Ich habe das Gefühl, man WILL mich einfach nicht verstehen.
Erst einmal: Spar dir bitte den Spott und den Zynismus. Ich bin ein Mensch, mit dem man bestens in einem normalen Tonfall schreiben kann.
Denn soweit ich das beurteilen kann, ist das hier eine Diskussion, in der man seinen Standpunkt versucht verständlich zu machen und kein Boxkampf, wo es darum geht, den anderen in die Erde zu rammen.
Das mit dem homosexuellen Thema war ein Beispiel. Scheinbar nicht das allerbeste, weil es im Kern erschlagen und auf den Kopf gedreht worden ist. Aber gut. Meinetwegen.
Es geht nicht darum, dass ich IRGENDWEM verbieten will an die Öffentlichkeit zu gehen, ganz und gar nicht. Das sei jedem frei gestattet, der es tun will. ABER das was wir im Moment in den Medien sehen, hat absolut nichts mehr damit zu tun. Das Zugunglück hier bei mir in der Nähe, bei dem fast ein Dutzend Leute gestorben sind, darunter Jugendliche, eine frischgebackene Mutter, die zu ihrem Frühchen ins Krankenhaus wollte usw hat in den Zeitungen hierzulande ein paar Tage lang vielleicht 5-10 Seiten beschlagnahmt.
Die Missbrauchsfälle stehen seid Wochen in den Medien und erst vor ein paar Tagen habe ich durch eine unserer Wochenzeitungen geblättert und da waren 20 geschlagene Seiten über Missbrauch in der Kirche. Das zweite Mal bei dieser Zeitung in Folge und das ist kein Einzelfall. Da frage ich mich wirklich, wer hier die Prioritäten wie verteilt.
Wenn ein Unglück, das erst wenige Tage her ist und Todesopfer gefordert hat, weniger Beachtung bekommt, als Missbrauchsfälle, die vor 40 oder 50 Jahren stattfanden, dann finde ich das bedenklich. Dann ist für mich das Maß des Normalen überschritten. Das hat nichts mehr mit der Informationsthematik der Medien zu tun. Das geht in Richtung Hetze.
Und ich will dabei NICHT sagen, dass die Thematik des Missbrauchs nicht relevant ist. Sowohl innerhalb der Kirche, als auch außerhalb ist das ein Thema, das uns alle angeht und vor dem niemand die Augen verschließen sollte.
Aber es gibt eine Art damit umzugehen, die in Ordnung ist und eine, die einfach "zu viel des Guten" ist. Und das fängt bei mir dann an, wenn jeder katholische Geistliche Panik schiebt, obwohl er sich nicht das Geringste hat zu schulden kommen lassen, nur weil die Eltern plötzlich ihre Kinder nicht mehr ins Ministrantenlager oder auf den Ausflug fahren lassen oder sie schief von der Seite angesehen werden.
Ebenso stelle ich mir das auch für ehemalige Internatsschüler vor, die früher einmal auf einer kirchlichen Einrichtung waren. Egal ob sie nun betroffen waren oder nicht, die Möglichkeit steht doch bei jedem im Raum, der einmal dort gewesen ist.
Genauso wie mein Freund also fürchtet, dass irgendjemand hinter sein Geheimnis kommen könnte (unabhängig davon, dass er tatsächlich homosexuell ist und somit ein Verdacht durchaus der Wahrheit entsprechen würde), kann das doch sicher auch für Opfer des Missbrauchs, bzw. andere ehemalige Schüler der Fall sein, unabhängig davon, ob sie betroffen sind oder nicht.
Es geht also nicht darum, dass irgendjemandem das Recht abgesprochen wird sich zu outen (als Missbrauchsopfer/Homosexueller/was auch immer), sondern dass ihm das Recht gelassen wird, es eben nicht zu tun. Bzw. die Möglichkeit zu besitzen eine Entscheidung in Ruhe und für sich selbst zu treffen, ohne dabei alle Welt im Nacken zu haben.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für jedes Missbrauchsopfer angenehm ist, ausgeschmückte Erfahrungsberichte von irgendwem in den Medien vorgesetzt zu bekommen. Genauso wie mein Freund sich oftmals des Gefühls nicht erwehren kann, man sehe ihm direkt an dass diese Thematik, die eben über den Bildschirm flimmert, ihn betrifft, kann das doch auch für ein Missbrauchsopfer so sein, besonders da inzwischen ja jederman darüber zu reden scheint. Man kann diesen Nachrichten mittlerweise gar nicht mehr aus dem Weg gehen.
Wenn man also den Opfern das Recht zuspricht sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, sollten sie ebenso das Recht haben, der Öffentlichkeit fern zu bleiben.
ZitatUnd das werden wohl auch die allermeisten sein. Dass einige sich in ihrer Befindlichkeit gestört fühlen, wenn andere an die Öffentlichkeit gehen, sollte aber kein Redeverbot für alle bedeuten.
Dass es die "allermeisten" sind, bezweifle ich. Wie überall dürften auch im Falle des Missbrauches die Dunkelziffern deutlich höher sein, als die Zahl der bekannten Fälle. Und sicher, es mag auf deine Patienten durchaus zu einem hohen Prozentsatz zutreffen, aber da sie bereits den Schritt gemacht haben, zu dir zu kommen, sind sie deutlich weiter, als die meisten anderen es sein dürften.
ZitatDie Katholische Kirche ist verantwortlich dafür, wie sie als Institution mit den Missbrauchsfällen umgegangen ist. Einige Leute werden sich dafür entscheiden, dass sie kein Mitglied einer Institution mehr sein wollen, die so mit Missbrauchsfällen umgeht und andere entscheiden sich anders.
Wer genau streitet denn ab, dass Geistliche der Kirche Schuld sind?
Aber wer genau grenzt ab, wer schuldig ist und wer nicht? Es steht keinem Täter auf die Stirn geschrieben, also wird auf Gut Glück das Gesamtpacket verteufelt. Es werden Unschuldige an den Pranger gestellt, basierend auf der Tatsache, dass sie Geistliche der katholischen Kirche sind. Das finde ich überaus gefährlich und ebenso nicht gerechtfertigt.
Es geht darum zu sagen, dass der und der Geistliche Kinder missbraucht hat und dass der Papst + sein Berater (bzw. der vorherige Papst usw) viele Fälle unter den Tisch gekehrt haben, bzw. es gerne machen würden.
Aber es kann nicht sein, dass die KATHOLISCHE KIRCHE beschuldigt wird, Kinder zu missbrauchen und die Geschehnisse unter den Tisch zu kehren.
Genausowenig wie für den Holocaust bestimmte Personen verantwortlich sind und nicht "die Deutschen". Ich denke, darauf legt doch auch jeder Wert. Wieso also ist man nicht bereit, bei der katholischen Kirche dasselbe zu tun. Warum grenzt man die Täter nicht von den anderen 1,2 Millionen Ordensleuten und Priestern ab, die der Kirche angehören? Haben die nicht auch ein Recht darauf nicht als Kinderschänder angeprangert zu werden?