Beiträge von Zefira

    Bei mir hängts ein bisserl, zu viel reallife. Aber ich bin mittlerweile bei Keda und Rantel, und ich weiß noch, wie ich dieses Kapitel beim ersten Lesen als wahre Wohltat erlebt habe. Endlich mal ein paar Leute, die wirklich leben und fühlen, endlich mal wahres Leben in dieser verdammten riesigen Kulisse ...


    Was mir beim ersten Lesen nicht weiter auffiel, beim zweiten dagegen um so mehr, ist der Gärtner, der die an den Bäumen hängenden Äpfel poliert. Dagegen sind Tolkiens Hobbit-Supergärtner ja die reinsten Verweigerer.


    Hust mal, MagnaMater, wie weit biste?


    Gutnachtgruß
    Zefira

    Das wird ein feines Lesen mit euch, ich freu mich :wave


    Ich hatte schon mal eine Leserunde mit Gormenghast, die ist aber leider zerbröckelt. Zuviel Masse wahrscheinlich.


    @ Magna Mater:

    Zitat

    Es waren einige ungewohnte, zuvor von mir kaum vernommene englische vokabeln drinnen


    Ich habe mir ja, wie schon gesagt, den Film angesehen und dabei auch einiges an Vokabeln zugelernt ... da gibt es eine Szene, in der der Sekretär Barquentine Steerpike mit "pisslump" anredet ... darüber lach ich heute noch. Nachschlagen musste ich das allerdings nicht, obwohl es mir neu war :lache


    Fuchsia wird in dem Film übrigens "Fjuscha" ausgesprochen. In Fuchsias Märchenbuch, das Steerpike auf dem Dachboden findet, nennt sie sich selbst in zwei handschriftlichen Eintragungen "Fuschia". Kann kein Versehen sein, da es, wie gesagt, zweimal vorkommt. Gibt es dafür eine sprachliche Erklärung?


    Der Roman ist nicht eben reich an Sympathiefiguren, nicht mal der fette Swelter ist wirklich nett 8) , so richtig zum Gernhaben ist eigentlich nur Fuchsia, die habe ich auch von Anfang an gemocht ... und die Amme Keda. Habt ihr die schon kennen gelernt?


    Grüße aus dem Schloss
    Zefira


    edit: übrigens habe ich aus der Literaturcafé-Leserunde noch die Mitschrift einer Radiosendung über Peake, die der Leserundenleiter damals als Hintergrundmaterial verschickte. Darin heißt es, dass Peake mindestens einen großen Teil des ersten Bandes während seiner Militärzeit in England schrieb. Er hat wohl sehr unter dem Drill und dem Zwang zum Gehorsam gelitten. Wahrscheinlich sind die vielen sinnlosen Rituale in Gormenghast auch ein Versuch, sich von diesem Druck freizuschreiben.

    Ich habe es ganz normal über den Buchhändler meines Vertrauens bestellt, ohne Schwierigkeiten. Das war allerdings 2002. Und ich bekam nur die ersten zwei Bände, den dritten habe ich auf anderem Weg erworben, vielleicht direkt beim Verlag, das weiß ich nicht mehr. Der dritte Band ist in Stil und - wie nennt man das? Narrativik? - sehr anders als die beiden ersten; vermutlich liegt ein langer Zeitraum dazwischen und eine veränderte Erzählabsicht dahinter.


    Ich bin sehr gespannt, eure Meinungen zu hören; den ersten Band habe ich bis ca. Seite 130 gelesen (die Taufzeremonie des neugeborenen Grafen Groan) und mache ein wenig Pause, in der Hoffnung, dass hier der eine oder die andere nachzieht.


    Ermutigende Grüße
    Zefira

    Huhu, allen ein frohes Neues. Ich bleibe an Bord, der OP-Termin ist gecancelt :-]


    Habe mit dem ersten Band angefangen und mich schon hübsch eingelesen. Diesmal mache ich aber (gegen meine übliche Gewohnheit) gaaanz langsam.


    Gebt mal Laut, sobald ihr soweit seid, wie es euch gefällt!


    Den Film habe ich auch inzwischen fertig gesehen; er enthält nur die ersten beiden Teile der Trilogie (und ist auch so über drei Stunden lang), gefiel mir aber gut.


