Habe ich mich inzwischen mehr in den Roman hineingelesen, oder kann es sein, dass es im zweiten Leseabschnitt noch mal eine deutliche Qualitätssteigerung gibt?? Ab Kapitel 9 kommen mir die Verhaltensweisen der Personen - äh, deutlicher motiviert vor. (Ich wollte nicht sagen "nachvollziehbarer", denn diesen ungeheuerlichen, menschenverachtenden Ego-Trip des Herrn Bürgermeisters kann man wohl kaum nachvollziehen.)
Mittlerweile frage ich mich auch, was Saphira eigentlich an Tam findet. Wie wenig sensibel er ist, zeigt ihre ärgerliche Reaktion während des Gesprächs mit ihm (S. 118 ). Er kommt mir zunehmend durchschnittlich vor, während Christian auch bei mir ein paar Sympathiepunkte gewonnen hat, wahrscheinlich durch seine Opferrolle (Bedrohung durch Tam, Prügel durch den Vater), die die Mitleidshormone der Leser und vor allem der Leserinnen aktiviert ... Kurzum, ich nehme es Saphira nicht wirklich ab, dass sie sich vor Liebe zu Tam verzehrt, aber Christian eher notgedrungen heiraten würde (S. 170). Ich glaube, Saphira wird, obwohl Christians Charakterschwäche auf der Hand liegt, aufgrund ihrer ersten Liebeserfahrung und aufgrund des Kindes, das sie von ihm erwartet, irgendwie innerlich mit ihm verbandelt bleiben.
Am besten, sie schickt beide Männer in die Wüste - bin gespannt, wie die Love-Story weitergeht!
Sehr angerührt hat mich diese ganze Jom-Kippur-Szenerie (S. 173). Erstens fand ich den Übergang zwischen der Romanhandlung und den Erklärungen zum Großen Versöhnungstag äußerst gelungen: gewissermaßen nahtlos-elegant, ganz klasse! Und wie Saphira ihre persönliche Vergebung erlebt, das hat nicht nur über Saphiras Arme einen Schauer geschickt, sondern über meine auch.
Eine Kleinigkeit, die ich vermisst habe: Saphira bedeutet doch dem kleinen Mädchen des Henkers so viel, jedenfalls wird das mehrfach betont. Ich hätte gerne eine Bemerkung dazu, dass Saphira daran zurückdenkt, wie sehr die Kleine beim Abschied geweint hat - oder dass Saphira das Mädchen auch vermisst - oder so ähnlich. Aber vielleicht kommt das ja noch.