Briefwechsel 1921 - 1927/ Hermann Hesse mit Hugo Ball und Emmy Ball-Hennings

  • Kurzbeschreibung v. Amazon
    Im Dezember 1920 treffen sie sich erstmals im Tessin: Hermann Hesse und Emmy Hennings mit Hugo Ball, die, enttäuscht von den politischen Wirren und konservativen Tendenzen im Nachkriegsdeutschland, entschlossen sind, unter südlichen Himmeln ihre »Flucht aus der Zeit« anzutreten. Die Briefe des exzentrischen Paares, das in der Berliner und Münchener Bohème Aufsehen erregt und 1916 mit der Gründung des »Cabaret Voltaire« in Zürich den Dadaismus begründet hat, und die des Autors des Demian berichten von den Bedingungen ihres Schreibens, von Reiseeindrücken und Begegnungen mit Menschen, die die Kulturszene der zwanziger Jahre prägen. Sie belegen heftige Diskussionen um Religion und Psychoanalyse und dokumentieren ausführlich die Beziehung Hesses zu seiner zweiten Frau Ruth Wenger. Nicht zuletzt ist der Briefwechsel eine Fundgrube für die Entstehungsgeschichte von Siddhartha bis zum Steppenwolf, von Hennings’ sensitiver Lyrik und Prosa sowie Balls zeitkritischen und theologischen Werken.


    Klappentexte (Auszugsweise)
    "Es ist diesem wunderlichen Paar, Hugo und Emmy, gelungen, anderthalb Jahrzehnte lang in ihrem Schreiben und in ihrem Leben eins der aufregendsten Phänomene des geistigen Deutschland hinzustellen, ohne dass dies Deutschland irgend davon Notiz genommen hätte...
    Mancher Leser wird erschrecken, wenn er von der harten Not dieses Lebens erfährt, und wird bewundern, wie edel diese Not getragen wird, mancher andere wird auch etwas von der holden Spielerei und Poesie dieses bei aller Strenge so anmutigen Geistes empfinden, und viele werden etwas spüren von der Magie, die es diesen beiden frommen Kindern ermöglicht hat, inmitten von Hunger, Kranheit, Tod und Vereinsamung ihre Tage und ihre Briefe mit soviel Musik und Grazie zu erfüllen." (H. Hesse 1930)


    "Da wird man Ihre Briefe, liebe Emmy, nach Jahrzehnten einmal wieder finden, man wird sie ausgraben wie Pompeji, sie werden wie Schmetterlinge aus der Puppe fliegen, [....] und man wird sich rasch darüber einigen, dass seit der Bettina Brentano solche Briefe nicht mehr geschrieben worden sind." (H. Hesse)


    Die Herausgeberin Bärbel Reetz, geboren 1942, Studium der Germanistik und Anglistik, arbeitet als freie Journalistin und Autorin in Berlin und Kiel. 2001 veröffentlichte sie die Biografie EMMY BALL-HENNINGS, LEBEN IM VIELLEICHT" (Suhrkamp-TB 3240)


    Eigene Meinung
    Hesse ist ja als einer der fleissigsten Briefeschreiber unter den Schriftstellern des letzten Jahrhunderts bekannt.... und wer sich über Hesse informiert, kann mit Erstaunen erfahren, dass er beim Schreiben dieser Briefe niemals an eine Veröffentlichung gedacht hätte.
    In seinem Nachlass befanden sich 35'000 an ihn gerichtete Briefe die er für aufhebenswert hielt....und wer ihm geschrieben hat, der bekam diese Briefe in der Regel auch beantwortet.


    Und nun einige meiner Gedanken zum vorgestellten Buch.
    Wer sich für Hesses Werke interessiert, und wer denkt, dass er schon alles über Hesse weiss, dem möchte ich dieses Buch ganz besonders ans Herz legen. Es offenbart sich uns darin eine verblüffende neue Seite Hesses...nämlich die Fähigkeit zur ganz grossen Freundschaft... offen und bereit für Kritik und Auseinandersetzung.... unerschütterlich in seinen Ansprüchen an die Grundwerte einer Freundschaft... und in nie ermüdender Loyalität.


    Hugo Ball schrieb die erste Hesse Biografie...die er zum 50. Geburtstag Hesses fertigstellte (2. Juli 1927) Einige Wochen später starb Hugo Ball.
    Der Briefwechsel dieses Buches endet kurz nach dem Tode Balls der ja als einer der grössten und wichtigsten Freunde Hesses gilt.
    Hesse jedoch pflege die Freundschaft mit Balls Frau Emmy weiter...bis zu ihrem Tod im Jahre 1948
    Hesse hat sie dabei unterstützt, ihre eigenen Werke veröffentlichen zu können. Er schrieb für ihre Bücher Vorworte, er rezensierte sie auch.
    Und wie oft hat Hesse bei seinen eigenen Gönnern um finanzielle Hilfe für das Ehepaar Ball und später dann für die Witwe Balls gebettelt...vor allem dafür, dass sie schon längst fällige Wohnungsmieten bezahlen konnte. Emmy jedoch hat es meistens vorgezogen, diese Spenden für monatelange Reisen durch Italien einzusetzen.
    Viele Geldgeber sind daher enttäuscht abgesprungen...Hesse jedoch hat trotzallem immer und immer wieder unermüdlich für sie um weitere Geldspenden gebettelt...


