Wolf Haas: Das Wetter vor 15 Jahren

  • Nix Brenner, aber … dings: Ein tolles Buch.


    Ein Schriftsteller namens Wolf Haas wird von "Literaturbeilage" interviewt, fünf Tage nacheinander, und es geht um das neue Buch: "Das Wetter vor 15 Jahren". Darin erzählt der andere, der Spiegel-Haas vom Bochumer Bauingenieur Kowalski, der als Fünfzehnjähriger im österreichischen Urlaubsort seiner großen Liebe begegnete, sie aber verlor, um sie fünfzehn Jahre später wiederzutreffen, im Nachgang eines Auftrittes bei "Wetten, daß", bei dem Kowalski die genauen Wetterdaten jedes Tages der vergangenen fünfzehn Jahre nennen konnte, und zwar für jenen Urlaubsort irgendwo in den Alpen.


    Das Originelle ist, daß über jenes Buch nur gesprochen wird, denn wir lesen das Interview. Während "Literaturbeilage" hinter jedem Detail eine Andeutung, ein Mysterium vermutet, kämpft Haas augenzwinkernd gegen jene Bedeutungssucht und die Unbill des Interpretiertwerdens an, wobei sich quasi eine Rekursion auftut, denn letztlich bleibt die Frage unbeantwortet, wodurch etwas Bedeutung erlangt: Durch die Intention oder die Interpretation.


    Wolf Haas ist dieses Experiment auf grandiose Weise gelungen; "Das Wetter vor 15 Jahren" ist ein unglaublich amüsantes, spannendes und selbstironisches Buch, das nicht nur nebenbei eine Lanze dafür bricht, etwas entspannter mit Literatur (und -beilagen) umzugehen, zudem eine ergreifende, absichtlich nicht wirklich glaubwürdige Liebesgeschichte (eigentlich: zwei) spinnt und niemals der Versuchung erliegt, den Autor (auch nicht den gespiegelten) zu erheben und die Kritik abzukanzeln. Spaßig, witzig, intelligent, großartig gemacht. Unbedingt lesen! Leider ist es (zu) schnell vorbei.

  • Danke Tom für die Rezi, das Buch hatte ich am Samstag schon in der Hand und konnte mich nicht entscheiden. Heute wär's leichter.


    Denis Scheck hatte es übrigens am Sonntag in [URL=http://www.daserste.de/druckfrisch/thema_dyn~id,153~cm.asp]Druckfrisch[/URL].

  • Bei unseren Ösifreunden steht dieses Buch auf Platz 1 der Bestsellerliste - und so was schreckt mich eher ab. Aber ich habe Toms toller Rezi nichts hinzuzufühen ausser die Wiederholung von: - lesen, unbedingt lesen.

  • Der sonst eher im Krimi-Genre bekannte Autor Wolf Haas (Die s.g. "Brenner"-Romane; verfilmt wurden u.a. "Komm süßer Tod" und "Silentium") versichte sich bei diesem Werk einer eher experimentelle Art und Weise des Schreibens; er lässt sich fünf Tage lang von einer Literaturbeilage interviewen und so wird nicht nur die Geschichte um den eher schüchternen Kowalski gebildet, sondern auch ein Einblick gewährt in die Schreibwerkstatt des österreichischen Autors. Schlagfertig und mit viel Selbstironie beantwortet er viele Fragen, gibt Denkanstöße, zitiert aus dem Text und zeiht manchmal mehr, manchmal weniger seine eigenen Figuren, aber auch den Literaturbetrieb durch den Kakao.
    Auch, wenn mir das Buch schluss endlich gut gefallen hat, so weist es doch viele Längen auf. Natürlich muss, wenn man sich als Protagonist mit dem Wetter beschäftigt dies auch authentisch sein und dem Leser einiges berichten können, aber... wirklich über 20 Seiten? Es gab Zeiten, da wollte ich es nicht beenden, weil der Spannungsbogen ab ein paar Punkten einfach nicht mehr vorhanden war; zumal er es schafft eine Spannung aufzubauen und sie dann ruckartig mit weitschweifigen Beschreibungen, die meiner Ansicht nach nicht nötig sind, zu unterbrechen. Und doch haben mich manche Sachen auch positiv überrascht, weil Wolf Haas es schafft trotz dieser Textform Schreckensmomente hervorzurufen, ein Mitfieberungsgefühl und man nie den Faden verliert, so abstrus auch die Handlung ausläuft.
    Zum Ende möchte ich nicht viel sagen, aber... ein so konstruiertes Ende ist mir lange nicht mehr unter gekommen und doch kann man sich das Grinsen nicht verkneifen. Ein sehr zwiespältiges Buch bleibt übrig nach 221 Seiten...

  • Achso, ja stimmt!


