Euthyphron - Platon

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    Euthyphron und Sokrates treffen sich zufällig vor dem Gericht. Euthyphron ist dort, weil er seinen Vater verklagen will. Ein Arbeiter seines Vaters hat im Affekt einen Mann erschlagen und Euthyphrons Vater hat den Mann gefesselt in einen Kerker geworfen und nach dem Richter geschickt, damit dieser über die Schuld des Arbeiters entscheidet. Euthyphrons Vater hat sich in der Wartezeit nicht um den Arbeiter gekümmert, so dass dieser gestorben ist. Euthyphron will nun seinen Vater wegen Mordes anklagen und ist überzeugt davon, dass sein Verhalten moralisch richtig (bzw. fromm) ist. Sokrates ist selbst angeklagt und zwar wird ihm Asebie (Gottlosigkeit) vorgeworfen, und dass er die Jugend verdirbt. Da Euthyphron behauptet, frommes von unfrommen Verhalten unterscheiden zu können, schlägt Sokrates vor, sein Schüler zu werden, so dass er sich vor Gericht besser verteidigen kann. Der Dialog endet wie alle Frühdialoge Platons in der Aporie, d.h. letztendlich gelingt es den beiden nicht, zu definieren, was genau das Fromme ist.


    Über den Autor


    Platon war ein antiker griechischer Philosoph und lebte von 427 v. Chr. bis 347 v. Chr. in Athen. Er ist einer der bedeutendsten Philosophen der Geschichte.


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    Meine Meinung


    „Euthyphron“ ist einer dieser kleinen Frühdialoge, in denen versucht wird, einen Begriff zu definieren. Er kommt nicht an die großen Dialoge wie „Symposion“, „Phaidros“ oder „Phaidon“ heran, hat aber, wie alle Dialoge Platons, sehr schöne humorvolle Stellen und regt durch das offene Ende zum Weiterdenken an. Interessant wird er besonders durch das Euthyphron-Dilemma, dass Theologen und Philosophen heute noch beschäftigt. Sokrates fragt Euthyphron, ob das Fromme von den Göttern geliebt wird, weil es fromm ist, oder ob es fromm ist, weil es von den Göttern geliebt wird. Aus monotheistischer Sicht, wird das Dilemma häufig umgewandelt in: „Ist eine Handlung moralisch richtig, weil Gott sie will – oder will Gott diese Handlung, weil sie moralisch richtig ist?" Das Euthyphron-Dilemma zeigt, dass es unmöglich ist, aus religiösen Auffassungen allgemeingültige ethische oder moralische Regeln abzuleiten.


    Den Dialog kann man hier online lesen, allerdings nur in einer grauenhaften, angestaubten Schleiermacher-Übersetzung. Das Reclam-Heft kostet auch fast nichts und liest sich besser.
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  • Zitat

    Original von Delphin
    Den Dialog kann man hier online lesen, allerdings nur in einer grauenhaften, angestaubten Schleiermacher-Übersetzung. Das Reclam-Heft kostet auch fast nichts und liest sich besser. .


    Kannst du dieses Urteil wirklich ziehen - im Vergleich zum altgriechischen Text?
    Mein Urteil fällt anders aus.
    Die Schleiermacher-Übersetzung mag dem heutigen Sprachgebrauch angestaubt vorkommen und dem akademischen Umgang mit Platon nicht mehr genügen - aber verglichen mit vielen "modernen"-Übersetzungen zeigt sich die Kongenialität Schleiermachers vor dem Hintergrund der orginalsprachlichen Texte erst richtig, vor allem, da hinter seinen Übersetzungen ein spezifisch hermeneutisches Konzept stand, welches Grundlagen für spätere Arbeiten mit antiken Texten gelegt hat.
    Reclam ist leicht zu lesen. Toll. Das ist bei einigen Texten, die Gegenstand altphilologischer Studien sind, meist auch schon alles. Bei denen geht es weniger um leichtes Lesen als sprachliche Feinheiten, die grad bei philosphischen Texten nicht unwesentlich zur inhaltichen Bestimmung der Begriffe und Zusammenhänge sind.


    Sorry, wenn ich da ein bisschen bissiger klinge, aber du hast hier einen Schleiermacher-Fan vor dir.

  • Waldlaeufer


    Deinen Einwand verstehe ich nicht ganz.
    Du schreibst, daß Schleiermacher ein bestimmtes Konzept bei seiner Übersetzung zugrundelegt.
    Das heißt doch, wenn ich seine Übersetzung lese, muß ich mich auch mit Schleirmachers Vorstellung davon beschäftigen.
    Wenn mich nun aber das zunächst nicht interessiert?
    Ich will ja Platon lesen.


    Will wissen, wie der Text hier und heute aussieht.
    Schleiermacher ist ein Schritt auf dem Weg, ein wichtiger, ganz unbestritten. Aber nicht der einzige.


