Beiträge von MelanieM

    Weiß wird das Brot essen müssen für das er da Korn gelegt hat. Was ich mich frage - sind wir heute wirklich so viel weiter? Wie viele Menschen sind heute noch der Ansicht, dass es einfach nicht gehe mit der Euthanasie aber eigentlich wäre es doch wenn es das noch gäbe für die Betroffenen eine Erleichterung und die armen Eltern. Allein der Gedanke an Sexualität und Down- Syndrom schreckt viele Menschen ab.

    Ja, deshalb war es mir auch so wichtig, die Sexualität reinzubringen und auch den massiven Verlust, den Friederike am Ende spürt. Oftmals wird einem mehr durch den Verlust bewusst, wie wertvoll jemand ist.

    Total schön und rund fand ich, dass das Buch mit den Worten "(...) ihr blieb mehr als die Erinnerung" endet.

    Schon auf S. 273 fielen mal die Worte "mehr als die Erinnerung".

    Wie kam der Titel, den ich wunderbar und absolut passend finde, zustande? Beim Schreiben oder war da vorher schon eine Tendenz in diese Richtung?

    Ja, das war schon der Arbeitstitel und ich probiere dann immer, die Titel auch mal an kleinen versteckten Stellen im Buch einzubauen. Freut mich sehr, dass dir das gefiel.

    Das Thema der Polizeibataillone und der Verbrechen in Polen habe ich in Hafenschwester 3 u.a. als Thema.

    Über Weiß hätte ich, genau wie chiclana, tatsächlich gern mehr erfahren - ich bin da vielleicht etwas extrem, aber für mich ist es gerade bei Büchern mit so schweren Themen extrem wichtig, zu verstehen, wie jeder einzelne gehandelt hat. Das schränkt mich auch bei Krimis häufig stark ein, weil mir "Serienmörder weil böse" einfach zu wenig ist.

    Ja, das ist mir auch zu wenig, wenn Serienmörder einfach "böse" sind.


    Auch wenn ich nicht alles in die Romane schreiben kann, weil es sonst ggf. den Rahmen sprengen würde - Doktor Weiß war jemand, der von seinen Eltern nur Anerkennung für Leistung bekam - er fühlte sich oft hilflos und sehnte sich danach, etwas Besonderes zu sein. Und diese Hilflosigkeit wollte er mit Macht kompensieren. Als Psychiater hat er sich dann den Kranken überlegen gefühlt und wollte ein wenig Gott spielen - um seine eigenen Minderwertigkeitskomplexe zu überspielen. Er hat sich in den Rückblenden ja auch immer an Bernhard herangemacht, weil er eigentlich dessen Zuwendung wollte. Wolfgang war ihm da eher egal. Aber Bernhard hatte viel von dem, was Weiß selbst gern gehabt hätte. Eine intelligente Frau, eine gute Familie, einen Schwiegervater, der eine eigene Klinik betrieb. Dieses Gefühl hat Weiß dann nachher auch dazu gebracht, in Gut Mohlenberg unterzukommen. Und der Versuch, ausgerechnet Bernhard, der jetzt ja so schwer beeinträchtigt war, in seinem Sinne zu manipulieren, hat ihm eine sadistische Genugtuung gegeben. Allerdings war Bernhard am Ende trotz seiner Behinderung noch immer mental stärker. Er hat Weiß doppelt besiegt - geistig, weil es nicht so ganz mit der Manipulation klappte - und auch dadurch, dass Weiß nicht damit durchgekommen ist. Der Schuss, mit dem er Bernhard tötete, tötete Weiß ja im Grunde auch als Charakter. Weil Bernhard verantwortungsvoll mit seinem Pferd umgegangen ist, das von den Granatangriffen traumatisiert war und es nach Hause schickte, konnte es nur dazu kommen, dass das Pferd dann nach dem Schuss durchdrehte und Weiß den Schädel eingetreten hat. Somit hat Weiß geerntet, was er gesät hat - aber vorher leider sehr viel Unheil über andere Menschen gebracht, weil ihm Menschenleben nichts wert waren. Das waren nur Mittel zum Zweck. Er hat als narzisstisch missbrauchtes Kind, das die Eltern nicht um seiner selbst willen liebten, nie Empathie mit anderen gelernt. Bernhard hatte davon hingegen sehr viel und die steckte so tief in ihm, dass sie auch blieb, als er alles andere verloren hatte.

