerhin noch einen "Ausreißer" als TB unterbringen, war mit meinem neuen Roman nichts zu machen.
    Nun ist er als eBook erschienen, und meine Leser jammern: WARUM nicht auch auf Papier? Allerdings muss ich gestehen, dass dieses eBook-Abenteuer mich ganz unabhängig von der Verlags-Schiene interessiert hat: NEUGIER :-]


    Doch den kritischen Schreibern hier muss ich ebenfalls recht geben: Es ist ein Problem, wenn es zu viele Bücher gibt, die eigentlich, was die Qualität angeht, nicht veröffentlicht werden sollten. Nicht, weil der dahinter stehende Autor nicht talentiert wäre, sondern vielleicht sogar eben darum: Es ist keine Entwicklung möglich, wenn man nicht gezwungen wird, Standards einzuhalten. So sehe ich die schöne neue eBook-Welt mit einem weinenden und einem lachenden Auge.
    Und was die eingangs genannte Autorin angeht: Ich habe zwar ihre Bücher nicht gelesen (ist nicht so meine Richtung), aber wenn man sich das Layout der Leseproben anschaut, sieht das doch recht gut aus. Im Gegensatz zu manchem anderen Werk.


    Da ich ja seit vielen Jahren "Printautorin" eines Publikumsverlags bin, stand für mich von Anfang an fest, dass ich ins Layout viel Arbeit investieren musste. Ich habe daher "meinen" Kindle eigentlich nur gekauft, um zu schauen, wie sich der Roman darauf liest, entdeckte aber dann durchaus die Vorzüge dieses "Geräts". So kam beides zusammen ... Autorin und Leserin fanden Vergnügen an dieser neuen Art des Publizierens und Lesens. Und es war wunderbar, ein eigenes, zur Geschichte passendes Cover und einen ebenso passenden Titel zu kreieren. Und: Ja, ein Buch eigens für den Kindle zu illustrieren. Ich habe dazu meine ursprünglich für den Print vorgesehene (ebenfalls illustrierte) Vorlage komplett umgearbeitet und neu layoutet. Insgesamt habe ich mir von der Idee bis jetzt zur Veröffentlichung fast vier Jahre Zeit gelassen, davon ein gutes halbes Jahr nur für die Einarbeitung in das Layoutprogramm InDesign (allein das Handbuch umfasst 900 Seiten, und ich sah manches Mal beim Lesen so aus: ?( ). Das ist der "Nachteil" beim Selbstverlegen: Man kann nichts auf andere schieben, sondern muss selbst "da durch". Natürlich hat mir meine langjährige "Autorenerfahrung" bei der Umsetzung geholfen. Und wenn ich ehrlich bin: Nachdem ich hier und da heftigst geflucht habe, weil ich mir selbst beim fünften Mal Lesen vorkam wie der dümmste Mensch auf Erden, fing das Ganze an, mir mächtig Spaß zu machen: Layouten ist nicht weniger kreativ als Schreiben! Und jetzt arbeite ich an einem Fachbuch. Das mache ich auch selbst, allerdings e- UND Print.


    Also, bitte, nach langer Rede kurzes Fazit: Das eBook ist ein ganz erwachsenes Medium, und "WIR" eBook-Autoren gehören nicht nur der Anfängerfraktion an :chen


    Herzlichst
    Nikola

    Ich blättere gern mal von hinten auf, lese die Danksagung oder die Quellenangaben, und dann lasse ich mich geruhsam von vorn aufs Leseabenteuer ein - inklusive Autorenbiografie, Widmung, Prolog oder was da auch immer steht. Früher habe ich das bei ALLEN Büchern stur durchgehalten, aber inzwischen erlaube ich mir bei Büchern, die mich einfach nicht "mitnehmen", zu blättern, querzulesen, ein Kapitel zu überfliegen oder, wenn es ganz schlimm wird, tatsächlich nur noch den Schluss zu lesen, bevor ich das Buch für immer zuklappe.



    Eigentlich müsste man als Autor bei solcherlei Leseverhalten ja einen roten Kopf kriegen ... immerhin weiß man ja, wie lange man an so einem Ding rumwerkelt, aber andererseits darf man sich als Leser auch erlauben, etwas zu beenden, das einem keine Freude macht :wave

    Zitat

    Original von TheAlice
    Guck mal Hier . :wave
    Da gibts eine ganze Liste mit ausschließlich historischen Krimis.


