Martina Kempff: Die Beutefrau

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    Karl der Große gilt als einer der bedeutendsten Herrscher der Geschichte, der seine Feinde das Fürchten lehrte. Bis es ausgerechnet einer wehrlosen Geisel gelang, den mächtigen Mann durch ihre Liebe zu bezwingen. Gerswind, die Tochter des Sachsenherzogs Widukind, ist drei Jahre alt, als sie im Jahr 785 als lebende Kriegsbeute an Karls Hof nach Regensburg kommt. In dreizehn Jahren ist es dem Frankenkönig nicht gelungen, das heidnische Volk der Sachsen zu unterwerfen; erst als ihm Widukinds Familie in die Hände fällt, erklärt sich dieser, um Frau und Kinder zu retten, zur Taufe bereit. Trotzdem besteht Karl darauf, die kleine Gerswind als Pfand am Hof zu behalten. Zehn Jahre später will er die blonde Sächsin zu seiner Geliebten machen, doch sie weist ihn ab. Denn Gerswind liebt Karls bevorzugten Sohn, der nun für den Vater zum ernst zu nehmenden Rivalen wird.


    Die Autorin


    Die in Stuttgart geborene Autorin hat als Tochter eines Diplomaten in verschiedenen Ländern gelebt (Bonn, San Francisco, Berlin, Helsinki) und war auch als Erwachsene noch sehr "mobil": sie lebte mehrere Jahre in Griechenland und Amsterdam.
    Sie war Redakteurin bei der "Berliner Morgenpost", Reporterin bei "Die Welt" und bei "Bunte".
    Ihre anderen historischen Romane sind: "Die Marketenderin", "Die Rebellin", "Die Schattenjägerin" und ihr derzeit neuester Roman "Die Beutefrau", in dem es ebenfalls um eine Gestalt aus dem frühen Mittelalter, bzw. der karolingischen Zeit geht (Gerswind, die letzte Liebe Karls des Großen).


    Meine Meinung


    Die Inhaltsangabe lässt einen gewöhnlichen Liebesroman vor historischer Kulisse erwarten, aber diese Annahme ist grundfalsch. Wie schon bei Martina Kempffs erstem Roman zur karolingischen Zeit (Die Königsmacherin) handelt es sich auch hier um einen erstklassig recherchierten Roman über das Leben Karls des Großen, seine Person als Herrscher und auch als Ehemann zahlreicher Frauen, Liebhaber noch zahlreicherer Frauen und offenbar recht liebevoller Vater einer riesigen Kinderschar.
    Faszinierend ist die Koexistenz des sich langsam verbreitenden Christentums und alter, "heidnischer" Götterverehrung. Karl, dem die Verbreitung des Christentums am Herzen lag und der einen Großteil seiner Regierungszeit mit dem Versuch der Unterwerfung und Christianisierung der Sachsen verbrachte, war selbst nicht frei von heidnischen Denkweisen . Auch Gerswind, die Tochter des Sachsenfürsten Widukind, durch deren Augen der Leser die Geschehnisse verfolgt, ist zwischen den verschiedenen Religionen hin und hergerissen.
    Soweit ich es nach diversen Internetrecherchen sagen kann, hat die Autorin sich penibel an die historischen Fakten gehalten,lediglich zwei Dinge scheinen mir fragwürdig:



    Das Buch ist jedenfalls wieder in einem sehr flüssigen Sprachstil geschrieben und erweckt den Wunsch, mehr über diese ferne Zeit zu erfahren. Für mich zählt es zu den Lektüre-Highlights der letzten Zeit und ich empfehle uneingeschränkt. :hop

  • dieses buch las ich kürzlich ebenfalls und kann mich der rezension weitestgehend anschließen. zwar habe ich keinen eigenen internetrecherchen betrieben, aber auch mir vermittelte sich der eindruck großer authentizität. genau die gespoilerten fragen stellte ich mir auch.
    es soll ja eine fortsetzung geben, in der gerswinds nichte judith im vordergrund steht.
    ich gab 8 von 10 punkten.

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Zitat

    Original von €nigma


    "Die Welfenkaiserin" erscheint im Februar 2008.


    und wieder wächst die wunschliste :lache
    vielen dank für den hinweis! :knuddel1 :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Was sind denn bitte die gespoilerten Fragen aus Enigmas Beitrag ? Bei mir ist nur ein gelbes Feld zu sehen, in dem " Spoiler " drinsteht.Der Computerfreak, mit dem ich verheiratet bin, weiß auch nicht, wie man an den Text kommt.


    :help :help :help


    Für technische Hilfe bin ich immer dankbar!


    Liebe Grüße


    Bärchen

  • Ich hatte es jetzt doch recht lange im SuB und kann eigentlich nur wiederholen, was ich im meiner Rezi zum Vorgängerband schon so ähnlich schrieb:


    Ein historischer Roman soll glaubhaft eine Geschichte von Geschichte erzählen und anregen die historischen Fakten zu ergründen, er soll gut unterhalten und gut lesbar sein. Diese Anforderungen erfüllt Martina Kempff zu meiner vollen bis vollsten Zufriedenheit. Dabei ist der Schreibstil etwas trocken.


