Sabine Weigand: "Die Markgräfin"

  • Im Jahr 2001 wird bei Ausbesserungsarbeiten auf der Kulmbacher Plassenburg in einer Mauerlücke ein kostbares Kästchen aus dem 16. Jahrhundert entdeckt, in dem sich die Gebeine eines Säuglings befinden. Kastellan Haubrich macht sich mit ein paar Heimatforschern daran, die Identität des Kindes festzustellen und die merkwürden Umstände seiner Bestattung zu erforschen. Stück für Stück kommt er dabei einer ungeheuerlichen Geschichte auf die Spur.


    Es ist die Lebensgeschichte der Markgräfin Barbara von Brandenburg-Ansbach, Herzogin von Groß-Glogau und Crossen, Königin von Böhmen, die Sabine Weigand anhand von historischen Zeugnissen und Originalbriefen rekonstruiert. Barbara wird mit 10 Jahren an den Herzog von Groß-Glogau und Crossen verheiratet. Gerade als sie anfängt, den viel älteren Mann liebzuhaben, stirbt dieser. Daraufhin wird die 12-jährige mit König Wladislaw von Böhmen verheiratet - allerdings nur über einen Stellvertreter. Der Ehemann holt sie nie zu sich, sondern nutznießt nur ihre reiche Mitgift und ihr Witwengut. Barbara wird auf der Plassenburg "bewahrt", während ihre Brüder über ihren Kopf hinweg ihr Heiratsgut verschachern und politisches Kapital daraus zu schlagen versuchen.
    Als sie sich in einen unbedeutenden Ritter verliebt und nach Jahren beim Papst um die Annullierung der inzwischen unbedeutenden und nie vollzogenen Ehe anfragt, sperren die Brüder sie unter menschenunwürdigen Bedingungen auf der Plassenburg ein.


    Die Historikerin Sabine Weigand ist über ihre Dissertation zur Plassenburg im 16. Jahrhundert auf das Schicksal der Markgräfin Barbara gestoßen. Es gelingt ihr, die Reformationszeit an der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit sehr gut einzufangen, insbesondere die Verachtung mit der (nicht nur) in adeligen Kreisen Frauen behandelt wurden. Wie ein Ding wird das Mädchen Barbara von einem Ehemann zum anderen geschoben, und es geht stets nur um das Heirats- und Witwengut, dass mit ihrem Namen verbunden ist, nie um sie selbst. Als sie sich zu befreien versucht, wird sie kurzerhand eingesperrt.


    Das Buch ist schön und flüssig zu lesen, besteht allerdings eigentlich aus 2 Geschichten: Barbaras Biographie und Haubrichs Recherchen. Die Autorin versucht sich der historisch verbürgten Person von 2 Seiten zu nähern, und das erfordert Unterbrechungen des Erzählflusses. Auch der Einbau vieler historischer Ereignisse, die eigentlich nichts mit der Geschichte zu tun haben, führt manchmal auf Abwege. Aber insgesamt ist es empfehlenswert, weil es mal nicht um eine Superfrau geht, auch wenn wir es schon wieder eine arme kluge Frau gegen böse dumme Männer kämpft (winkewinke zu Historikus!!).
    Trotzdem kann man ebensogut auf das Tb warten. Denn so schön finde ich den Umschlag auch nicht. Irgendwie sieht es nach einem billigen Graphikprogramm aus.


    Grüßlis!

  • Zitat

    Original von Idgie
    Weißt du zufällig, wann mit der TB-Ausgabe zu rechnen ist?


    Da das Buch erst dieses Jahr erschienen ist, tippe ich mal so in ein bis anderthalb Jahren....

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Habe es mittlerweile auch gelesen.


    Mir hat es ausgesprochen gut gefallen. Es ist auf eine sehr angenehme Art und Weise eine Abwechslung im Genre des historischen Romanes. Mich würde es sehr interessieren, wie viel der Ereignisse und Briefe echt sind. Im Nachwort wird darauf etwas Bezug genommen, aber natürlich nicht im Detail.