    Später mehr!


    lG Zefira :write

    Ich bin leider ab ca. Mitte Januar eine Weile offline, krankheitshalber.


    Werde versuchen, ab und zu hier hereinzuschauen.


    Gerade habe ich mir die ersten beiden Teile des Films angesehen. War ein wenig überrascht; der Film ist sehr grell, sehr überzeichnet, die Figuren dickens-haft, würde ich sagen. Ich werde in den nächsten Tagen mit dem Wiederlesen beginnen.


    Im Literaturcafé habe ich im Jahr 2002 eine ausführliche Rezension geschrieben, mit einem Abschnitt über die wichtigsten Lebensdaten des Autors - will jetzt aber lieber noch nichts Inhaltliches daraus zitieren. Nur zum Autor: Peake (geb. 1911) war zeit seines Lebens von, sagen wir mal, äußerst sensiblem seelischem Gleichgewicht. In erster Linie trat er als Zeichner hervor, war außerdem ein erfolgreicher Lyriker. Nach der Befreiung Nazideutschlands reiste er 1945 als offizieller Zeichner nach Belsen. Von den Grässlichkeiten, die er dort mitdokumentierte, hat er sich nie erholt. Nach seiner Rückkehr erlitt er einen Nervenzusammenbruch und musste in den Folgejahren bis zu seinem Tode immer wieder stationär behandelt werden.


    Den größten Teil seiner Trilogie schrieb Peake während seiner Militärzeit, den dritten Teil wohl erst später, jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass er einige seiner Beobachtungen in Belsen dort verarbeitet hat. Der dritte Teil unterscheidet sich auch stilistisch stark von den beiden ersten. Gormenghast erschien, wenn ich mich recht erinnere, 1950. Peake starb 1968 in einer Nervenheilanstalt.



    Grüße aus dem Schloss
    Zefira


    edit: Auch wem der Name Peake nichts sagt, hat vielleicht schon mal den Film "Freaks" von Tod Browning gesehen oder davon gehört. Der Film gilt als eine Art Meilenstein des Grusel-Filmgenres - eine kompromisslos grässliche Horrorshow (inzwischen natürlich, was die Scheußlichkeit angeht, von modernen Filmen weit überholt, aber in Stimmung und Gänsehauteffekt nach wie vor beispielgebend). Das Drehbuch gründet sich auf eine Erzählung von Peake, die auch in Deutschland schon mindestens einmal anthologisiert wurde, nämlich in einem der beiden Phantastik-Almanache des Klett Cotta-Verlags.

    Hallo Leser-innen,


    ich habe hier mit der Suchfunktion nach Gormenghast gesucht, denn gerade liebäugele ich damit, es zum zweiten Mal zu lesen. Im Literaturcafé habe ich 2001 oder 2002 (weiß nicht mehr genau) an einer Leserunde mit diesem Buch teilgenommen. Ich fand es klasse, war aber, glaube ich, die einzige in der Runde, die es wirklich zu Ende las. Da es meiner älteren Tochter auch gefallen hat, habe ich uns beiden dieses Jahr zu Weihnachten eine englischsprachige Verfilmung auf DVD geschenkt, die recht gut sein soll.


    Den Film werden wir in den nächsten Tagen sicher angucken, das Buch will -wie gesagt - dringend wiedergelesen werden, obwohl der SUB auch bei mir weiß Gott hoch genug ist.


    Ich habe aus der Literaturcafé-Runde noch ein wenig Hintergrundmaterial über Peake. Mag sich jemand über dieses Buch austauschen?


    Weihnachtsgruß
    Zefira, die sich auf viereckige Augen freut (der Film ist an die drei Stunden lang)

    Zitat

    Ihr Untergang scheint mir dann doch eher im Charakter zu liegen, weniger in der Wahl der Lektüre.