    Ich habe übrigens in einem anderen Roman - Die verstummte Liebe - das Experiment gemacht, wie aus einer total liebenswerten, netten, sympathischen Frau eine verbitterte und ungerechte alte Frau wird. Das ist bei den meisten gut angekommen, aber einige Leserinnen fanden es blöd, dass die Heldin am Ende so unsympathisch geworden ist.

    Bei Dr. Weiß hätte mich noch interessiert, warum er von seinen Forschungen so besessen war bzw. wie er überhaupt auf sein Forschungsthema kam. Viktors Erzählung von dem Abend mit Dr. Weiß in der Kneipe fand ich gelungen und nachvollziehbar.

    Das Problem ist, dass es bei der Perspektive von Friederike nicht möglich war, die Geschichte von Weiß und seine Entwicklung näher darzustellen. Das hätte dann den Rahmen gesprengt, denn dann hätte ich viel mehr seiner Jugend etc. erklären müssen, aber die Infos hatte ja niemand in Friederikes Umfeld.

    Woher das bei Doktor Weiß kam kann ich aus der Geschichte heraus nicht erkennen.


    Bei Viktor Brunner war es wohl so, dass er dazu gemacht wurde, zuerst durch seinen Vater und dann noch durch Dr. Weiß.

    Woher es bei Dr. Weiß kam, bleibt offen - aber er hat eindeutig auch narzisstische Züge, also kann man davon ausgehen, dass er von seiner Familie nur Anerkennung bekommen hat, wenn er etwas Besonderes geleistet hat und nicht um seiner Selbst willen.

    Bernhard und Viktor sind perfekte Beispiele was die Kindheit für einen Einfluss hat. Bernhard ist wohl immer wohlwollend behandelt worden, wurde wohl auch in der Familie geliebt und später auch von Friederike. Er nimmt die Leute so wie sie sind, so wie er es auch selbst erlebt hat.


    Viktor ist als Mensch nie geliebt worden, nur missbraucht. Da gibt es kein Selbstbewusstsein und damit wird er auch beeinflussbar. Und er hat ja auch nur gelernt, dass man andere Menschen benutzt, Juliane als Mensch hat er doch gar nicht wahrgenommen, nur als jemand, der weiter unten in der Hackordnung des Lebens steht.

    In der Firma dieser Familie möchte ich auch nicht arbeiten müssen...

    Ja, genauso ist. Vermutlich hat die Firma Brunner dann auch später auf billigere Arbeitskräfte umgestellt - was heute die Inder im Callcenter sind, waren dann im 2.WK die Zwangsarbeiter, die man "Fremdarbeiter" nannte.

    Was ich ja sehr interessant war, dass Bernhard sofort von jeglicher Mitschuld frei gesprochen wurde. Da sieht man mal, wie sehr auch der gesellschaftliche Stand die Ermittlungen beeinflusst. Bei Kuno ist gar nicht groß nachgedacht worden, der perfekte Verdächtige und am Ende interessiert es nur sehr wenige, was mit ihm passiert. Da Bernhard immer freundlich aufgetreten ist, wird ihm gar nicht zugetraut, dass er da irgendeinen bösen Gedanken gehabt haben könnte. Gut, die Angreifer haben ihn auch beide sehr unterschätzt, weil sie dachten der ist nicht ganz richtig im Kopf. Interessant, dass da der Körper auch einfach mit erlernten Routinen reagiert und Bernhard damit zum ernsthaften und unschlagbaren Gegner wird.

    Ja, das ist eben auch typisch - Bernhard war auch für die Dorfbewohner kein gefährlicher Irrer, sondern ein kriegsbeschädigter Held, mit dem man eher Mitleid haben müsste. Natürlich kann so etwas auch nach hinten losgehen, wenn der sympathische Mann von nebenan ein Serienmörder ist, aber Bernhard kannten sie schon vorher und auch danach. Man mochte ihn.


    Zu den Routinen - ich habe als Kind immer wieder den Zauberwürfel gelöst. Als ich vor ein paar Jahren beim Aufräumen den alten Zauberwürfel wieder fand, hatte ich die Lösung vergessen. Wenn ich darüber nachdachte, ging es nicht mehr. Aber als ich ihn dann einfach ohne nachzudenken in die Hand nahm, funktionierte es - das motorische Gedächtnis beherrschte die Drehungen von vor über 30 Jahren noch, während ich sie im bewussten Gedächtnis vergessen hatte und nicht mehr hätte aufschreiben können.



