Klaus Hillenbrand - Nicht mit uns

  • Kurzbeschreibung
    1941: In Berlin begegnen sich zwei junge Menschen, Leonie Rosner und Walter Frankenstein. Sie verlieben sich und heiraten, 1943 wird ihr Sohn Peter-Uri geboren. Als sie in die Vernichtungslager deportiert werden sollen, tauchen die Frankensteins mit ihrem sechs Wochen alten Baby unter. Entschlossen, sich ihr Leben nicht nehmen zu lassen, gelingt ihnen das nicht Vorstellbare: Leonie, Walter, Peter-Uri und der 1944 geborene zweite Sohn Michael überleben im Untergrund, ohne Papiere, ohne Geld, mit Mut und der Solidarität anderer Menschen.


    1945: Nach der Befreiung ist ihre Odyssee nicht beendet. Sie wollen Deutschland verlassen und ein neues Leben in Israel beginnen. Walter Frankenstein wird beim Versuch, nach Palästina einzuwandern, von der britischen Mandatsmacht interniert. Erst nach fast zwei Jahren findet die Familie wieder zusammen. Es folgen die Jahre, in denen die Frankensteins in Israel eine neue Existenz zu begründen versuchen, der Unabhängigkeitskrieg 1948, die Aufbaujahre des jungen jüdischen Staates.
    Nicht mit uns ist die unglaubliche Geschichte vom Überleben einer jüdischen Familie in Nazi-Deutschland - es ist die beeindruckende Lebensgeschichte zweier Menschen, die der mörderischen Verfolgung trotzten.


    Meine Rezension
    Hier wird die tragische Geschichte des jüdischen Paares Leonie und Walter Frankenstein während des Dritten Reiches erzählt. Eine Geschichte, die exemplarisch für viele Schicksale dieser Zeit stehen könnte.


    Wie so viele jüdische Mitmenschen unterschätzen die beiden erst einmal die braune Gefahr. Später, als sie die Wahrheit erkennen, ist es zu spät zur Flucht. Doch was tun? Gerade ist auch ihr Sohn Peter-Uri auf die Welt gekommen, nicht zuletzt dessentwegen es sich lohnt, ums Überleben zu kämpfen. Und so taucht die kleine Familie quasi in letzter Minute in den Untergrund ab und versucht, als Illegale zu überleben.


    In diesem Buch wird ihre Geschichte erzählt, von beider Kindheit über das Kennenlernen bis hin in ihr Leben in finsteren Zeiten und weit darüber hinaus.


    Rund um sie verschwinden immer mehr Menschen, teils wurden sie offen verhaftet, teils sind sie bei Nacht und Nebel weg. Gerüchte über den Verbleib kursieren und der eine oder andere weiß ein wenig mehr. Die kleine Familie irrt umher, sie schlafen bei Freunden, in ausgebombten Häusern, im Wald und in Baubuden – aber obwohl sie immer wieder Hilfe und Unterstützung von Familie, Bekannten und teils auch völlig Unbekannten erhalten, können sie nirgendwo auf Dauer bleiben: es ist zu voll, zu gefährlich, sie sind bereits bemerkt worden – und so müssen sie immer wieder aufbrechen und ihre gefährliche Odyssee fortsetzen.


    Mit unendlich viel Glück überlebt die kleine Familie das Dritte Reich, doch ihre Reise geht weiter. In Deutschland wollen sie nicht bleiben, in Israel, das sie getrennt voneinander in einer wahren Odyssee erreichen, werden sie auch nicht glücklich. Und so wandern sie gemeinsam nach Schweden aus, einem Land, in dem es ihnen gut geht, das ihnen aber niemals eine echte emotionale Heimat geworden ist.


    Das Buch spiegelt auch die innere Zerrissenheit vieler deutscher Juden wider: in Deutschland wollten sie nicht weiterleben, in Israel sind sie aber auch nicht wirklich zuhause, oft sprechen sie auch noch nicht einmal jiddisch – Heimatlose sind sie, ihr Leben lang, Entwurzelte.


    Eine bewegende, zeitgeschichtliche, biographische Familiengeschichte wird uns hier erzählt mit sehr vielen historischen Querverweisen und Quellenangaben im Anhang. Zusätzliche Authentizität und Nähe verleihen die Familienfotos im Mittelteil.