    Das ist ein interessanter Punkt. Flaubert hat leider nur wenig geschrieben, aber ich kenne eine ganze Reihe Romane von seinem Zeitgenossen Zola, der sich zur Aufgabe gesetzt hatte, ein wahrheitsgetreues Sittenbild seiner Zeit zu schaffen. Da kann man lesen, wie die bürgerliche Mädchenerziehung zu dieser Zeit aussah: Bücher wählten die Eltern aus, Zeitungen durften Mädchen überhaupt nicht lesen, auf die Straße durften sie nur in Begleitung Erwachsener und sollten sich so wenig wie möglich umsehen, am besten immer mit niedergeschlagenen Augen gehen (ich weiß nicht, inwieweit Zola hier übertreibt) ... Es gab für bürgerliche Mädchen keine andere "legale" Methode, sich über Liebe und Ehe zu informieren, als das Lesen von Romanen. Und natürlich waren ihnen nur Romane zugänglich, in denen wir Wirklichkeit so verbrämt wurde, wie Flaubert das beschreibt: Liebe und Ehe sind ein ewiges Werben und Lustwandeln.


    Von eigener Wahl der Lektüre kann übrigens keine Rede sein; junge Mädchen aus gutbürgerlichen Kreisen wurde genau kontrolliert, die Wahl der Lektüre traf der Vater.


    lG
    Zefira

    Ich habe das Buch irgendwann gelesen kurz nachdem es im "Literarischen Quartett" besprochen wurde; es muss Jahre und Jahre her sein. Ich erinnere mich jedenfalls, dass es mir sehr gefallen hat, obwohl ich einige der eingestreuten Versepen übersprungen oder allenfalls überflogen habe. Es ist wirklich keine leichte Kost.


    Den Film kenne ich nicht, wusste nicht mal, dass es einen gibt. Aber ich möchte noch auf ein (soweit ich sehe) bisher nicht erwähntes Werk hinweisen, nämlich "Morphus Eugenia", eine Ehe- und Liebesgeschichte - wesentlich kürzer und bedeutend weniger kompliziert als "Besessen", dabei einfühlsam und phantasievoll erzählt. Hat mir sehr gefallen. Nach diesem Buch gibt es übrigens auch einen Film, und den kenne ich sogar. Fand ihn nicht schlecht - Genaueres kann ich nicht mehr sagen.


    Wer Antonia Byatt grundsätzlich mag, aber vor dem enormen Umfang und der Intellektualität von "Besessen" zurückscheut, dem kann man "Morphus Eugenia" auf jeden Fall empfehlen.


    lG Zefira

    Ein Einwurf, der vielleicht hier und jetzt nicht ganz passt, aber sein muss: Ich war lange nicht mehr hier und habe leider nicht mitgekriegt, dass hier Zola gelesen wird.


    Vielleicht darf ich bei der Gelegenheit vorschlagen (es sind ja wohl noch einige hier, die sich noch weiter mit Zola beschäftigen wollen), dass sich eine Gruppe zum Lesen des "Totschlägers" zusammenfindet?


    Sorry, wenn ich jetzt Bekanntes aufkoche, ich habe nicht alle Threads zu Nana gelesen. "Der Totschläger" behandelt das Leben von Nanas Eltern in Paris und schließt Nanas Kindheit und Jugend mit ein.


    Ich habe den Totschläger vor Nana gelesen (der Totschläger war mein erster Zola) und hatte daher einen beeinflussten Zugang zu Nana. Mit hat sie von Anfang an nur Leid getan; ich empfinde ihr ganzes Verhalten als Überreaktion aus dem Wunsch heraus, nicht das gleiche Leben führen zu müssen wie ihre Eltern.


    Ich hoffe, bald hier wieder eine Zola-Diskussion vorzufinden, bei der ich gleich von Anfang mitmachen kann ...


    Gruß an alle Zola-Fans
    Zefira


    ps. eine Bemerkung noch zum Verhütungsthema, das hier angesprochen wurde. Zola hat neben der Rougon-Maquart-Reihe auch einige Romane geschrieben, bei denen die propagandistische Absicht extrem durchschimmert, leider oft sehr auf Kosten der Lesefreude. Ein solcher Fall ist der Roman "Fruchtbarkeit", der praktisch kein anderes Thema hat als Befruchtung und Verhütung. Soweit ich mich erinnere, erwähnt der Autor darin nur eine einzige Verhütungsmethode, nämliche das "Unterschlagen", womit er wohl Interruptus meint.


    pps. "Germinal", auch aus der Rougon-Maquart-Reihe, ist auch seeeeehr lesenswert!!!