    ... die aber ganz genau angeschaut werden muss: Da steht nämlich außer meinen beiden historischen Krimis auch mein zeitgenössischer "Die Wassermühle" drauf - weiß der Kuckuck, wer den da hingesetzt hat. Das ist jedenfalls weder ein Krimi noch historisch - die beiden anderen "Die Detektivin" und "Die Farbe von Kristall" sind`s aber wohl - und erzählen neben der Aufklärung von Mordfällen im 19./Anfang 20. Jh auch die nicht minder spannende Geschichte der Kriminalistik und des Kriminalromans - zugegeben: Eigenlob der Autorin :grin


    Herzlichst
    Nikola

    Zitat

    Original von Iris
    (...) Wir hantieren mit Begriffen, die früher ganz andere Bedeutungen hatten -- nicht nur für die Menschen selbst, sondern auch als Bedeutungsinhalt eines Wortes.
    Was wir heute Freiheit nennen, ist mitnichten dasselbe, nicht einmal das Gleiche wie das, was in der Antike diejenigen Begriffe bedeuteten, die wir heute mit "Freiheit" übersetzen. Von Liebe und dem Umgang mit dem Tod mal ganz zu schweigen!


    Gerade diejenigen Storys, die so tun, als hätte es vor 2000, vor 1500, vor 1000 oder vor 500 Jahren mal jemanden gegeben, der aus heiterem Himmel heraus "modern" gedacht und das zu leben versucht hätte, sind nur dem Kopf des Autors entsprungen und haben mit der jeweiligen historischen Wirklichkeit nichts, aber auch rein gar nichts zu tun. :-)


    Hallo Iris,


    Du hast Recht und doch wieder nicht ... Es gab zu allen Zeiten Menschen, die aus der Reihe tanzten, die in einer Art und Weise dachten, die "aus der Zeit herausfiel", und es ist - für mich als Autorin wie auch als Leserin - sehr interessant, mich mit diesen Menschen zu beschäftigen - sie sagen uns auch etwas über unsere Zeit. Zwei meiner Romane wurden zwar auch als "historisch" vermarktet, aber ich bin nicht so weit in der Zeit zurückgegangen, sondern schreibe über das 19./Anfang 20. Jh. Du hast Recht: Die Begriffe sind gleich geblieben, aber ihre Bedeutung wechselt - Freiheit zum Beispiel, klar, auch die Rolle der Frauen.
    Aber so ist es doch auch in der Gegenwart: Hier ist die Verschiebung sozusagen horizontal, während sie in den historischen Epochen vertikal ist ... einmal auf die Region bezogen, einmal auf die Zeit. Was Freiheit bei uns ist, bedeutet(e) sie im Sozialismus noch lange nicht, oder man denke an die teilweise verqueren Abhandlungen der Terroristen in den 1960ern, oder, ganz aktuell, die "Begründungen" von islamistischen Terroristen für den "heiligen Krieg".


    Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es möglich ist, das Gefühl und eine "Ahnung" einer vergangenen Zeit heraufzubeschwören, und es gibt durchaus Möglichkeiten, sich dem Denken der "Damaligen" anzunähern: Man lese einfach Literatur aus dieser Zeit, man studiere Briefe, Tagebücher, Zeitungen (gut, das gab`s im Mittelalter noch nicht :grin ), und sicher sind auch diese Quellen nicht immer der Weisheit letzter Schluss. Ein Problem, das aber auch auf die heutige Zeit übertragbar ist, da private Aufzeichnungen vor allem die Sicht desjenigen spiegeln, der sie verfasst - das muss nicht unbedingt die Mehrheitsmeinung oder gängige Meinung einer Zeit sein.


    Bei meinen Recherchen bin ich auf sehr interessante und durchaus "unangepasste" Zeitgenossen gestoßen: Paul Ehrlich zum Beispiel, der sehr unkonventionell war und Frauen als Mitarbeiterinnen schätzte (was damals eher ungewöhnlich war), auf den heute berühmten und damals noch unbekannten Arzt Alzheimer, der unbeirrt seine Studien durchführte, oder den berühmten Heinrich Hoffmann, der als Arzt seiner Zeit weit, weit voraus war: Er war der Meinung, dass man "Irre" nicht einsperren sollte und Kinder nicht mit langweiligen Geschichten zutexten, und außerdem solle man als Arzt mit einem Lächeln auf den Lippen ins Krankenzimmer kommen. Kleinigkeiten, aus heutiger Sicht betrachtet, damals unkonventionell. Und das Vorbild für meine Heldin aus Roman 1 war eine Bürgerstochter, die nicht lesen durfte, was in der Bibliothek des Vaters stand und es heimlich tat, und im die "Heldin" im zweiten Roman war das Alter Ego der ersten Polizistin in Deutschland, die 1903 ihren Dienst antrat - eine SEHR unkonventionelle Frau.