    Allerdings bleibt bei einem historischen Roman bei mir die gegoogelten Fakten hängen deswegen wird es sicher nicht so schnell aus meiner Erinnerung "flutschen".


    Ich kann das Buch nur uneingeschränkt empfehlen- aus einer Zeit, die uns bewußt vom Nebel des finsteren Mittelalters durch Quellen"verluste" und wegen der Wertigkeit von Frauen nur wenig über die Lebensumstände und -hintergünde der Frauen überliefert hat wird uns die Reichswerdung unter Karl dem Großen und der Sachsenkonflikt aus der Erlebniswelt und -sicht der Geisel Gerswind nahegebracht.

  • Mir hat die Beutefrau sehr gut gefallen. Ich hatte mir das Buch in Berlin auf dem Flughafen gekauft und konnte es gar nicht mehr weg legen so spannend fand ich es. Gelesen habe ich es in einer verschneiten Hütte in Schweden, das hat gut auch zum Ambiente im Buch gepasst.


    Selten hat mich ein historischer Roman so gefesselt, vielleicht auch deshalb weil er eher etwas trocken geschrieben ist und dadurch doch deutlich mehr Authensität (wie schreibt man das??!!) vermittelt als andere historische Romane.


    Martina Kempff ist und bleibt meine Lieblingsautorin in Sachen Historisches und ich freue mich sehr darauf noch die anderen Bücher von ihr zu lesen

  • Klappentext:


    Drei Jahre alt ist Gerswind, die Tochter des Sachsenfürsten Widukind, als sie im Jahr 785 als lebende Kriegsbeute zu Karl dem Großen gebracht wird. Der König der Franken beschließt, das Mädchen für lange Zeit als Geisel am Hof zu behalten - bis, viele Jahre später, etwas geschieht, was der jungen Sächsin eine unumstößliche Macht über den bedeutendsten Herrscher des Mittelalters verleiht ...


    Eigene Einschätzung:


    Das zweite Buch, das ich in kurzer Folge zu Karl dem Großen gelesen habe. Nach einem "typischen Männerbuch" jetzt ein "typisches Frauenbuch". Es war zugegebenermaßen angenehmer zu lesen. Aber viel glücklicher geworden bin ich damit auch nicht.


    Gerswind ist die Tochter des geschlagenen Sachsenführers Widukind und wächst am Hof König Karls mit dessen Kindern auf. Als Leser erleben wir die allmähliche Wandlung und das Hin und Her ihrer Gefühle, mal sieht sie sich als Ziehtochter, mal als Gefangene und Geisel, mal als Faustpfand und Werkzeug, schließlich als Geliebte. Das ist an sich durchaus spannend und glaubwürdig zu lesen. Über den "Stil", der weiter oben in einer Rezi schon mal angesprochen wurde, mag ich nichts sagen, weil ich immer nicht recht weiß, was es mit diesem Vier-Buchstaben-Wort wirklich auf sich hat. Fakt ist, das Buch liest sich locker-flockig weg und macht keine Kopfschmerzen. Die Hauptfigur ist sympathisch, die Nebenfiguren werden zum Teil sehr plakativ gezeichnet, aber auch das muß noch nicht negativ sein. Ds Ende hat mir nicht gefallen, es erinnerte mich zu sehr an diesen einen Film mit Romy Schneider und Curd Jürgens. Und den fand ich schon schwer zu ertragen.


    Enttäuscht hat mich zunächst die bildzeitungsartige Sensationslust.


    Das Leben am Kaiserhof wäre meiner Ansicht nach interessant und kompliziert genug für einen Roman, auch ohne solche posthum aufgesetzten Skandälchen.


    Das größte Problem hatte ich mit der ... nennen wir es mal "Heidentümelei". Die armen, unschuldig verfolgten, friedlich ihre Götter anbetenden, Bäume umärmelnden und niemals jemandem ein Leid zufügenden Sachsen. UHGV (unsere heldenhaften germanischen Vorfahren) halt. Gerswind, wann immer sie sich ihre sächsischen Wurzeln bewußt macht, ist naturverbunden bis an die Grenze aktiver Magie. Teilweise schrammt die Autorin dabei nur knapp an echten Fantasy-Elementen vorbei. (Und die in einem historischen Roman gehen bei mir ja mal gar nicht!)


    Es ist diese naive Naturromantik, die mir extrem gegen den Strich ging. Ich kenne nur eine Völkerschaft, die die Natur in einer Art und Weise als heilig verehrt, wie es im Roman die heidnischen Sachsen tun: Stadtmenschen. Die dafür aber durch alle Regionen und Jahrhunderte, vom alten Rom bis heute. Ich vermute, im alten Ur war das auch schon so. Und ich halte jede Wette, hätte man einem tatsächlich am Busen von Mutter Natur lebenden alten Germanen damals eine Kettensäge in die Hand gedrückt und ihm gezeigt, wie das Ding funktioniert, hätte es für die Varus-Schlacht keinen Teutoburger Wald mehr gegeben.