    Ein Glück, dass er sich dabei aber seine Integrität erhalten hat und Gut und Böse immer noch unterscheiden kann. Sonst wäre er die perfekte Mordmaschine für Weiß gewesen.

    Darauf hatte Weiß ja auch gehofft. Und bei Viktor hatte er - weil der eben kein so integrer Mann wie Bernhard war, mit seinen Manipulationen mehr Erfolg. Viktor hatte nie den Unterschied von menschlich richtig und falsch als Kind lernen können, weil er ständig missbraucht wurde und nur gelernt hatte, Gewalt weiterzugeben.

    Bernhard hatte als Charakter verinnerlicht, was richtig und was falsch ist. Und deshalb war er zwar in bestimmten Situationen manipulierbar, aber er wollte immer nur das Richtige tun. Da er aber eingeschränkt war, konnte er in den Notwehrsituationen nur noch instinktiv nach dem motorischen Gedächtnis handeln.

    Weiß fand ich sehr unangenehm und er hätte bei den Nazis echt Karriere machen können. Dank deinem Spoiler wissen wir ja nun auch, wie es mit ihm zu Ende gehen wird. Wobei ich da keine Genugtuung empfinden kann.

    Das ist ja auch korrekt so - es ist gruselig, was die Nazis getan haben. Aber es zeigt, dass sie eben auch vor Sinnesgenossen nicht zurückgeschreckt haben, wenn die unbrauchbar wurden.

    Zur Frage der Strafe - ja, er bekommt nichts mehr davon mit. Aber immerhin kann er auch kein Unheil mehr anrichten.

    Ich finde sowas als Kunde schrecklich. Ich möchte da jemand kompetenten sitzen haben, der mir meine Fragen beantwortet und nicht jemanden der mir Antworten gibt, die ich schon selber herausgefunden habe. In letzter Zeit häuft sich das meiner Meinung nach. Ich habe mir vermehrt seit Corona selber helfen müssen, weil der Mensch an der Hotline überfragt war. Ich rufe bei Hotlines schon gar nicht mehr an.

    Das geht jetzt zwar OT - aber das war u.a. auch ein Grund, warum Amazon so groß ins Geschäft kam. Der Kundenservice ist gut. Als ich mein erstes Hörbuch bei Audible hatte und nicht wusste, wie ich das runterladen kann, da ich keinen Mp3-Player hatte, hat mir das ein Mitarbeiter der Hotline geduldig erklärt, blieb sogar am Apparat, während ich die richtigen Programme runterlud und hat mir alles ganz genau erklärt. Auch bei anderen Fragen waren die immer kompetent und haben sich Zeit gelassen. Bei anderen Firmen hatte man da sehr oft desinteressierte Call-Center-Mitarbeiter am Telefon, die noch weniger Ahnung hatten als man selbst.

    Ich fand alles schlüssig, nur Walter hatte mir am Ende zu wenig Präsenz. Er muss ja auch unter Bernhards Tod gelitten haben, er war ja schließlich sein Freund.

    Ja, allerdings war die Geschichte ja aus Friederikes Perspektive - und die hatte am Ende überwiegend ihr eigenes Leid im Blick. Walter war zudem ein Mann aus jener Generation, die ihre Trauer nicht so offensiv ausgelebt haben.

    Aber mich belastet es durchaus, dass ich von meinem Arbeitgeber eigentlich dauernd gesagt bekomme, dass meine Arbeit das Geld, das sie mir zahlen nicht wert ist und die Kollegen in Indien die gleiche Arbeit ja für ein fünftel des Geldes machen würden. Dass da dauernd von uns nachgearbeitet wird wird dann immer geflissentlich übersehen.... So wie ich das mitbekomme wird überall immer nur drüber gejammert, wie teuer Arbeitskräfte doch sind, aber die Arbeit die sie dafür leisten wird nicht wertgeschätzt.

    Ja, das ist ein Problem, allerdings reguliert der Markt das dann auch auf eine andere Weise. Firmen, die so mit ihren Mitarbeitern umgehen, verlieren dadurch irgendwann auch alle guten Mitarbeiter, wenn die die Nase voll haben und der Markt etwas Besseres her gibt. Und wenn vorgerechnet wird, dass andere Arbeitnehmer billiger wären, weiß man schon, dass die Gesamtrechnung nicht stimmt, denn sonst würden sie die ja einstellen. Es geht dabei eher um ein gegenseitiges Ausspielen.