    Wenn man den Text einfach mal lesen will, schreckt meiner Ansicht nach schon ein Halbsatz wie der hier gleich im ersten Satz


    ' ... da du dem Aufenthalt im Lykeion entsagend dich jetzt hier aufhält(st)'
    doch Leserinnen und Leser schnell ab.


    Dem Aufenthalt entsagend, ich bitte Dich!


    Er spricht sicher für die Grammatik-Kenntnisse Schleiermachers, klingt für heutige Ohren aber in erster Linie einfach scheußlich.


    Ich bin was den Einstieg betrifft grundsätzlich für moderne Versionen. So im Alltag. Für Menschen, die nicht das Fach studieren oder beruflich verfolgen.
    Wenn man sich dann ernsthaft für die sache interessiert, muß halt tiefer graben, ganz klar.
    Aber mit solchen Texten, wie dem obigen, schreckt man Interessenten eher ab.


    Übrigens finde ich, daß sich gerade im 19. Jh. die Altphilologen aus lauter Liebe zum Urtext in ein grausig gespreiztes Deutsch gesteigert haben, das z.B. keineswegs der Literatursprache der Zeit entspricht.
    Schon Predigten, Reden und politische Beiträge von Schleiermacher klingen ganz anders.


    :wave


    magali (kein Schleiermacher-Fan, aber okay war er schon :grin)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • stimmt.
    "dem Aufenthalt entsagend" ist wirklich nicht schön.
    müsste es nicht heißen:
    "des Aufenthaltes entsagend"?


    (edit ON)
    o schaudervolle zeit:
    des dudens wissen liegt dahingeschmettert,
    auch er, der große, weiß nicht mehr
    der formen klang, der beugung sang
    entsagen steht mit dativ und schon lang!
    ich fühle mich so gänzlich leer:
    er hat's mir einfach hingebrettert!
    je nun, vielleicht war's schlicht so weit.
    (edit OFF)

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

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  • Das Besondere am Konzept Schleiermachers - und weshalb ich dies hier erwähne - ist zusammenfassend seine Überzeugung, in der Übersetzung gleichsam erkennen zu lassen, dass es eine Übersetzung ist. Er gibt also den Besonderheiten des Grundlagentextes den Vorzug. Dies schafft natürlich Distanz zum Leser, besonders zum späteren. Dennoch bleibt eben durch die Distanz eine kritischere Aufmerksakeit vorhanden.


    Gerade diese halte ich insbesondere bei Platon für notwendig. Nicht einmal nur für ein universitäres Lesen, sondern auch für private Überlegungen. Aus einem sehr triftigen Grund: Platon liest sich sehr nett. Ein bisschen prosaischer als andere Philosophen, ein bisschen szenisch und gesprächig (aufgrund der Dialogform scheinbar leicht zu verfolgen) und kompliziertere Fachbegriffe wie Apperzeption und Wesenheit kommen nun auch nicht ins Blickfeld. Das macht Platon so schön... verständlich. Eben scheinbar. Und das ist der Punkt.
    Man überliest vieles, liest weniger genau - und ich möchte sagen, versteht eben nicht unbedingt. Das ist kein Absprechen des Leserintellekts, sondern eine schlichte Beobachtung und Erfahrung - auch im Umgang mit Philosophiestudenten.