    Ein Buch, das nicht nur biographische, sondern auch zeitgeschichtlich interessante Daten enthält – ich habe zum Beispiel ebenfalls nicht gewusst, wie schwierig es nach dem Krieg war, nach Israel zu gelangen. Auch über das Zusammenleben Juden – Nichtjuden in Deutschland nach dem Krieg war mir nur wenig bewusst.


    In einem Zeitungsartikel habe ich gelesen, dass für Selmar und Ottilie Frankenstein, zwei enge Verwandte, im Jahr 2005 vor ihrer letzten Wohnung in Berlin-Wilmersdorf zwei Gedenksteine ins Straßenpflaster eingelassen wurden (diese „Stolpersteine“ kamen ja auch bei Amelie Fried und dem „Schuhhaus Pallas“ vor). Eine schöne, kleine Aktion gegen das Vergessen, finde ich.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Nicht mit uns. Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein
    Klaus Hillenbrand
    Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag
    224 Seiten + 27 Seiten Anhang
    ISBN: 9783633542321


    Über den Autor:
    Klaus Hillenbrand, geboren 1957, lebt in Berlin. Er arbeitet als Journalist für die taz.


    Klappentext:
    1941: In Berlin begegnen sich zwei junge Menschen, Leonie Rosner und Walter Frankenstein. Sie verlieben sich und heiraten, 1943 wird ihr Sohn Peter-Uri geboren. Als sie in die Vernichtungslager deportiert werden sollen, tauchen die Frankensteins mit ihrem sechs Wochen alten Baby unter. Entschlossen, sich ihr Leben nicht nehmen zu lassen, gelingt ihnen das nicht Vorstellbare: Leonie, Walter, Peter-Uri und der 1944 geborene zweite Sohn Michael überleben im Untergrund, ohne Papiere, ohne Geld, mit Mut und der Solidarität anderer Menschen.
    1945: Nach der Befreiung ist ihre Odyssee nicht beendet. Sie wollen Deutschland verlassen und ein neues Leben in Israel beginnen. Walter Frankenstein wird beim Versuch, nach Palästina einzuwandern, von der britischen Mandatsmacht interniert. Erst nach fast zwei Jahren findet die Familie wieder zusammen. Es folgen die Jahre, in denen die Frankensteins in Israel eine neue Existenz zu begründen versuchen, der Unabhängigkeitskrieg 1948, die Aufbaujahre des jungen jüdischen Staates.
    Nicht mit uns ist die unglaubliche Geschichte vom Überleben einer jüdischen Familie in Nazi-Deutschland - es ist die beeindruckende Lebensgeschichte zweier Menschen, die der mörderischen Verfolgung trotzten.


    Meine Rezension:
    Der Klappentext ist recht ausführlich und zutreffend, so dass ich wenig zum Inhalt sagen will. Es handelt sich hier um eine wahre Biografie des Ehepaares Frankenstein, die noch nicht einmal zwanzig sind, als der Krieg beginnt und ihre andauernde Flucht vor den Übergriffen.


    Der Autor gibt die Geschichte der beiden wieder, teilweise erzählt, teilweise in deren wörtlicher Rede. Dadurch wirkt es so, als würden die beiden vor einem sitzen und erzählen – ungemein real. Andererseits merkt man aber auch, dass sich Hillenbrand sehr große Mühe gegeben hat und nicht einfach „nur“ aufgeschrieben hat. Es werden sehr viele Fakten gekannt und immer wieder durch Quellen belegt (131 Quellen werden im Anhang belegt, dazu gibt es ein umfangreiches Literaturverzeichnis). Das führt teilweise dazu, dass man den Eindruck hat, Hillenbrand wollte möglichst all sein Wissen unterbringen. Zeitweise wirkt das Buch daher zu ausholend, zB als über die Geschichte des Waisenhauses berichtet wird oder ein ganzes Kapitel indem seitenweise der Verbleib von Bekannten, Verwandten und Freunden aufgelistet wird, deren Namen ich mir sowieso nicht merken konnte. Dort ein bisschen zu kürzen, hätte nicht weh getan.


    Nichtsdestotrotz kann ich das Buch sehr empfehlen. Mir gefällt, dass es nie jammernd oder weinerlich wirkt, obwohl die beiden sicherlich einen Grund hätten. Auf die Tränendrüse gedrückt wird nicht. Das das Buch nicht mit Kriegsende endet, sondern die Odyssee der beiden bis zu ihrem heutigen Wohnort wider gibt, war sehr interessant. Die Schwierigkeiten nach Israel zu gelangen, waren mir zwar bekannt, aber in der Form nicht so bewusst. Das Buch ist eben kein reines Geschichtsbuch, sondern vertritt die Ansichten von Überlebenden und enthält daher auch Wertungen.


