Henrik im Reich der Gedanken
von: Jörg Hagemann
Ueberreuter, 2002, ISBN 380002957X
VERGRIFFEN
Ich liebe die Fantasy(jugend)bücher von Jörg Hagemann. Nicht, weil sie genial sind, denn es finden sich immer Krittelpunkte, sondern weil sie einfach erfrischend anders sind.
Dieses erscheint mir dasjenige zu sein, das vor allem jüngeren Lesern gefallen könnte, da es sprachlich sehr viel einfacher gehalten ist als die anderen beiden. Doch auch hier zeigt sich wieder das Talent des Autors, ungewöhnliche Geschichten, die über bloße Fantasyabenteuer hinausgehen, zu erzählen.
Viel findet man nicht über Herrn Hagemann (*1965), der die (hier bereits vorgestellte) Kinderkrimireihe "Drei durch dick und dünn" geschrieben hat und schon seit langem hoffe ich auf ein weiteres Fantasybuch, denn leider gibt es neben diesem bisher nur zwei weitere.
Wer kennt das nicht? Man ist mit sich unzufrieden. Möchte schöner sein. Stärker. Klüger. Fröhlicher. Henrik ist ein solches Kind. Dicklich und in einer Überfliegerfamilie mit Unsicherheit und Schulnoten im Fünfer- und Sechserbereich gestraft ist sein Leben alles andere als schön. Er ist unglücklich, wird gemieden und von seinen Cousindrillingen gemobbt.
Und eines Tages verwandelt sich auch einer seiner wenigen Freunde über Nacht in ein Mathegenie und einen Lehrerliebling ...
Doch die Rettung naht, so scheint es jedenfalls. Von der blauhaarigen Annemonia geleitet gelangt er ins Reich der Gedanken, zusammen mit dreißig anderen Kinder, darunter auch sein Cousin Bernie. Begrüßt werden sie von einer kugelförmigen Gestalt, Ignaz, der sie mit dem Reich, das dem jeweiligen Bild der Kinder von ihrer Heimatstadt entspricht, und den Gegebenheiten vertraut macht. Dem Reich, in dem sie werden können, was sie sich schon immer erträumten.
Doch schon nach einiger Zeit merkt man, dass das alles nicht so schön ist, wie es scheint. Kinder, die die Aufnahmeprüfung nicht bestehen, sind gefangen, und die Verwandlung in die Wunschgestalten ist auch nicht so ergiebig wie erhofft. Juliallalla (vormals Julia) wirkt zwar unvergleichlich fröhlicher, doch Henrik vergleicht schnell ihr Lachen mit einer aufgezwängten Maske, die sich nicht mehr los wird.
Aber wozu das Ganze? Was ist der perfide Plan des Herrschers über das Reich der Gedanken? Henrik muss es herausfinden, mit Hilfe von Annemonia und der Fee Ohfeelia, schließlich soll er als Leonidas Kamae (so will es die Sage, Prophezeihung, o.ä.) das Reich der Gedanken befreien.
In diesem zwar auch mit bekannten Fantasy-Elementen arbeitenden Buch (z.B. der Vorhersagung), finden sich einerseits originelle Ideen liebenswerte Charaktere, anderseits beschäftigt es sich mit einem wichtigen Thema, der Selbstfindung und -akzeptanz.
Denn mit den Masken, die die Kinder meinen, sich aufsetzen zu müssen (zumeist weil sie die Erwartungen anderer übernehmen), sind sie nicht mehr sie selbst, werden irgendwann unglücklicher als zuvor. Als Leser fragt man sich im Verlauf des Buches, inwiefern man selbst sich "Masken" aufsetzt und vorgibt, ein anderer zu sein.
Als Kritikpunkte kann man einiges nennen, zum einen ist das Ende sehr offen, es gibt kaum Lösungsansätze für die Kinder, der Traumwelt fehlt es stellenweise ein wenig an Logik und schließlich verwundern einen die wenigen Konsequenzen in der realen Welt.
Abgesehen von diesen Kritikpunkten, der Kürze des Buches (ein wenig mehr wäre schöner gewesen...) und der Sprache, die gegenüber den anderen Fantasybüchern schlechter wirkt, ergibt sich allerdings wieder ein originelles, nachdenklich machendes Jugendbuch, das ich gerne gelesen habe.
Fazit
Wieder finden sich Kritikpunkte, wieder jedoch bezaubert Jörg Hagemann mit einem andersartigen, originellen Buch mit nachdenklich machender Thematik.
8/10 Punkten
bartimaeus
Edit: Gravierenden Rechtschreibfehler ausgebessert.