    Gerade die Briefe und ihre alte Ausdrucksweise fand ich interessant. Und die Verknüpfung der beiden Handlungen, der historischen und der der "forschenden Vier", haben das Buch so spannend und abwechslungsreich gemacht.


    Am Anfang war ich etwas skeptisch im Bezug auf den Schreibstil. Mir kamen einfach zu viele -chen vor. Aber das hat sich zum Glück gelegt. Ich hatte ohnehin das Gefühl, dass Sabine Weigand im Laufe der Geschichte immer besser geschrieben hat. Die Ausdrucksweise und die Beschreibung der Geschichte über die Forschung nach den Hintergründen des Kindes fand ich regelrecht liebenswert.


    Mich hat dieses Buch natürlich auch deshalb interessiert, weil die Plassenburg grob in unserer Gegend Deutschlands liegt und vor allem wegen Markgraf Albrecht Alkibiades, der u.a. auch die Stadt, in der ich lebe bis auf die Grundmauern niedergebrannt hat. Das wird allerdings leider nicht erwähnt.


    Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch mit einer Mischung aus wahren Begebenheiten und zwangsläufig dazuerfundenen und verschobenen Ereignissen.

  • Im Jahr 2002 findet ein Kastellan bei Renovierungsarbeiten ein Kinderskelett in seiner Burg. Gemeinsam mit drei Freunden beginnt er zu forschen....
    Die Geschichte der Markgräfin Barbara, die bereits mit 10 Jahren verheiratet wird und nach dem Tod ihres Mannes zum politischen Spielball ihrer Brüder wird, ist eins der spannendsten und bewegendsten Bücher, die ich unlängst gelesen habe.
    Von der ersten Seite an ist der Leser gefesselt von dem Schicksal der jungen Barbara, deren tragisches Schicksal zu Tränen rührt.
    Der Schreibstil der Autorin ist grandios, flüssig zu lesen und doch niemals platt; wunderbar sind die Übergänge zwischen der heutigen Zeit (der Forschung der vier Männer) und der damaligen Zeit (der Lebzeit der Markgräfin) gelungen.


    Die im Buch zitierten Briefe der Barbara sind lt. Nachwort historisch belegt und vermitteln dem Leser gerade deshalb in außergewöhnlicher Weise ein Gefühl für die Zeit des finsteren Mittelalters.


    Ein zu Herzen gehendes Buch, spannend, bewegend, grandios.
    Mein Kompliment an die Autorin - bitte mehr davon !

    Was ist das Beste daran, erwachsen zu sein? Daß ich nicht mehr betteln muß "Nur noch dieses Kapitel, dann mach ich das Licht aus ... bitte!!! "

  • Ein tolles Buch!


    Die Geschichte um die forschenden Vier in der Gegenwart und die Geschichte der Markgräfin Barbara in der Vergangenheit sind toll miteinander verknüpft. Und durch Jahreszahlen über jedem Abschnitt ist auch immer sofort klar, wo man sich befindet.


    Sehr gut gefallen haben mir auch die vielen unterschiedlichen Briefe. Zum einem haben sie in kurzer Form wichtige Informationen übermittelt und die Geschichte dadruch weitergebracht und zum anderen machen sie das Buch sehr realistisch. Mich würde auch interessieren, ob wirklich alle Briefe echt sind.


    Auf jeden Fall ein sehr empfehlenswertes Buch! Es ist mal ein etwas anderer historischer Roman - auch mit einer starken Frau in der Hauptrolle, aber weitaus realistischer, weil die sonst ja oft üblichen "Retter in der Not" hier eben nicht immer rechtzeitig erscheinen.