    Gestern Abend habe ich mir mit meinen Töchtern die Verfilmung von Clive Donner angeschaut. Das hat mich angeregt, bis in die Nacht hinein noch einmal in der Geschichte zu schmökern.


    Dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen, die mir beim ersten Lesen - vor vielen, vielen Jahren - nicht so bemerkenswert vorkamen. Das erste die Natur von Scrooges Verwandlung. Es wurde hier ja mehrmals angesprochen, dass eine so vollkommene Veränderung über Nacht eigentlich unglaublich ist - Scrooge wird vom Geizkragen zum großzügigen Menschenfreund. Noch ungewöhnlicher aber finde ich seine Verwandlung vom Muffelkopf zum Komiker: Er hat gleich nach dem Aufstehen eine ganze Kette von "köstlichen Lachanfällen".


    Was findet Scrooge denn so komisch? Seine nächtlichen Erlebnisse sollten nachdenklich machen, betroffen - aber nicht so übersprudelnd lustig, sollte man eigentlich meinen.


    Der Grund dafür liegt vielleicht in dem anderen Punkt, der mir auffiel: Der "alte" Scrooge war kein schlechter Charakter im engeren Sinn. In Dickens' Büchern gibt es scheußliche Heuchler und Intriganten, man denke nur an Uriah Heep im David Copperfield zum Beispiel. Verglichen damit ist Scrooge harmlos. Wie sein Neffe sagt: Er schadet sich eigentlich selbst am meisten. Der Schlüssel liegt in seinem eigenen Ausspruch, er gönne sich selbst auch keine Weihnachtsfreude, daher sehe er auch keinen Anlass, anderen Menschen eine zu machen.


    Marleys Geist erwähnt, dass der Mensch dazu bestimmt sei, während seines Erdenlebens weite Reisen zu machen (gemeint sind wohl "Gänge in den Schuhen anderer", also Einfühlung und Hilfsbereitschaft), und wenn er sie nicht mache, sondern sich in sein Selbst zurückziehe, müsse er sie nach seinem Tod machen. Dieses Eingesperrtsein in sich selbst ist Scrooges einzige wirkliche Sünde. Nachdem er sie abgelegt hat, empfindet er Freiheit und Glück.


    Herzliche Weihnachtsgrüße an alle,
    Zefira :wave

    Dann gebe ich hier gleich meinen Senf noch mit dazu: In der (zweisprachigen) Ausgabe meiner Jugend war der Titel: "Ein Weihnachtslied in Prosa".


    Mein Vater, der besser Englisch lesen kann als ich, sagte mir einmal, ich solle auf die Sprache achten. Im Original sei die Sprach rhythmisch, ein wenig an ein Lied erinnernd. Kann das einer der Englisch-Leser hier bestätigen?


    Liebe Grüße
    Zefira, die das Buch noch mal suchen geht

    Ich habe, wie schon im Ordner zu "Marleys Geist" erwähnt, das Buch gerade nicht zur Hand, kann mich aber gut erinnern.


    Ich fand schon immer das unterschiedliche Erscheinungsbild der drei Geister faszinierend. Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht scheint in der Blüte des Lebens zu stehen, trägt aber eine verrostete Degenscheide ohne Waffe (ich muss mich da, wie gesagt, auf mein Gedächtnis verlassen).


    Was könnte damit gemeint sein? Vielleicht eine verpasste Chance, ungenutzte Anlagen?


    :gruebel Grüße von Zefira

    Hallo zusammen,


    eines der Lieblingsbücher meiner Jugend war eine zweisprachige Ausgabe des Buches, die linke Seite war englisch und die rechte deutsch. Neulich habe ich das Buch auf dem Speicher meines Vaters gesucht, aber leider nicht mehr finden können.


    Jedenfalls erinnere ich mich an den betreffenden Satz. Er war dort so übersetzt: "Sie haben bestimmt mehr mit meinem Unterleib als mit der Unterwelt zu tun."