    Dieser Briefwechsel ist vor allem die beeindruckende Dokumentation einer ganz grossen und tragfähigen Freundschaft.

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • Tolle Rezension! :anbet


    Aber eine Taschenbuchausgabe gibt es wohl nicht und wegen dem Preis werde ich erst einmal sehen, ob ich es in der Bibliothek finde.


    Vor Jahren hatte ich Briefwechsel Thomas Mann und Hermann Hesse gelesen. Das Schöne beim Lesen der Briefwechsel ist für mich, dass ich dabei auch so einiges über die damalige Zeit erfahre.

  • Oh danke Dir Batcat Deine Worte machen mir richtig Mut noch weitere Bücher zu rezensieren..


    Jaja, es war und ist mir schon sehr bewusst, dass dieses Buch wohl kaum eine grosse Anhängerschaft findet...Briefwechsel finden allgemein wenig Resonanz....Schade eigentlich, denn ich finde, wer sich für einen Menschen interessiert, der kann gerade durch das Lesen seiner Briefe diesem Menschen am nächsten kommen..... für mich sind sie meistens die grösseren Fundgruben als Autobiografien oder Biografien....


    Dieses Buch hat halt einfach für mich persönlich einen sehr hohen Stellenwert...weil ich, bevor dieses Buch herauskam, das Gefühl hatte, dass ich bereits schon alles über Hesses Leben und Wirken wüsste....und somit war dieser Briefwechsel wie eine neue Offenbarung für mich...

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • Danke auch Dir Herr Palomar


    dieser Briefwechsel ist 2003 herausgekommen...vielleicht muss man sich noch etwas gedulden...denn andere Bücher von Bärbel Reetz gibt es in TB-Format.


    Den Briefwechsel zwischen Hesse und Mann habe ich auch in meinem Büchergestell...das Lesen dieses Briefwechsel hat mir doch geholfen, meine Vorurteile dem T. Mann gegenüber etwas abzubauen...einiges an Menschlichkeit zu entdecken hinter diesem seinem oft so steiffen Gehabe....

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Ich hätte noch zwei Bücher über Emmy Ball-Hennings die eine hilfreiche Ergänzung wären zum oben rezensierten Buch....
    ...jetzt weiss ich aber nicht, ob das erwünscht ist resp. ob man das auch darf....diese Bücher hier hineinzustellen... :rolleyes

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • Ja, diese Emmy Ball-Hennings ist für mich eine der schillerndsten und spannendsten Frauen der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts...
    ....aber aufgepasst: entweder man mag sie oder man lehnt sie ab...ich glaube, irgend so ein Zwischendurch gibt es bei ihr nicht.


    Die eine Biografie ist auch von Bärbel Reetz, der Herausgeberin des hier rezensierten Briefwechsels


    Kurzbeschreibung v. Amazon
    »Ich lebe im - Vielleicht/ Bin eine stumme Frage ...« Die so schreibt, ist eine poetische Maskenspielerin, eine, die in ihrem ungewöhnlichen Leben viel gefragt und noch mehr gewagt hat: Emmy Ball-Hennings (1885-1948). Aus der kleinbürgerlichen Enge Flensburgs treibt ihre »Weglaufsucht« sie mit Wandertheatern durch Deutschland, auf die Bühnen europäischer Varietes und Cabarets, in die Abgründe von Drogen, Prostitution und Gefängnis, in die schrille Berliner und Münchner Vorkriegsboheme. 1915 emigriert sie mit Hugo Ball nach Zürich und begründet mit ihm das »Cabaret Voltaire« - die Keimzelle des Dadaismus. Irrlichtert durch die politisch-journalistische Emigrantenszene um Ball und Ernst Bloch in Bern, begegnet 1920 Hermann Hesse, dem Freund fürs Leben. Die Namen ihrer Freundinnen und Gefährten lesen sich wie eine Enzyklopädie der europäischen Avantgarde. Bärbel Reetz hat sich auf Spurensuche gemacht und Einblick in bisher unbekannte Briefe und Aufzeichnungen genommen. Mit ihrer Biographie wirft sie ein neues Licht auf das ungewöhnliche Leben der Emmy Ball-Hennings.

