Du auf deinem höchsten Dach - Anatol Regnier

  • Inszenierte Auszüge


    Gesprochen von Anatol Regnier


    2 Audiocassetten, Laufzeit: ca. 170 min (Die Hörbuchfassung ist gekürzt)
    mit Booklet


    Klappentext der Romanfassung:
    Als Frank Wedekind 1918 im Alter von 54 Jahren stirbt, hinterlässt der provokanteste Dramatiker seiner Zeit eine bildschöne junge Frau und zwei kleine Töchter. Hinter der Schauspielerin Tilly Newes liegt ein knappes Jahrzehnt kräftezehrenden Zusammenlebens mit einem Mann, dessen erotischen Phantasien der Realität nicht Stand hielten. Wedekinds Tod ist bei aller Trauer wie eine Befreiung. Tilly blüht auf und hat unzählige Verehrer. Die Töchter Pamela und Kadidja wachsen hinein in die Künstlerboheme der 20er Jahre. Pamela freundet sich eng mit den Mann-Kindern Erika und Klaus an; Vierter im Bunde ist der junge Schauspieler Gustaf Gründgens. Zum Eklat kommt es, als Pamela den fast 30 Jahre älteren Dramatiker Carl Sternheim heiratet. Tilly, die immer stärker unter einer manischen Depression leidet, beginnt um diese Zeit eine stürmische Liaison mit dem Lyriker Gottfried Benn. Als die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, geht Kadidja ins Exil nach Amerika. Pamela und Tilly bleiben und arrangieren sich. Kadidja wird ihnen dies nie verzeihen. Nach ihrer Rückkehr 1946 kommt es zum Bruch. Anatol Regnier, Enkel von Frank und Tilly Wedekind und Sohn der Wedekind-Tochter Pamela, hat erstmals das unter Verschluss gehaltene Familienarchiv ausgewertet.
    Zum Autor: (lt. Klappentext)
    Anatol Regnier wurde 1945 als zweites Kind von Pamela Wedekind und Charles Regnier geboren. Schon früh lernte er das Gitarrenspiel. Er studierte am Royal College of Music in London und reiste dann als Gitarrist durch In- und Ausland. Lange dozierte er am Konservatorium in München. 1985 ging er mit seiner Frau, der bekannten israelischen Sängerin Nehama Hendel, und seinen Kindern nach Australien. 1997 veröffentlichte er "Damals in Bolechow", ein Buch über das Schicksal einer jüdischen Familie aus Galizien. Heute lebt Anatol Regnier in München und am Starnberger See.


    Meine Meinung:
    Im Zentrum steht der umstrittene, exzentrische Schriftsteller und Dramaturg Frank Wedekind und seine Ehe mit Tilly Newes und später das Schicksal ihrer Familie, den Töchtern Pamela und Kadidja.
    Am Anfang plätschert der Briefwechsel so vor sich hin. Ich kenne Frank Wedekinds Werk zu wenig, um auch noch so viel von seinem privaten Leben erfahren zu müssen.
    Es dauert ein wenig, bis ich mehr von der Handlung gefesselt bin.
    Die musikalischen Zwischenteile, also die Bänkellieder der von Anatol Regnier vorgetragenen Frank Wedekind-Texte gefallen mir geschmacksbedingt leider überhaupt nicht. Dafür ist das Hörbuch aber sehr eindrucksvoll vom Autor selbst gelesen Carola Regnier, die Schwester des Autors und Siemen Rühaak unterstützen ihn effektiv. Die Produktion ist also ziemlich hoch motiviert.
    Gelungen sind aber die die Briefe verbindenden, informativen Zwischentexte.
    Hochinteressant die politischen Ereignisse Anfang der 30ziger mit Beginn des Nationalsozialismus und das Verhalten Tillys, die in ihrer Affäre mit Gottfried Benn sich nicht von dessen Begeisterung für den Nationalsozialismus stören lässt.
    Pamela Wedekind, die Tochter Tillys und Frank Wedekind, tritt zusammen mit Erika Mann in der Pfeffermühle auf, kehrt jedoch später ins deutsche Reich zurück und lässt sich protegieren.
    Die große Freundschaft mit Erika Mann wird nach Pamelas Rückkehr nach Nazideutschland empfindlich gestört, erst 18 Jahre später wird es wieder lose Kontakte geben.
    Aber Pamelas Versuche zwischen Erika Mann und ihren großen Feind, ihren ehemaligen Mann Gustaf Gründgens, zu vermitteln scheitern. Auch Gustav Gründgens blieb während der Nazizeit in Deutschland und war erfolgreich. Klaus Manns berühmter, zeitweise aufgrund Druck von Gründgens Nachkommen verbotener Roman "Mephisto" gibt darüber Aufschluss. Bemerkenswert auch Klaus Mann und seine Auseinandersetzung mit Gottfried Benn.
    In den 50zigern, Frank Wedekind ist schon lange Tod, ist die Bedeutung seiner Werke nicht sehr verbreitet.
    Tilly wendet sich an Thomas Mann und bittet ihn um eine Jubiläumsschrift über Frank Wedekind. Obwohl auch Thomas Mann findet, das Wedekind öfter aufgeführt werden sollte, kann er diese Bitte nicht nachkommen.
    Erwähnt wird auch Heinrich Mann.
    Und Erich Mühsam und Carl Sternheim, die im Konzentrationslager ermordet wurden.
    Dieses prominente Personal und deren Verwicklung mit den Wedekinds machen den Reiz dieses Hörbuchs aus.
    Je berühmter der Empfänger des Briefes ist, desto mehr strengen sich die Absender anscheinend an.
    Sehr amüsant ist z.B. der Briefwechsel zwischen Friedrich Dürrenmatt und Tilly, die ihn des Plagiates eines Wedekindstückes vorwirft.


    Zum Ende lässt das Hörbuch etwas an Spannung nach.


    Insgesamt gibt es viel interessantes in einem ordentlichen Stil, aber auch einiges langatmiges. Sofern man kein Frank Wedekind Fan ist, wird dieses Hörbuch eine gute Option sein, aber kein Muss.
    7 von 10 Punkten aufgrund des Aufwands.

  • Das glaube ich jetzt aber nicht! :wow :wow :wow


    Huhuuuu Herr Palomar


    ich habe bei der Suchfunktion <Anatol Regnier> eingegeben und dann spuckte sie Deine Rezension hier aus.


    Hab gestern mit dem Buch angefangen und bin begeistert.


    :wave

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Viel Spaß, Joan! :wave


    Danke Herr Palomar, ich denke, dass ich den haben werde.


    Nimmt mich ja schon wunder, ob die Dynamik des Lese-Buches eine ähnliche aufweist wie die des Hörbuches, und ob mir alle diese Persönlichkeiten: Carl Sternheim und Gründgens mit Bestimmtheit, Erich Mühsam, Heinrich Mann und und und....auch alle begegnen werden in meinem Buch. Des weiteren Klaus Manns Auseinandersetzung mit Gottfried Benn....


    Ja, ich denke schon.


    Aber ob das Buch gegen Ende dann auch etwas abflacht, an Spannung verliert? Ich bin ja gespannt.


    Grüessli :wave

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)