    Hm nein, gibts immer noch nicht. Die HC Ausgabe ist mir aber zu teuer wo ich doch nicht so ganz von dem Buch überzeugt bin.. schade ~~ Vielleicht find ich ja wen, ders mir borgen würd... oder ich geh noch mal welche in der Bücherei leihen :rolleyes (Sowas mag ich eigentlich nicht.)

  • Titel: Das Wetter vor 15 Jahren
    Autor: Wolf Haas
    Verlag: Deutscher Taschenbuchverlag (dtv)
    Erschienen: September 2008
    Seitenzahl: 224
    ISBN-10: 3423136855
    ISBN-13: 978-3423136853
    Preis: 8.90 EUR


    Zum Inhalt:
    Seit fünfzehn Jahren studiert Vittorio Kowalski wie besessen das Wetter in einem fernen Alpendorf. Er kennt die Hoch- und Tiefwetterlagen eines jeden Datums auswendig, ist mit den täglichen Luftdruckschwankungen, Niederschlagsmengen und Sonnenstunden vertraut. Eines Tages wird er mit diesem Spezialwissen sogar Wettkönig in der ZDF-Show „Wetten das....“.
    Niemand kann sich diese Leidenschaft erklären. In dem achthundert Kilometer entfernten Urlaubsort seiner Kindheit sitzt jedoch eine junge Frau vor dem Fernseher, die den schüchternen Wettkandidaten nach fünfzehn Jahren wiedererkennt. Anni war die Tochter der Zimmervermieter, Vittorio der Sohn der deutschen Urlaubsgäste. Die beiden Kinder verbrachten jeden Sommer gemeinsam- bis sie in ein Jahrhundertunwetter gerieten, welches sie für immer trennte.


    Der Autor:
    Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm geboren und hat sich durch zahlreiche Krimis um den Privatdetektiv Brenner einen Namen gemacht. Haas lebt in Wien.


    Meine Meinung:
    Der Roman „Das Wetter vor 15 Jahren“ ist eingebettet in ein fiktives Gespräch das eine Redakteurin der „Literaturbeilage“ mit dem Autor Wolf Haas führt. Wenn man so will ein Roman in einer anderen Fiktion. Ein sehr interessantes Unterfangen welches Haas wirklich ausgezeichnet gelungen ist. Der Leser erfährt eben nur ausschließlich durch dieses Gespräch zwischen Redakteurin und Autor wovon der Roman handelt und was genau in ihm passiert. Passagen aus diesem Roman gibt es nicht zu lesen. Der Roman befindet sich in einer existenten Nichtexistenz.
    Positiv hervorzuheben ist, dass Wolf Haas sich an keiner Stelle verzettelt oder das er den Leser mit langweiligen Passagen traktiert. Das Gespräch ist lebensnah, verzichtet aber auch nicht auf ein Augenzwinkern dann wenn es angebracht ist. Beide Gesprächspartner fungieren abwechselnd als Stichwortgeber und weichen die Rollen zwischen Fragenden und Antwortenden immer mehr auf.
    Ein reizvolles Buch in welchem man sich ohne große Mühe schnell festlesen kann. Wirklich sehr lesenswert. Vielleicht einfach mal in einer Buchhandlung unverbindlich drin blättern und man staunt wie schnell 8.90 EUR mal eben den Besitzer wechseln.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Herzquark hat eigentlich schon die Rezension geschrieben, die meinen Gedanken nach dem Lesen dieses ungewoehnlichen Buches entspricht. Ich kann mich also kurz fassen.


    Vom Klappentext her hatte ich eigentlich eine eher herkoemmliche Liebesgeschichte erwartet. Hoffte auch auf etwas Humor. Der Interviewstil war dann doch eher unerwartet. Er ist es aber, der fuer den Humor hier sorgt. Er kreiert eine Reihe ironischer Bemerkungen ueber den Literaturbetrieb bzw. die Selbstgefaelligkeit diverser Literaturkritiker.


    Fuer ein ganzes Buch reicht mir das aber nicht aus. Es ist dann immer wieder das gleiche. So wurde es dann stellenweise einfach nur langatmig, ich ueberlegte mehrfach abzubrechen, wartete ich doch - vergeblich - auf etwas neues. Das kam dann erst mit dem Schluss. Ja, der ist total konstruiert und unrealistisch. Aber genau das passt zu dieser irrealen Interviewsituation. In jedem anderen Buch haette mich das wohl genervt, hier gehoerte es zum Spass dazu.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Beatrix
    Mir ist es bisher noch mit allen Büchern von Wolf Haas so ergangen. Der Anfang ist gut, es kommen ungewöhnliche Gedanken, interessant formuliert vor, aber dann ist es bis zum Ende immer dasselbe.


    Obwohl Österreicherin, bin ich kein Haas-Fan.