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • Das andere ist ein grossformatiges, aufwändig hergestelltes Buch...mit vielen Bildern und Dokumenten...eine wahre Fundgrube was das Leben von Emmy betrifft....und zusätzlich lernt man noch manche ihrer Zeitgenossen etwas näher kennen...viele davon sind leider im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten, wie zB. Ferdinand Hardekopf, die Puppenmacherin Lotte Pritzel, Erich Mühsam uvm.
    Aber leider ist dieses Buch auch entsprechend teuer......auch wenn der Preis wirklich gerechtfertigt ist. Wenn ich mich noch recht erinnere, habe ich damals so um die Sfr. 80.--/90.-- bezahlt dafür....rund EUR 60.--


    Klappentext
    Emmy Hennings, die Frau von Hugo Ball, muß in einer Reihe mit Else Lasker-Schüler, Franziska von Reventlow, Marieluise Fleisser und Irmgard Keun genannt werden. Aus ihrem Nachlaß geht hervor, welch zentrale Rolle Emmy Ball-Hennings im literarischen Leben ihrer Zeit spielte. Im Kreis der Frühexpressionisten und Bohème-Literaten von Berlin und München stand sie ebenso im Mittelpunkt wie bei den Dadaisten in Zürich, deren Bewegung sie mitbegründete. Für zahlreiche Autoren war sie Muse und Geliebte, der Münchner "Simplicissimus" war ohne sie ebenso undenkbar wie das Zürcher "Cabaret Voltaire".

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 4 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • Ich würde/müsste eigentlich sogar dazu raten, zuerst eine dieser Biografien über Emmy Ball-Hennings zu lesen...
    ...und erst danach den Briefwechsel zw. H. Hesse und dem Ehepaar Ball. Vieles was in diesen Briefen geschrieben/angesprochen wird, würde so um einiges verständlicher....

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Wir waren im Tessin und haben den Friedhof Sant Abbondio in Gentilino unterhalb von Montagnola besucht.
    Ich war einmal mehr ergriffen davon, dass die "Protagonisten" dieses Briefwechsels und dieser grossen Freundschaft auf demselben Friedhof ihre letzte Ruhe gefunden haben...vereint noch über den Tod hinaus...


    Die Kirche Sant Abbondio





    Eine Hinweistafel am Eingang zum Friedhof






    Nach dem Tod von Hugo Ball schrieb Hesse an einen Freund:
    "Ich habe mit Hugo Ball den einzigen Menschen verloren, der mir geistig nahestand, der meine Sprache ganz und gar verstand, mit dem ich über geistige Dinge bis in die Tiefe sprechen konnte. Man findet so etwas nicht wieder......"


    .....und Monate nach Emmy Ball-Hennings Tod schrieb Hesse an eine Freundin:
    "Ja, mit Emmy haben wir viel verloren, was uns lieb war, ich besonders [........] und ihre Armut war ein ganzer Roman und durch Jahrzehnte meine Sorge. Und jetzt, wo sie tot war, hat sie zwar in Einsiedeln einen millionenreichen Verleger gehabt, aber ihr ärmliches Begräbnis war noch nach Wochen nicht bezahlt, und ich musste es ordnen."






    "DER TOD IST DIE AUFHEBUNG MEINER PRIVATHÖLLE" (H. Hesse)






    Auf dem Friedhof von Sant Abbondio kann man noch eine ganz besondere Kostbarkeit entdecken, eine Marmorstatue des berühmten Bildhauers Vincenzo Vela..... "La Preghiera"


    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Das Buch selbst ist eher nicht mein Ding, aber für Deine erste Rezi hast Du Dir eine :blume verdient. Weiter so. ;-)


    Ist ja nicht die erste sehr schöne Rezension. ;-)


    Vielen Dank, Joan, für die Vorstellung der Bücher. Ist wieder die interessante Zeit der 20er Jahre und hat mich überzeugt, den Briefwechsel lesen zu müssen.
    Zu den herausragenden Frauen, die in der vor- und expressionistischen Zeit lebten und schrieben, zählt ja auch Mascha Kaléko, die am 7.6. vor hundert Jahren geboren wurde.
    Auch sie gehörte zum Kreis der künstlerischen Avantgarde Berlins. Im Romanischen Café verkehrte sie u. a. mit Else Lasker-Schüler, Kurt Tucholsky und Erich Kästner. Hermann Hesse war von ihrer Lyrik angetan, die bis zum heutigen Tag in der Literaturgeschichte noch nicht so richtig gewürdigt wurde, was vielleicht daran liegen mag, dass sie aufgrund des Verbotes ihrer Bücher im Nazideutschland zu den vergessenen DichterInnen zählt.


    Danke auch für die schönen Fotos, die mich an einen Tessin-Besuch vor vielen Jahren erinnern. Montagnola inbegriffen. Ein fantastisches Panorama.


    Beste Grüße
    Corinna

  • Guten Morgen Cookie


    oh ja....von Mascha Kaléko besitze ich auch einen Gedichtband....Nun habe ich ihn lange gesucht, aber ich finde ihn grad nicht, obwohl ich ihn doch vor einigen Tagen noch in Händen hielt IN MEINEN TRÄUMEN LÄUTET ES STURM heisst er (glaube ich....????)
    Mascha liegt übrigens auch auf einem von Zürichs Friedhöfen begraben....


    Danke Dir für Dein Feetback...und ich freue mich, dass Dir meine Fotos (das heisst: die Fotos meines Mannes :-)) gefallen und Dir auch Deinen Montagnola-Besuch in Erinnerung brachten....Grüessli Joan

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Rosenstolz


    ja, ich habe es geschafft....mit ganz grosser Unterstützung von lieben Forums-Mitgliedern....


    Und dass die Bilder gefallen, das zeigt mir, dass es sich gelohnt hat und das freut mich auch noch zusätzlich....

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)