    Ich könnte das seitenweise fortführen, will damit aber nur deutlich machen, dass es sehr wohl möglich ist, "authentische" historische Figuren zu erschaffen und nicht nur ein authentisches historisches Setting. Ich bin sowieso der Meinung, dass das eine ohne das andere gar nicht wirken kann. Einschränkend muss ich aber sagen, dass ein "gewisser" Anpassungsprozess dennoch vonnöten ist, und das fängt schon bei der Sprache an. Zwar kann man versuchen, gewisse Ausdrücke zu übernehmen, aber man darf es nicht übertreiben, da sonst der Leser aus der Geschichte gerissen wird. Man hat einfach früher anders gesprochen - aber wenn man sich ein bisschen mit der Entwicklung von Sprache befasst, wird man feststellen, dass schon in der Sprachentwicklung zwischen der Nachkriegszeit und heute ein gewaltiger Sprung ist ... Und sogar zwischen den 1960er Jahren und heute ... Oder, noch enger an der Gegenwart: Ich weiß nicht, wer sich noch an den ersten "Schminanski-Krimi" erinnert? Damals war es DER Aufreger, dass ein deutscher Kommissar das Wort "Scheiße" in den Mund nahm, und das auch noch mehrfach, vom unmöglichen Outfit ganz zu schweigen. Heute sagt das jedes Kind im Kindergarten und noch mehr dazu. Schon diese Zeit herbeizurufen, ist fast unmöglich.


    Wenn man also über Vergangenes schreibt, ist das immer ein Kompromiss. Man muss Dinge erklären, auf eine Art, dass es der gegenwärtige Konsument/Leser verstehen und in sein Wertesystem einpassen kann. Das heißt aber für mich nicht, dass ich historische Figuren verbiege. Ich sehe es eher als Akt der "behutsamen Interpretation".


    Wieder ein Beispiel aus meinem (zweiten) Roman: Es geht um Kinderhandel, um Adoptionsbetrügerei - schlimme Dinge, die damals zum einen "fast offen" in der Zeitung standen, die aber auch genauso kritisiert wurden wie man sie heute kritisieren würde. Und Frauen, die sich "durchgebissen" haben, gab es zu allen Zeiten, allerdings damals sehr, sehr viel weniger als heute. Und mit für sie schlimmeren sozialen Folgen. Es ist wohl eher die "Masse an Heldinnen" und ihr zu modernes Vokabular, das viele Leser von HR abtörnt. Aber so MUSS man es ja nicht schreiben :-]


    Viele Grüße
    Nikola

    Zitat

    Original von Clare
    (...) Ich schaue auch immer noch in die Leserunden rein, auch wenn ich schon lange fertig bin, damit die Nachzügler nicht so allein sind, aber irgendwie hat das dann doch den faden Beigeschmack von kaltem Tee. Schade!


    Das mit dem kalten Tee hat was :grin
    Da ich ja Leserunden "nur" als Autor begleite, habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, so lange reinzuschauen, bis der oder die letzte Leser/in am Ende angekommen ist - es ist ja oft so, dass die "langsamen" Leser die interessantesten sind - sie achten auf die kleinen Dinge, die im "schnellen Rausch" des Lesens auch mal untergehen, für die Autoren aber manchmal sehr lange brauchen, sie zu recherchieren und in die Geschichte einzufügen. Außerdem bin ich natürlich gespannt, ob und wie der letzte Leser das Ende dann sieht ... so :grin oder so :cry


    Es wurde zwar hier aus Lesersicht gefragt, aber als Autorin wünsche ich mir für eine Leserunde: eine nicht zu große Gruppe Interessierter, die gleichmäßig mitliest und kritisch und konstruktiv ist und gerne auch die abentuerlichsten Fragen stellt :-] Auch für Autoren ist es ein besonderes Erlebnis, Leserunden zu begleiten, und es macht einfach mehr Spaß, wenn - wie hier auch schon mehrfach geschrieben wurde - tatsächlich über das Geschriebene und Hintergründe, den Stil oder Ähnliches diskutiert und weniger inhaltlich zusammengefasst wird.


    Herzliche Grüße
    Nikola

    Also, das muss ich jetzt doch mal loswerden, liebe Nikki: Ich finde es klasse, wie Du Dich trotz Deiner knappen Zeit und den langen Pausen durch meinen dicken Schinken durchgeschmökert hast:


    :respekt!!!


    Tja, und dann wäre es nun wohl mal an der Zeit, die Schlussrechnung aufzumachen, zumal wir hier ja nur noch zu zweit sind:


    :korken + :wein + :sekt :sekt = :suppeln



    Ich schicke an Dich und alle, die mitgelesen haben, ein dickes fettes:
    :danke ... Ohne Leser wären wir Autoren schließlich arbeitslos :grin


    Nikola