    Die Biographie strömt eine große Kraft, viel Mut und auch die Dankbarkeit den Helfern gegenüber aus. Es hat mich gefesselt und beschäftigt, so dass ich heute mitten in der Nacht wieder aufgestanden bin und es zu Ende gelesen habe.


    Ich wünsche mir, dass dieses Buch von vielen Menschen, vor allem auch von jungen Menschen gelesen wird und dass darüber diskutiert wird. Diskussionsansätze gibt es viele, so zB die Frage nach dem Helfen müssen/sollen/können und der Beziehung zwischen Juden und Deutschen heute.

  • Ich kann dieses Buch von ganzem Herzen empfehlen.
    Eine andere Sicht auf die NS-Zeit- überleben als Illegale in Deutschland und das mit zwei Kindern.


    Bemerkenswert ist auch, wieviel Fakten eingebaut wurden, man lernt nochmal richtig was bei diesem Buch über diese Zeit. Insbesondere auch die Stellung von GB nach 1945 in Bezug auf Israel.


    Ein Buch welches auf der einen Seite zeigt, dass Deutsche geholfen haben, aber auch wie zerstörerrisch sie waren. Es zeigt, dass man helfen konnte wenn man wollte und auch den Mut dazu besaß! Und vor allem verdeutlicht es nochmal, dass fast alle wussten was mit den Juden und anderen Minderheiten passiert ist....aber Augen zu und nachher heucheln...ekelhaft!


    Dieses Buch ist ein absolutes Muss!

  • Nicht mit uns – Klaus Heillenbrand
    Das Leben von Leonie und Walter Frankenstein
    Suhrkamp
    Mit 25 Fotos


    Meine Meinung:
    Diese Biographie zeigt am realen Leben von Leonie und Walter Frankenstein exemplarisch den Lebensverlauf der wenigen deutschen Juden, die den Nationalsozialismus in Deutschland überlebten.
    Dabei schöpft Klaus Hellenbrand offensichtlich aus ausführlichen Gesprächen, aber auch viel Recherche, die sich in vielfältige Fakten ausdrückt, die der Autor aufführt. Am Ende des Buches sind Interviewpartner und Quellen ausführlich angegeben.


    Demzufolge besitzt diese Biographie keinen erzählerischen Ansatz. Außer in einigen Zitaten kommen die Frankensteins nicht selbst zu Wort.
    Das entspricht nicht meinem bevorzugten Biographiestil, macht hier aber Sinn, da Hillenbrand so leichter die verschiedenen Lebensabschnitte vor und nach der Verfolgung und der Auswanderung nach Palästina zeigen kann und auch Zusammenhänge darstellt.
    Einleuchtend wirkt dabei auch der Heimatverlust. Deutschland ist für die Hillenbrands wegen des Holocaust verloren, in Palästina tragen sie viel dazu bei, den Staat Israel mit aufzubauen. Walter Frankenstein geht dafür sogar in den Krieg. Doch aufgrund ihres Individualismus werden sie nicht so richtig heimisch und verlassen das Land Richtung Schweden. Auch hier bleiben sie zumindest teilweise Außenseiter.
    Dieser lebenslange Exilzustand mancher überlebender Juden wurde für mich in dieser Form gut verständlich gemacht, da die meisten Romane zu diesen Thema meistens nur das augenblickliche Exil beschreiben.
    Es erinnert in diesem Punkt an Hilde Domins Biographie, die das Thema Exil lebenslang abarbeitete.


    Deutlich wird auch, welche Kraft den Menschen in diesen lebensbedrohlichen Situationen permanent abverlangt wurde und welchen Mut Entscheidungen für das Weiterleben erforderten, dazu gehörte auch der Kinderwunsch Leonies und sich trotz der Gefahr für die Kinder zu entscheiden. Auch nach dem Krieg war das Leben kein leichtes, was manch einer nicht mehr nachvollziehen kann. Das so deutlich klar zu machen, ist der Verdienst des Buches.
    Streckenweise bleibt das Buch aber zu nüchtern. An einigen Stellen hätte ich dem Autoren etwas mehr Mut zurm literarischen erzählen gewünscht.


    Klaus Hillenbrand hat dieses Buch nicht zu früh geschrieben, denn Leonie Frankenstein starb im Mai 2009.