Ein Teil Heimat seid Ihr für mich - Juliane Braun (Hrsg.)

  • Ein Teil Heimat seid Ihr für mich: Rundbriefe einer Mädchenklasse 1944-2000.


    Info:


    Als die Schülerinnen der 8a des Breslauer Zawadzky-Oberlyzeums 1944 nach dem Abitur auseinandergehen, ahnen sie nicht, wie lange sie voneinander und von ihrer Heimatstadt getrennt sein würden. Nachdem eine von ihnen das gemeinsame Rundbriefbuch über die Wirren von Kriegsende und Flucht rettet, findet sich der Kreis der Schreiberinnen im Nachkriegsdeutschland langsam wieder, und die Korrespondenz kann fortgeführt werden.
    Sie berichten über die Schrecken der Flucht, den steinigen Neuanfang, das Wirtschaftswunder, berufliche Neuorientierung und familiäres Glück. Später entwickeln sich die Briefe zunehmend zu einem Forum der Auseinandersetzung: Probleme der Kindererziehung werden genauso diskutiert wie die Frage nach der Schuld der Deutschen und wie man mit der "alten Heimat" im nun polnischen Breslau umgeht.
    Entstanden ist ein außergewöhnliches Dokument, das die verschiedensten Lebensentwürfe von Frauen in Ost- und Westdeutschland beleuchtet.


    "Sechzig Jahre deutscher Geschichte erschließen sich von einer sonst kaum überlieferten Seite. Nicht die Akteure von Politik oder Widerstand, sondern die Betroffenen berichten. Authentisch, zurückhaltend erzählen sie von ihrem Leben, ihren Freuden und Leiden..." Neues Deutschland
    "Ein einzigartiges Stück persönlicher Zeitgeschichte - authentisch und berührend." Radio Eins


    Breslau 1944: als die Abiturientinnen des Breslauer Zawadzky-Gymnasiums zum Reichsarbeitsdienst eingezogen werden, entschließen sie sich, über einen Rundbrief miteinander in Kontakt zu bleiben. Fast sechzig Jahre lang kursiert dieser Brief, in dem die Frauen, die zum größten Teil aus begüterten und gebildeten schlesischen Elternhäusern stammen, über ihr Leben berichten: über Flucht und Vertreibung nach Kriegsende, den schwierigen Neuanfang in beiden deutschen Staaten, Kindstaufen, Hochzeiten, berufliche Schwierigkeiten, den neuen VW-Käfer und den ersten Urlaub am Gardasee. Die Sehnsüchte, Sorgen und Glücksmomente der Frauen setzen sich kaleidoskopartig zu einer weiblichen Alltagsgeschichte von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart zusammen, wie sie spannender und unterhaltsamer nicht geschrieben werden könnte.


    Meine Meinung:


    Ausgehend vom gleichen Schicksal, in einer Zeit im Leben zu bestehen, in der es Krieg, Zerstörung, Hunger und sonstige Bedrohungen gibt, verfolgen wir hier das Erleben einer Gruppe von Frauen, die es auf unterschiedlichste Weise schaffen, diese Zeit zu meistern. Dank einer beständigen brieflichen Berichterstattung können wir alles verfolgen. Jede schreibt so ihr Erleben auf, wie es ihr in den Sinn kommt. Manche setzen unterschiedliche Prioritäten, je nach Lebenssituation (Ehe, Single, Kinder, Beruf etc.). Das ist alles unheimlich spannend und hat mir persönlich noch einmal die Augen geöffnet, wie wenig ich doch über dieses Flüchtlingsthema weiß (was kriegt man schon in der Schule vermittelt??).
    Absolut empfehlenswert als authentisches Zeitdokument! Kurzweilig, aber trotzdem nachdenklich stimmend.

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

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  • Meine Meinung:


    Über einen Rundbrief, der unter den Abiturientinnen der Klasse 8a eines Breslauer Gymnasiums 1944 immer wieder die Runde macht, bleiben die jungen Frauen fast 60 Jahre in Kontakt miteinander. Aus den mehr als 1.300 Einzelbriefen hat Herausgeberin Juliane Braun einen kleinen Teil ausgewählt, der einen Querschnitt über das Leben von aus Schlesien vertriebenen Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg abbildet. Ob diese Auswahl repräsentativ ist, lässt sich von außen nicht beurteilen, allerdings ist Frau Braun selbst die Tochter einer der Briefeschreiberinnen und damit nahe dran an der Geschichte der Briefe.


    Die meisten Frauen, die an dem Rundbrief teilnehmen, stammen aus vergleichsweise wohlhabenden Familien und teilen das gleiche Schicksal: Sie erleben das Ende des Zweiten Weltkriegs und die anschließende Vertreibung aus ihrer Heimat hautnah mit. In alle Regionen Deutschlands und bis nach Amerika verschlägt es die Frauen, die auf ihre Weise versuchen, mit der schwierigen Situation fertig zu werden. Jede gestaltet ihr Leben auf ihre persönliche Weise, wird berufstätig, heiratet, bekommt Kinder, engagiert sich in sozialen Projekten oder reist an nahe und ferne Orte.


    Viel interessanter sind die Informationen zwischen den Zeilen. So finden sich - zumindest in den hier ausgewählten Briefen - in den Jahren nach Kriegsende kaum politische oder gesellschaftliche Äußerungen. Es dauert fast 40 Jahre, bis sich die Frauen in ihren Briefen auch über solche Dinge austauschen, was ihr Verhältnis zueinander noch inniger macht. Für den Leser werden die Frauen damit "greifbarer" und menschlicher, denn alleine die Anzahl der Kinder oder Reisen sagt im Grunde nicht viel über sie aus. Vor allem ihre Gedanken über die alte Heimat Breslau vermitteln einen sehr guten Eindruck davon, wie schwer es für sie war, diese damals zu verlassen. Ich hätte mir mehr solcher "privater" Einblicke gewünscht - sofern es sie in den Briefen überhaupt gegeben hat. Sehr aufschlussreich sind schließlich die am Ende des Buches aufgelisteten Kurzbiographien aller Frauen, in denen die wichtigsten Eckdaten ihres (bisherigen) Lebens noch einmal zusammengefasst werden.


    Von mir gibt es 7 Punkte.