    Hinter den Gefühls- und Glaubensfragen bleiben die politischen Ereignisse dann leider oft zurück. Mehr, als man auch aus einem Wikipedia-Eintrag erfahren würde, kann man dem Roman an Wissen nicht entnehmen. Besser recherchiert war mit Sicherheit Obermeiers "Mein Kaiser, mein Herr", auch wenn ich natürlich nicht sagen kann, welche schriftstellerischen Freiheiten sich die Autorin bewußt erlaubt hat. Es sind eher die Details, denen man anmerkt, daß ein wirkliches Verständnis für die Epoche nicht vorhanden ist. Das geht los bei der "steinernen Waldhütte" im Prolog (ein Widerspruch in sich - "Hütte" impliziert ein minderwertiges Gebäude; Bauwerke aus Stein waren aber im FrüMi nördlich der Alpen kostbar und selten - in Sachsen vermutlich gar nicht vorhanden), zieht sich hin über die beschriebene Frauentracht, die mit der karolingischen nichts gemeinsam hat, und endet bei der alten Magd, die sowohl dem heiligen Georg als auch seinem Drachen eine Kerze stiftet. Zu dumm, daß die Darstellung Georgs als Drachentöter erst aus dem Hochmittelalter stammt. Mal abgesehen davon, daß KdG seine Unfreien anscheinend gut gehalten hat, wenn die es sich leisten konnten, regelmäßig sündhaft teure Wachskerzen zu stiften, und das gleich doppelt! Daß die bairische Ex-Herzogin Luitpirc (Luitberga) zum Zeitpunkt der Pippin-Verschwörung längst, wie auch ihre gesamte restliche Familie, in Klosterhaft saß, will ich jetzt einfach mal als bewußte künstlerische Freiheit annehmen. Ansonsten wäre es miserable Recherche.


    In Summe: Ich schwanke zwischen sechs und sieben Punkten. Es war recht angenehm zu lesen, als gebe ich sieben. Für das dämliche Cover, das natürlich mal wieder äußerst zeitgenössische Renaissance-Gemälde zeigt, noch dazu Botticellis Simonetta Vespucci (und das muß verdammt bekannt sein, wenn sogar ich es auf Anhieb als Botticelli erkannt habe!) müßte man eigentlich gleich wieder einen Punkt abziehen. Tue ich nicht, weil die Autorin ja nichts dafür kann.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Ich habe das Buch zufällig in meinem SuB entdeckt und überrascht festgestellt, dass es ein Roman über Karl den Großen ist. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich einen solchen besitze :rolleyes


    Sprachlich hatte ich anfangs ein paar Schwierigkeiten. Über manche Sätze bin ich regelrecht gestolpert und musste sie teilweise nicht nur einmal wiederholen um ihren Sinn zu verstehen. Dies hat sich jedoch rasch gebessert - oder vielleicht habe ich mich einfach an den Schreibstil gewöhnt :gruebel


    Inhaltlich hat mir das Buch sehr gut gefallen, auch wenn mir persönlich der Fokus ein wenig zu sehr auf den Frauen lag und mir somit ein wenig die Kampfhandlungen gefehlt haben. Der Konflikt zwischen den Sachsen und Karl dem Großen, der das Christentum verbreitet und vor allem für die Sachsen starke Strafen ansetzt, während er selbst sich nicht an die Gesetze des Glaubens hält ist schon erstaunlich.
    So hat es mich ehrlich überrascht, dass Karl der Große ein solcher Frauenheld war und sich mit der Zahl seiner Frauen und Mitfrauen mit Henry VIII. messen kann.
    Den Gegensatz dazu bildet die taffe Sächsin Gerswind, die als Kind als Geisel an den Hof Karls des Großen kommt und sich da den Wirren der Politik und vor allem in dem Konflikt zwischen dem alten heidnischen Glauben ihrer Familie und dem neuen christlichen Glauben des Hofes und damit auch ihres "Adoptivvaters" wiederfindet.


    Alles in allem ein sehr stimmiger Roman, wobei mir die auch schon von meinen Vorrednern angesprochenen Situationen um Ludwig und Karls Schwester ein wenig aus der Luft gegriffen vorkamen.


    Trotzdem hat mir der Roman so gut gefallen, dass die anderen Romane von Martina Kempff um Karl den Großen direkt auf meiner Wunschliste gelandet sind :chen

    :lesend Jay Kristoff; Nevernight - Die Rache

    :lesend Laura Imai Messina; Die Telefonzelle am Ende der Welt (eBook)

    :lesend Rebecca Gablé; Teufelskrone (Hörbuch: Detlef Bierstedt)


  • Kann dir voll zustimmen, wobei ich das Buch insgesamt noch negativer sehe.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)