Doktor Hellmer war ihrem Blick
gefolgt.
„Das Schwimmbecken haben wir uns
gegönnt, nachdem die Kinder zu groß für die Schaukel und die Sandkiste waren.
An warmen Sommertagen ein nicht zu unterschätzender Luxus.“
„Das glaube ich gern“, sagte
Friederike. „Auf Gut Mohlenberg haben wir es dafür nicht weit zu einem kleinen
See, in dem man ebenfalls sehr schön schwimmen kann.“
„Ein Badesee ist natürlich viel
besser. Vor allem muss man da im Herbst nicht ständig das Laub rausfischen.“
Doktor Hellmer grinste.
Dann führte er sie auf die
Terrasse.
„Meine Lieben, darf ich euch Frau
Doktor von Aalen und ihre Tochter Charlotte, eine versierte Anwältin,
vorstellen?“
Die Anwesenden erhoben sich unter
einigem Stimmengemurmel, sodass Doktor Hellmer sich bemüßigt fühlte, sie nacheinander
vorzustellen.
„Meine Frau Paula, ebenfalls eine
Kollegin“, stellte er die Frau vor, die ihnen am nächsten stand.
„Ich freue mich, Sie endlich
persönlich kennenzulernen, Frau von Aalen“, sagte Paula. „Richard hat mir schon
viel von Ihnen erzählt.“ Paula Hellmer trug eine modische Kurzhaarfrisur und
ein hellgelbes Sommerkleid, das ihr trotz ihres Alters von über fünfzig eine
gewisse jugendliche Frische verlieh.
„Die Freude liegt ganz bei mir.“ Friederike
schüttelte Paulas Hand.
„Ich habe auch schon viel von
Ihnen gehört und Ihrem Einsatz für psychisch Kranke im Krieg.“
Nach und nach stellte Richard
Hellmer ihnen die übrigen Anwesenden vor. Richards Tochter Emilia, die kurz vor
Abschluss ihres Medizinstudiums stand, seinen gehörlosen Sohn Georg und dessen
ebenfalls gehörlose Frau Susanne sowie ihren zehn Monate alten Sohn Michael, der
im Gegensatz zu seinen Eltern hören konnte.
Am Grill stand Professor Fritz Ellerweg.
„Ich darf hier immer das Zepter in Form der Grillzange schwingen, weil die
Anwesenden meinen, als Chirurg hätte ich ein besonderes Händchen dafür“, sagte
er mit blitzenden Augen. „Keine Ahnung, wie die darauf kommen, ich muss hier ja
nicht mal was filetieren, es ist ja schon alles fertig.“ Er wies auf den Tisch,
auf dem die Würstchen und Karbonaden darauf warteten, endlich auf den Rost
gelegt zu werden. Friederike fiel auf, dass Dackel Theo inzwischen unter dem
Tisch lauerte, ganz so, als hoffe er, dass irgendetwas zu Boden fallen könnte.
„Stell dein Licht nicht unter den
Scheffel“, sagte eine attraktive Brünette, die Friederike auf Mitte vierzig
schätzte. „Immerhin würzt du das Fleisch vorher höchstpersönlich. Das ist so
ähnlich wie eine medizinische Verordnung.“
„Ja, aber eher Dermatologie,
wegen der Einreibungen, oder? Das könnte ja auch jeder andere machen.“
„Aber nicht so gut wie du.“ Sie
lächelte ihn liebevoll an. „Ich bin Julia“, stellte sie sich dann vor. „Fritz‘
Frau. Und außerdem gern unkonventionell. Sie können mich gern Julia nennen,
wenn wir hier schon gemeinsam essen.“
„Sehr gern“, sagte Friederike. „Aber
nur, wenn Sie mich im Gegenzug Friederike nennen. Sie sind auch Chirurgin, habe
ich gehört?“
„Oh, Sie haben von mir gehört?“
„Bei den wenigen Chirurginnen,
die es in Hamburg gibt, bleibt das nicht aus.“
Dann stellte Julia ihnen noch die
Kinder vor, den zwanzigjährigen Harri, die siebzehnjährige Henrieke und die
elfjährige Leni. „Wir sind eine klassische zusammengewürfelte Kriegsfamilie“,
sagte sie dabei. „Im Grunde haben wir aus den Resten von drei Familien eine
neue gemacht. Und der Herr dort gehört irgendwie auch noch dazu.“ Sie wies auf
einen Mann um die vierzig, der etwas am Rand stand. „Stellst du dich selbst vor
oder soll ich das machen?“ Julia stupste ihn leicht an.
„Ich bin Thomas Mitchell, Fritz‘
Halbbruder“, sagte er mit unverkennbar britischem Akzent und schüttelte
Friederike die Hand. „Und Sie können auch gern Thomas zu mir sagen.“
„Sie sind Engländer?“, fragte
Charlotte, während sie ihm ebenfalls die Hand reichte.
Thomas nickte. „Ich kann es nicht
verleugnen, so sehr ich auch an meiner Aussprache arbeite. Fritz hatte es da
leichter, der ist zweisprachig aufgewachsen und beherrscht beide Sprachen
perfekt.“
„Wie kommt denn ein Engländer
Ihres Alters zu einem deutschen Halbbruder?“, fragte Charlotte.
Friederike bemerkte sofort, dass
dieser Mann ihrer Tochter gefiel, mit seinem dunkelbraunen Haar und dem kleinen
Schnurbart, der an Charlottes Lieblingsschauspieler Errol Flynn erinnerte.
„Das ist eine sehr lange
Geschichte, dafür reicht ein Grillnachmittag nicht aus.“ Thomas grinste.
„Und Sie leben hier?“
„Nein, ich bin nur zu Besuch, um
meinen Neffen moralisch zu unterstützen.“ Er zwinkerte Harri zu, der die Augen
verdrehte. Hier schien es anscheinend einige komplizierte Geschichten zu geben.
„Jetzt nehmen Sie erstmal Platz“,
sagte Fritz. „Die Kohle ist durchgeglüht, wir können mit den Würstchen
anfangen, die sind am schnellsten gar. Außerdem gibt es Kartoffelsalat und
Zwiebelbrot. Getränke stehen dort hinten.“ Er wies auf einen kleinen Tisch im
Schatten, auf dem Bierflaschen, Wasserflaschen, weiße und gelbe Limonade und
sogar zwei Flaschen Coca Cola standen.