    Zudem ist auch einfach mal an einigen Stellen zu sagen, dass falsch bzw. nicht wirklich korrekt übersetzt wird, hatte ich erst neulich in einem Text, der eine mögliche Problemstelle darstellte. In dem Sinne nicht korrekt, dass aufgrund grammatischer Fehlübersetzung auch manchmal eine Sinnverschiebung eintritt. Die zu falschen Schlüssen leiten kann.
    Schleiermacher war da auch in seiner Übersetzung nicht immer nah an der Grammatik des Quelltextes, um nicht zu sagen, er war schon manchmal etwas freier, für manchen Altphilologen heute sogar zu frei. Allerdings weniger, was den Sinn angeht, sondern in der Übertragung mancher Strukturen, seine Übersetzung ist grammatisch keineswegs immer exakt (weshalb Schleierübersetzung bei ihr gut und gerne heute durch die Graecums-Prüfung gerasselt wäre, wie meine Dozentin damals anmerkte), aus heutiger Sicht begrifflich nicht aktuel und ebenfalls im Geiste seiner Zeit verankert. Er legte also gleichsam schon Wert auf Verständlichkeit (denn die grammatische Struktur-Bedachtsamkeit darf ebenfalls auch nicht auf die Vermittlung des Inhalts gehen), jedoch keine trügerische.
    Der Sinn darf nicht zu stark nach Pässlichkeit übersetzt werden. Das wird gerade in manchen Reclam-Heftchen so stark getan, dass die Simplifizierung auch auf den Inhalt wirkt und Zusammenhänge nicht mehr so eindeutig, schnell auch nicht mehr erkennbar und noch schneller missinterpretiert sind.
    Was du meistens liest, ist also nicht unbedingt Platon. Die Deutungsmöglichkeiten binnen der Übersetzung (und auch während des Übersetzens) darf man nicht unterschätzen.
    Wenn du wissen willst, wie Platon heute aussehen soll, hier und heute, dann braucht es auch mehr als ein Reclam-Heftchen. Denn Platon unhistorisch zu lesen hat noch weniger mit Platon zu tun. Ich lese z.B. "Staat" und gehe mit meinem heutigen Verstehenshorizint dran, vergesse dabei völlig, dass Politeia was ganz anderes ist als der Staat - besonders der heute. Um Platon heute zu verstehen brauch ich sowohl historischen Hintergrund als auch eine vernünftige Übersetzung als auch Grips. Nur mit Grips liest du nicht Platon, sondern was anderes.
    Und deswegen hat Schleiermacher ja so viel Wert auf die Kennzeichnung eines übersetzten Textes Wert gelegt. Dass man sich im Klaren darüber ist, einen nicht zeitgemäßen Text in der Hand zu haben und vor allem, dass ein Übersetzer zwischen Text und Leser in Form eines Textes steht. Distanz ist auch für moderne Leser nicht unsinnig. Dabei spreche ich mich nicht gegen moderne Übersetzungen aus. Im Gegenteil, denen sollte man den Vorzug geben und Schleiermacher ist auch nicht perfekt. Aber ich spreche mich hier an dieser Stelle gegen den Vorzug einer weniger guten modernen (im Vergleich zu einer besseren alten) aus.


    Ja, natürlich, für eine wirklich einfache Beschäftigung, ein Einlesen und Grobverständnis reicht auch ein Reclam-Heftchen. Ich nutze die Teile ja ebenfalls sehr gerne und sie sind in vielen Fällen besser als ihr Ruf und meine hier geäußerte Ansicht.
    Nur sollte man dann nicht zum lauten und zudem falschen bis unangemessenen Urteil gelangen und Schleiermacher als schlechte und unverständliche Übersetzung abtun und eine Reclam-Übersetzung einfach mal unwissentlich bevorzugen.
    Nur weil etwas nicht so genehm klingt, ist es nicht gleich die schlechtere Wahl.
    Philosophie ist keine Literatur, die irgendwie nett klingen und mit etwas Anspruch unterhaltsam sein soll.
    Das ist ja auch mit Grund für viele der nicht genehmen Schreibweisen. (Dazu hatte sich Kant selbst geäußert - der konnte nämlich durchaus sehr flüssig schreiben. Hat darauf aber bewusst verzichtet, damit man den Inhalt erarbeitet, sich während des Lesens mit selbst erarbeitet - eben versteht.)

  • Du schreibst nicht zufällig gerade an einer Seminararbeit über ihn?
    :grin


    Ja, mir ist das schon klar. Delphin sicher auch, erlaube ich mir mal in ihrer Abwesenheit stellvertretend zu behaupten.


    Zuweilen werden hier jedoch spontane, emotionale Urteile über Geschriebenes geäußert.
    Wir sind ja alle bloß Eulen. :-)



    Um mal zusammenzufassen:


    Wer den Dialog lesen möchte, greife gern zur Reclam-Ausgabe. Mache sich aber bitte keine Illusion darüber, daß sie/er, wenn sie/er das Ganze einmal gelesen hat, schon hundert pro ratzfatz kapiert hat, worum es geht.
    Eingehendere Beschäftigung ist notwenidg, vor allem, wenn man das Ganze auf philosophischer Ebene weiterverfolgen will.
    In dem Fall ackere man sich durch die entsprechende Literaturliste und auch ältere Übersetzungen von dem Ding.


    Das wäre mein Angebot.


    Darf ich jetzt bitte in Ruhe zu meinem Rotwein zurück?
    Ich gebe Dir gern ein Glas ab, Zigarillos sind auch noch da und immerhin steht die rororo-Bio von Schleiermacher im Regal.
    Aber bei den Theologen!
    :lache


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • :yikes


    Da fährt man einmal in Urlaub.



    :write


    Ich unterschreibe mal alles, was Magali sagt, inclusive der emotionalen Urteile. :grin Ich fühle mich würdig vertreten. :-]


    Ich hab mal durchgezählt. Insgesamt komme ich bei meiner bunt-gemischten Platon-Sammlung auf dreizehn verschiedene Übersetzer. Und einige mag ich lieber als andere, und Schleiermacher gehört zu den anderen. :grin Ich habe aber auch zwei Schleiermacher-Übersetzungen im Regal (Gorgias, Phaidon) und beide sind von Reclam. :grin Also nicht dass jemand denkt, mit dem Griff zum Reclam-Heft komme man an Schleiermacher vorbei. ;-)