    Adventliche Grüße
    Zefira

    Liebe polli, das Referat ist noch in Vorbereitung. Meine Tochter hat aber mit ihrer Gruppe schon schöne Ideen entwickelt: Zu Beginn der Stunde wollen sie an die Mitschülerinnen kleine bunte Zettel austeilen, auf die alle kurz notieren sollen, wie sie sich ihr Eheleben vorstellen. Emmas Realität soll dann auf einer Demowand aus grauer (!) Pappe dargestellt werden. Außerdem wollen sie eine Szene mit verteilten Rollen lesen.


    Für mich ist "Madame Bovary" ein hochaktuelles Buch. Natürlich geht heute niemand mehr so unaufgeklärt in die Ehe, überhaupt wird ja nicht mehr so unbedarft drauslos geheiratet. Unabhängig von dem Thema Ehe geht es aber in diesem Roman auch wieder um das ewige Thema, wie ein belesener, an Kunst und Literatur interessierter Mensch am Zwiespalt zwischen erträumter Kunstwelt und Wirklichkeit leidet. So gesehen ist Emma Bovary eine Schwester Don Quijotes, denn sie erwartet von Leben das, was ihr ihre Romane als "wirkliches Leben" vorspiegeln. Eine ähnliche Erfahrung dürften heutige Teenager machen, wenn sie meinen, ihr Leben müsste so aussehen wie in "Gute Zeiten - schlechte Zeiten", einschließlich ihres eigenen Aussehens und dem ihrer Boyfriends. :-]


    Zum realen Hintergrund von "Madame Bovary" noch eine Anekdote: Flauberts Erstling war ein Roman über eine Heiligenlegende. Nach Niederschrift lud er einige Freunde ein, um ihnen das Werk vorzulesen. Sie fanden das Machwerk allesamt scheußlich, überladen und langweilig. "Schreib doch über etwas Alltägliches!", rieten sie ihm, "zum Beispiel eine Geschichte wie die in der Zeitung da!" Mit der Geschichte in der Zeitung meinten sie eben jene Ehebruchsaffäre, die Du genannt hast.


    lG
    Zefira

    Liebe polli,


    meinen heißen Dank für diesen Beitrag über ein Buch, das seit langer Zeit mein absolutes Lieblingsbuch ist. Ich lese es ungefähr alle zwei Jahre wieder, manchmal öfter.


    Beim ersten Lesen (das muss ungefähr 1991 oder 92 gewesen sein) habe ich - daran erinnere ich mich genau - zu einer Bekannten gesagt, die Hauptperson sei "extrem dumm". Wie Du selbst sagst, man spürt von Anfang an, dass ein so beharrliches Festhalten an einem völlig schiefen Weltbild nur im Unglück enden kann.


    Jetzt, nach x-mal Wiederlesen, bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Mich beeindruckt die Beharrlichkeit, mit der Emma Bovary ihre Traumwelt verteidigt.


    "Madame Bovary" gilt, soweit ich weiß, literaturgeschichtlich als der erste "moderne Roman". Ich glaube, das ist eben wegen dieser verschiedenen Lesemöglichkeiten so. Man kann das Buch als Verteidigung der Heldin wie auch als Anklageschrift gegen sie lesen. Der Autor hat einen - wie soll ich es nennen - changierenden Stil. Man spürt seine innere Beteiligung zwar sehr stark, aber es gibt keine verbindliche Lesart, wie er selbst über seine Heldin denkt. Interessanterweise hat gerade dieser Umstand nachfolgende Schriftstellergenerationen beflügelt. Jean Améry schrieb ein Buch mit dem Titel "Charles Bovary, Landarzt", in dem er darlegt, Flaubert habe Emmas Ehemann keine Gerechtigkeit widerfahren lassen; er sei gar nicht so stupide und langweilig, wie Flaubert ihn darstelle, sondern einfühlsam und liebevoll. Dabei dreht sich Améry natürlich im Kreis, denn Charles' gute Eigenschaften kann er auch nur anhand des Buchs nachweisen, also mit Flauberts Hilfe. Von Dacia Mariani gibt es ein Buch mit dem Titel "Die Wahrheit über Emma B.", in dem die Autorin zu beweisen versucht, dass Flaubert seine Emma gehasst hat und ihr jede nur denkbare Gemeinheit angedichtet hat, um seine eigenen Schwächen als Liebhaber zu bemänteln.