  • Ich fand das Buch einfach nur klasse! Gerade die Tatsache, dass die Geschichte der Markgräfin quasi in zwei Zeitzonen erzählt wurde, machte das Buch für mich interessant. Auf der einen Seite die Menschen der Neuzeit, die versuchten, etwas über ein totes Baby herauszufinden, und auf der anderen Seite das Leben der Markgräfin, die dieses Kind geboren hat. Es war einfach nur spannend, wie man zu diesem toten Kind hingeführt wurde - in beiden Zeiten. Was ich auch gut fand war, dass man doch einiges über das Leben im Mittelalter erfahren hat. "Die Markgräfin" ist auf jeden Fall ein Buch, das ist kaum aus der Hand legen konnte, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Und irgendwann werde ich es bestimmt ein zweites Mal lesen! :-]

    LG, Inge :wave

    Veröffentlichungen in den Anthologien: Schmökerbären-Abenteuergeschichten; Die spannensten Schmökerbären-Abenteuergeschichten; Mein Hund und ich; Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 14, 15 und 16; Wünsch dich ins Märchen-Wunderland - Band 3 und 4; Mein Pferd und ich; Blitzgeschichten und Donnerreime; 7. und 8. Bubenreuther Literaturwettbewerb; Wie aus dem Ei gepellt - Band 8 und 9; Bittersüße Wirklichkeit; Das Rad der Zeit, Mein Tier und ich

  • Da ich an Kulmbach mit dem Kulturhinweisauf die Plassenburg regelmäßig vorbeifahre lag das Buch (TB) schon länger auf meinem SuB.


    Ich fand den Ansatz der Erzählung mit den beiden aufeinander zugehenden Handlungsebenen Mittelalter und Heute sehr gelungen. Die Personen sind gut und glaubwürdig, mit viel liebe zum Detail gezeichnet. Ein Buch das auf die Geschichte hinter den Geschichten neugierig macht- alles gut ausgegoogelt- aber ich werde sicher auch mal hinfahren, mir das ansehen. Also ein gelungener historischer Roman.

  • Zitat

    Original von Ronja
    Mich hat dieses Buch natürlich auch deshalb interessiert, weil die Plassenburg grob in unserer Gegend Deutschlands liegt und vor allem wegen Markgraf Albrecht Alkibiades, der u.a. auch die Stadt, in der ich lebe bis auf die Grundmauern niedergebrannt hat. Das wird allerdings leider nicht erwähnt.


    Die Bestia? Stimmt, der war ja von Ansbach. In der ehemals niedergebrannten Stadt bin ich auch ab und zu, weil die Oma einer Freundin da lebt und mich zum Geburtstag einläd. ^^


    Ich les mir jetzt erst mal das Perlenmedaillon durch und wenn mir der Stil gefällt werde ich mir wohl auch die Markgräfin zulegen.Wie ich euren Beschreibungen entnehme, ist es wohl kein typisches Frauenschicksal-im-Mittelalter-Buch (hoffe ich zumindest)?


    Edit: Sehe gerade, im Mai erscheint eine Sonderausgabe für 5 Euro, da würde ich dann wohl zuschlagen. ^^

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Wie ich euren Beschreibungen entnehme, ist es wohl kein typisches Frauenschicksal-im-Mittelalter-Buch (hoffe ich zumindest)?



    Ein eher untypisches, weil realistisch angelegtes Frauenschicksal. allerdings bewußt historisch unkorrekt, also Roman. Keinesfalls ein typisches "Die ...in" -Buch, trotz des Titels.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ein eher untypisches, weil realistisch angelegtes Frauenschicksal. allerdings bewußt historisch unkorrekt, also Roman. Keinesfalls ein typisches "Die ...in" -Buch, trotz des Titels.


    Das beruhigt mich zu hören. ^^ Mit "bewußt historisch unkorrekt, also Roman" meinst Du die "schriftstellerische Freiheit" nehme ich an, nicht, dass wirklich bekannte und belegbare Daten verfälscht wurden, oder?

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    - Meister Yoda

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