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Original von magali
[Ich verstehe das Argument immer noch nicht,. Otto Müller hat den Text nicht geschrieben. Ein Schriftsteller mit langjähriger Berufserfahrung hat's getan.
In meinen Augen lassen sich die beiden Fakten nicht voneinander trennen.
Ich kann nicht diskutieren, was passiert, wenn der Himmel grün wäre. Wir sehen ihn blau, das beruht auf bestimmten physikalischen Gegebenheiten.
Wenn ich sage, nehmen wir an, der Himmel wäre grün und dann frage: was passiert dann? was liegt dann vor? (...)
Ich meinte das in der Art, dass man auch (unabhängig vom Inhalt und dessen Brisanz) über die Form sprechen dürfen muss. Das "Wenn ... hätte" ist also so zu verstehen, dass es mich einfach "wundert", wie ein solcher Mann solch einen Text als "Gedicht" bezeichnen kann. Aber ich bin natürlich nicht so dreist zu sagen, dass es keins ist. Vielleicht kapier ich es nur auch nicht. Was meine eigenen lyrischen Ergüsse angeht, so maße ich mir auch hier nicht an zu sagen, dass das jetzt die "große Kunst" sei - ich schreibe "Gebrauchslyrik", also auf keinen Fall experimentell. Gilt übrigens auch für den Rest meiner Schreibe, die ich als "gehobene Unterhaltung" bezeichnen möchte, also durchaus mit einem Grundanspruch an Sprache und Form, aber natürlich auch dies keine "hohe" Literatur. Gilt auch für meine restliche künstlerische Ader, also Malerei & Co.
Wenn man aus dieser Ecke kommt, kann man natürlich immer leicht "widerlegt" werden, aber den grünen Himmel habe ich nur deshalb mal angenommen, weil ich es reizvoll finde Dinge zu relativieren.
Was ich von Grass erwartet hätte, wenn er sagt: Dies ist ein Gedicht. Und es heißt: Was gesagt werden muss, dass er das, was er sagen zu müssen glaubt, in mehr "indirekte" Worte fasst, also: Eine Sprache, die das, was er sagen will, verdichtet. Kann Dir natürlich kein Beispiel geben, WIE. Aber das Interessante an Gedichten ist für mich, dass man sie zweimal lesen kann - einmal auf den ersten Blick, und dann auf den zweiten ganz anders. Das fehlt mir hier - dieses angenehme Aha-Erlebnis einer gut gelungenen sprachlichen Komposition.
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Original von magaliWelchen Schluß kann man daraus ziehen? Daß sich Otto Müller nicht einfach so an eine Zeitungsredaktion wenden kann.
Weiterer Schluß: will Otto Müller gegen Israels Säbelrasseln protestieren, muß er sich etwas andere einfallen lassen. Er kann privat Flugblätter drucken und verteilen, er kann es den NachbarInnen übern Gartenzaun erklären, er kann einen Leserbrief schreiben (und hoffen, daß der gedruckt wird, was nicht selbstverständlich ist), er kann sich politischen Gruppen anschließen, die in diesem Bereich arbeiten und vielleicht kann er sein Gedicht eines Tages bei einer Veranstaltung solcher Gruppen vorlesen.
Kurz: er nutzt die Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen.
Ja, das ist der zweite Schluss, der inhaltliche. Hier gehe ich mit dir konform: Natürlich hat die Stimme eines Literaturnobelpreisträgers ein Gewicht. Das ist gut und richtig so! Aber damit sind wir beim Inhalt, den man dann wiederum richtig, falsch, gut oder schlecht dargestellt finden kann. Und an dem sich herrlich ablesen lässt, was geschieht, wenn jemand an einem Tabu rührt. Ich vermute mal, das war bis zu einem gewissen Grade auch beabsichtigt. Ob in dieser Intensität - das weiß ich nicht.
Was ich wollte war, darauf hinzuweisen, dass die Aussage und die gewählte künstlerische Form durchaus getrennt betrachtet werden können.
Dass Grass gehört wird, ist gut (Nicht auf den Inhalt bezogen, sondern auf das "überhaupt"). Dass es ihm (meiner Meinung nach) nicht gelungen ist, es in einer künstlerischen Form zu tun, die überzeugt, finde ich schade. Hier wurde eine Chance vertan, Kunst & Politik zu verbinden. Es bleibt für mich nur ein Statement, ein (lyrisch gesetztes) Positionspapier. Ich finde das für einen Literaturnobelpreisträger einfach ein bisschen zu wenig.
Das hatte ich versucht, rüberzubringen.
Im Gegensatz zu Grass allerdings darf ich mir es ja erlauben, mich auch mal so auszudrücken, dass meine Gedankenknoten andere nicht gleich entwirren können.
Ich hoffe aber trotzdem, dass ich mich jetzt ein bisschen genauer hab erklären können
Herzlichst
Nikola