Ich kann beim besten Willen kein Mitleid für Isabell und Michel empfinden. Mein Kopf schreit „Tja, selbst schuld! Das musste ja so kommen!“ und gleichzeitig bin ich sauer, weil der ach so vernünftige und erwachsene Michel, der die Gildenprobleme mit Köpfchen, anstatt mit der Faust zu lösen versucht, mit seinen unbedachten und blauäugigen Handlungen nicht nur sein Leben und das von Isabell aufs Spiel setzt, sondern auch alles, was er mit der Gilde erreicht hat, zerstört. Und für Jean hoffe ich fast, dass er nicht mehr vom Kreuzzug zurück kommt, um sehen zu müssen, dass sein Bruder es in nur wenigen Monaten seiner Abwesenheit geschafft hat das Familienunternehmen, dass der Vater mühsam aufgebaut hat, komplett zu ruinieren.
Das ärgert mich ungemein. Michel ist jung, meinetwegen, aber ich bin allergisch gegen diese Liebeskrankheit, die die Menschen wider jede Vernunft handeln lässt. Ich würde das Kerlchem am liebsten fragen, warum er sein ach so schlaues Köpfchen nicht benutzt hat, um das Ganze vorherzusehen. Dabei lag es doch auf der Hand. Es MUSSTE so kommen. [ich schätze, Michel hat nicht genügend Soaps geguckt und Liebeswälzer gelesen, sonst hätte er gewusst, dass so was immer böse endet…].
Zitat
Original von Macska
Wieso naiv? Sicherlich war beiden bewusst das die ganze Sache früher oder später auffliegen wird. Aber sie haben es in Kauf genommen. Nenne mich vielleicht naiv, aber das nenne ich wirklich wahre Liebe.
Ich nenne so etwas Dummheit. Lieben wider jede Vernunft ist nicht romantisch, wenn sie das Leben meiner Familie, meiner Freunde, meiner Mitarbeiter/Geschäftspartner und vor allen Dingen auch das meiner großen Liebe selbst zerstören kann. Michels Verhalten ist kindisch. „Mir ist egal, was mit allen anderen passiert, Hauptsache ich kann mit der Frau schlafen, die ich begehre.“ Und mal ehrlich: das strafbare ist ja der Beischlaf, nicht, dass Michel Isabell liebt.
Also nein: wahre Liebe heißt für mich auch zu erkennen, wenn etwas nicht funktionieren kann.
Solange du nur dein eigenes Leben aufs Spiel setzt geht das Ganze ja in Ordnung, aber in Michels Fall wusste er, dass eine Entdeckung nicht nur in selbst in Verruf bringt, sondern Isabells Leben zerstört, die Gilde, sein Familiengeschäft usw. Das fällt für mich in die Sparte „selbstsüchtig“. Hauptsache Michel hat sein Glück mit Isabell, was aus allen anderen wird, ist nebensächlich.
Das ärgert mich ähnlich wie Selbstmörder, die sich vor ein Auto werfen oder von einer Brücke stürzen müssen. Es ist dein Leben, also tu damit, was du willst, aber musst du dabei das Leben anderer Personen in Gefahr bringen? Auf einem Auto mit Kindern landen, die sich niemals wieder von diesem Trauma erholen werden? Einen Unfall verursachen, der einer vierfachen Mutter das Leben kostet?
Leben, Lieben und Sterben ohne Rücksicht auf Verluste… ne, da hört mein Verständnis schlichtweg auf.
Ich würde in dieser Sache auch nicht Gaspard die Schuld geben. Ich denke, wenn er vor Isabells Ehemann von der Affäre erfahren hätte, hätte er die Sache anders gelöst, um das Ansehen seiner Schwester nicht zu beschmutzen. Er hätte sie vielleicht fort geschickt oder sie eingesperrt, aber ich glaube nicht, dass er sie [und auch sich selbst und seine Familie] der Lächerlichkeit eines Prozesses Preis gegeben hätte.
Ich fand auch nicht, dass es für die Verhandlung eine Rolle gespielt hätte, wer Isabell und Michel verraten hat. Sicher, in diesem Fall war es eine eingefädelte Sache, aber auf kurz oder lang wäre das Ganze doch so oder so ans Licht gekommen. Wenn sich zwei Menschen regelmäßig aus der Stadt schleichen, fällt das irgendwann dem einen oder anderen auf. Das kann man gar nicht dauerhaft geheim halten. In diesem Punkt stimme ich Ullman zu.
Wenn ich einen Mord begehe und die Polizei einen anonymen Tipp erhält, dass ich das Verbrechen begangen habe, ist es ja auch nebensächlich, wer der Tippgeber ist. Das Verbrechen habe ja ich begangen und nicht er. Prinzipiell könnte er ja gute Gründe haben, warum er anonym bleiben will. Vielleicht soll seine Frau nicht erfahren, dass er in der Nacht, in der er angeblich einen Geschäftstermin am anderen Ende der Stadt hatte, ausgerechnet in der Nähe der Wohnung seiner Sekretärin gewesen ist.
Wie gesagt: in diesem Fall war die Sache eingefädelt, aber dass Michel und Isabell von einem Spion verraten wurden und nicht von einem normalen Bürger der Stadt ändert nichts an der Schwerer ihrer Tat. Niemand hat sie gezwungen Ehebruch zu begehen, auch nicht Ullman.
Ich habe Gaspard für die Zwangsheirat von Isabell allerdings gehasst. Es war ein Schachzug, der kindischer nicht hätte sein können. Lieber der Schwester schaden, damit man dem bösen Michel dann die Zunge rausstrecken und hämisch „Haha, du kriegst sie nicht!“ ins Gesicht lachen kann.
Allerdings fand ich, dass seine Reaktion, als er vom Verhältnis von Isabell und Michel erfuhr, durchaus verständlich und auch berechtigt war [für die damalige Zeit]. Ehebruch war damals eine schwerwiegende Sünde und ich kann verstehen, warum er ausrastet. Das Ganze steht schließlich in keinem Verhältnis zu den Konsequenzen, die ein ähnliches Verhalten heutzutage mit sich brächte.
Ich denke aber, dass Gaspard seit der Urteilsverkündung nicht mehr vorrangig aus Hass auf Michel handelt. Schließlich ist der ja inzwischen „besiegt“. Ich glaube, dass es Gaspard inzwischen wirklich größtenteils darum geht, die Ehre seiner Familie wiederherzustellen und für Isabell eine der wenigen Möglichkeiten auszuschöpfen, die es noch für sie gibt. Dass sie nicht in Varennes bleiben kann, liegt auf der Hand, besonders jetzt, wo sie auch noch schwanger ist.
Was mich bezüglich der Gilde wundert: warum haben Michels Freunde ihre Stimmen nicht Gaspard gegeben, wenn sie doch wussten, dass die Alternative nur darin bestand, dass sich Géroux und er bekriegen und dabei die Gilde aufgelöst wird? Wäre Gaspard als Gildenmeister nicht das kleinere Übel gewesen? Wenn alle jene, die für Pierre gestimmt hätten, zu Gaspard übergelaufen wären, hätte dieser die einfache Mehrheit doch gehabt [5+4 und nein mussten es ja sein, wenn ich mich nicht irre].
So, jetzt hab ich mir alle Sorgen und den Ärger von der Seele geschrieben.