Ja, es stimmt, es passiert wirklich nicht viel.
Und die wenigen Äußerungen, die abstrakter Natur sind und nichts mit der Handlung an sich zu tun haben sind leider, wie ich finde, auch nicht spektakulär:
So ist die Erkenntnis, dass ein Mensch, der krank ist, nur noch Körper ist, weil er durch sein physisches Leid fast zur Gänze auf diesen reduziert ist, sicherlich ganz nett, aber nicht irgendwie erleuchtend oder erhellend.
"Ein Mensch, der als Kranker lebt, ist nur Körper, das ist das Widermenschliche und Erniedrigende, - er ist in den meisten Fällen nichts Besseres als ein Kadaver..."
Und auch die Ausführungen über das Zeitgefühl im Exkurs über den Zeitsinn sind nicht inspirierend.
Mit Hans Castorp widerspricht Thomas Mann der Vorstellung, dass Monotonie zur Langeweile und damit zum Empfinden langsam verstreichender Zeit führe, wohingegen ereignisreiche Jahre, schneller vergingen. Nein, das Gegenteil sei der Fall.
Denn da, wo sich etwas ändert, bedarf es einer Gewöhnung und die Phase der Gewöhnung wird als langsam verstreichend empfunden, wohingegen Jahre, in denen ein Tag dem anderen gleicht, nur so vorbeirauschen, weil sie keine Phase der Gewöhnung nötig haben.
"Die ersten Tage an einem neuen Aufenthalt haben jugendlichen, das heißt starken und breiten Gang, - es sind etwa sechs bis acht. Dann, in dem Maße, wie man "sich einlebt", macht sich allmählich Verkürzung bemerkbar."
Doch ein Stelle finde ich besonders schön, vielleicht auch nur deshalb, weil sie zu mir passt und ich ihr deshalb einfach nur zustimmen kann:
Ich glaube sogar, ich kommte mit traurigen Menschen im ganzen besser aus als mit lustigen, weiß Gott, woran es liegt...
Die Ausführungen des Herrn Settembrini über die Musik, die er aus politischen Gründen ablehnt, sind leider auch nicht spektakulär:
Herr Settembrini:
Die Musik ist unschätzbar als letztes Begeisterungsmittel, als aufwärts und vorwärts reißende Macht, wenn sie den Geist für ihre Wirkungen vorgebildet findet. Aber die Literatur muss ihr vorangegegangen sein. Musik allein bringt die Welt nicht vorwärts. Musik allein ist gefährlich. Für Sie persönlich, Ingenieur, ist sie unbedingt gefährlich. Ich sah es sofort an Ihren Gesichtszügen, als ich kam. ... Die Kunst ist sittlich, sofern sie weckt. Aber wie, wenn sie das Gegenteil tut? Wenn sie betäubt, einschläfert, der Aktivität und dem Fortschritt entgegenarbeitet?
Ich verstehe schon, was Herr Settembrini sagen will, doch kommt mir sein Standpunkt viel zu radikal vor. Kann Musik nicht auch einfach so schön sein? Kann Musik nicht auch einfach nur dazu dienen Abstand von Problemen der Welt oder von Problemen mit sich selbst zu schaffen?
Was sagt ihr denn eigentlich zum Inhalt dieses Vortrags, den sich Hans Castorp mit wenig Aufmerksamkeit anhören zu müssen glaubt:
Der Kampf, ob Keuschheit oder nicht, ende gesellschaftlich bedingt mit dem Pyrrhussieg der Keuscheut. Pyrrhussieg? Ja, weil der unterdrückte Liebesbefehl sich nicht knebeln lasse, sondern wieder in anderer Form hervortrete...
In Gestalt der Krankheit! Das Krankheitssymtom sei verkappte Liebesbetätigung und alle Krankheit verwandelte Liebe.
Ich glaube, man war von der Richtigkeit dieser Aussage damals tatsächlich überzeugt.
Ich muss erst mal los, ich schreibe später noch etwas mehr dazu...