    Bei Mario Vargas Llosa ("Flaubert und Madame Bovary" - man merkt, ich bin eine Besessene) kann man nachlesen, dass Flaubert viereinhalb Jahre an diesem Buch gearbeitet hat, und zwar ununterbrochen. Dass man auf jeder Seite auf stilistische Kabinettstückchen stößt, ist kaum verwunderlich bei dieser Sorgfalt. Meine Tochter bereitet gerade für den Französischunterricht ein Referat über den Roman vor. Anhand unserer französischen Ausgabe (ich kann leider nicht genug Französisch, sie komplett zu lesen) konnte sie mir beweisen, dass Teile der Ballszene im Walzertakt geschrieben sind. Sie hat mir eine halbe Seite vorgelesen. Es ist unglaublich, wozu die Sprache in den Händen eines Meisters fähig ist.


    "Die einzige Art, das Dasein zu ertragen, besteht darin, sich an der Literatur wie in einer ewigen Orgie zu berauschen."
    (Flaubert in einem Brief vom 4.9.1858 )


    Mit Grüßen
    Zefira, die in Heldenanbetung verfällt, sobald der Floh-Bär ins Spiel kommt :anbet

    Ich fand den Vogelmann klasse und habe mich begeistert auf "Die Behandlung" gestürzt - fand den Zweitling aber ziemlich enttäuschend.


    Die Faksimiles am Ende sind natürlich eine Superidee, aber insgesamt hat das Buch nicht die Vielschichtigkeit des Erstlings, vor allem habe ich die vielen Exkurse über Cafferys Freundin und die Bettszenen mit den beiden einfach nicht gemocht.


    Der "Vogelmann" ist für mich aber nach wie vor ein Superthriller. Spannend bis zum Schluss, unzählige falsche Fährten und dazu eine tolle Atmosphäre. Ich fand die Beschreibung von Cafferys Haus und Grundstück (spielt eine wichtige Rolle, da in dieser Umgebung sein kleiner Bruder verschwand, was er immer noch aufzuklären sucht) unheimlich farbig und bildhaft, besonders in dem Kapitel, wo Caffery bei sich zu Hause eine Party gibt.


    lG
    Zefira

    Ich habe eben mit den Suchworten "Perlmanns Schweigen" das Forum durchsucht, weil ich dieses Buch gerade zum zweiten Mal lese.


    Komischerweise stören mich die Längen, die ich beim ersten Lesen vor ca. fünf Jahren zu entdecken meinte, jetzt nicht mehr. Im Gegenteil, ich bin tief beeindruckt von der unglaublichen Genauigkeit der Beobachtung. Mercier beschreibt einen Prozess, den man "Zerfall und Neuorganisation einer Persönlichkeit" nennen könnte, und zwar so akribisch und glaubhaft, als ob er alles selbst erlebt und mitgeschrieben hätte. Ich bin begeistert und werde mir Merciers neues Buch bestimmt auch kaufen.


    Den "KLavierstimmer" kenne ich auch, kann mich aber im Augenblick nur erinnern, dass mir das Buch zwar gefallen hat, aber nicht so gut wie der Perlmann ...


    lG
    Zefira

    Hallo zusammen,


    ich habe Band I und II gelesen, dann aber die Lust verloren. Es war ja weiter oben schon die Rede von "haarsträubenden Handlungssträngen"- ich habe es genauso empfunden. Teil I ging noch, aber im zweiten Band wurden die Unwahrscheinlichkeiten zu Albernheiten, zb dieses Stück Zeitung, das nach der Autopsie aus der Bauchnaht des Toten (ich glaube, es war Ryuji) herausschaut und eine Botschaft vermitteln soll ... das ist doch Geisterbahnniveau.


    Nun hat mir eine Bekannte geraten, auch den dritten Band zu lesen, da würde alles, alles wirklich glaubhaft aufgelöst.


    Ist hier jemand, der das aus eigener Kenntnis bestätigen kann? Ich kann es mir nicht vorstellen, aber wenn es wirklich so sein sollte, lese ich auch den dritten Band noch, denn darauf wäre ich neugierig.


    lG
    Zefira, die sich gern gruselt