    Ich habe mal in einer Reha-Klinik gearbeitet, als Ärztestellen noch knapp waren. Die haben die Löhne massiv gedrückt. Auf die Frage nach einer Gehaltserhöhung hieß es, das könne sich die Klinik nicht leisten.

    Als der Arbeitsmarkt besser wurde, sind die ganzen guten Leute gegangen. Ich habe dann auch einen Job gefunden, bei dem ich gleich 1200 Euro mehr hatte und der noch dazu in Hamburg war, während ich zu der anderen Klinik nach Bad Bevensen pendeln musste (deshalb kenne ich die Gegend um die Lüneburger Heide auch so gut) und jeden Monat von dem niedrigen Gehalt noch 220 Euro für die Monatskarte draufgingen.


    Ich habe dann später erfahren, dass sie meine Stelle länger als ein halbes Jahr nicht nachbesetzen konnten und dann bekamen sie auch bloß einen Russlanddeutschen, der kaum Deutsch sprach und deshalb bereit war, für so wenig Geld zu arbeiten. Das war natürlich ein Problem, weil man in einer psychotherapeutischen Klinik Ärzte braucht, die mit ihren Patienten reden können ... Und wenn jemand kaum Deutsch kann und denkt, das kann er bei der Arbeit lernen, dann mag das vielleicht für einen Chirurgen funktionieren, aber nicht für einen Psychotherapeuten.


    Der Geschäftsführer der Klinik wurde letztlich auch "gegangen" - weil er den Laden beinahe an die Wand gefahren hätte, indem er am falschen Ende gespart hat. Gute Mitarbeiter sind schließlich das Kapitel einer Firma. Man sieht ja in Großbritannien, was da nach dem Brexit passiert ...

    Wobei das eine Entstellung ist, die vertraute Personen vermutlich irgendwann nicht mehr wahrnehmen. Solange die Form noch stimmt...

    Das ist bei Walter auch so. Irgendwann nimmt es sein Umfeld nicht mehr wahr.


    Dass der Fotograf ungefragt ein Foto deiner Tochter retuschiert, finde ich auch unverschämt. So als wäre ein Feuermal ein Mangel, den man entfernen muss. Ob er das bei Gorbatschow auch gemacht hätte?

    Mich wundert es ein wenig, dass niemand die hellen Bartschatten zu seinen dunkel gefärbten Haaren auffallen.

    Auf der verbrannten Seite wächst nichts mehr. Und wenn er sich regelmäßig rasiert, fällt der Bartschatten auch nicht auf. Ich habe hier mal einen Artikel über ein kleines Mädchen, dem das ganze Gesicht verbrannt ist und das zur OP nach Deutschland gebracht wurde. Ungefähr so wie bei ihr das ganze Gesicht muss man sich bei Wolfgang das halbe Gesicht vorstellen. https://www.hna.de/politik/neues-gesicht-maryam-1140951.html

    Auf Seite 113 fehlen bei mir im 1. Satz im unteren Abschnitt "Langenhagen lag etwas außerhalb..." komplett alle Leerzeichen.

    Oh, ja das stimmt! Das ist ein Satzfehler vom Verlag, im Manuskript und in der Ebookversion ist das nicht der Fall gewesen. Das ist nur in der Druckversion so. Dann werde ich das mal an den Verlag weiterleiten.

    Ich bin auch furchtbar traurig über das Ende, aber ich verstehe die Erläuterungen und sehe sie auch ein, aber ich finde es trotzdem blöd

    Eine Testleserin hat regelrecht gefleht, dass ich Bernhard am Leben lassen solle, weil er bestimmt ein guter Vater geworden wäre. Ja, wäre er. Aber dieser Schockmoment war wichtig, auch wenn mir das Schreiben wahnsinnig schwer gefallen ist, weil ich Bernhard wirklich gern mag.

    Ich freue mich, dass es so eine gesellige Leserunde mit vielen Beiträgen ist. Ich muss morgen auch noch alle Beiträge nachlesen, die ich heute verpasst habe. Ich konnte einfach nicht anders als immer weiter zu lesen und nur meinen Eindruck schreiben.

    Ich finde diese Leserunde auch sehr schön und sehr lebendig.

    Das Buch habe ich dann direkt mal an mehrere Leute weiter empfohlen.

    Vielen Dank!