Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge - Rainer Maria Rilke

  • Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
    Rainer Maria Rilke



    Es handelt sich um eine vom Südwestrundfunk bearbeitete Hörspielfassung mit einigen Kürzungen.
    Da mich sehr interessiert, was da in der Hörspielfassung weggefallen ist, höre ich derzeit immer erst das Hörspiel und lese dann die gedruckte Fassung (aus dem Netz) hinterher.
    Mittlerweile bin ich am Ende der ersten CD (von 2) angekommen. Bisher ist nicht viel weggefallen. Am auffälligsten noch bei den Beschreibungen aus Maltes Vergangenheit in seiner Familie.


    Sehr gut gefällt mir der Sprecher des Malte, Jens Harzer. Er macht die Verletzlichkeit und Verzweiflung des jungen Mannes, der die fremde Stadt durchwandert und "das Sehen lernt" fast schmerzlich hörbar.
    Ein großer Vorteil des Hörspiels ist auch, dass ein im Buch nur mit seinem Titel genanntes Gedicht von Baudelaire "Une Charogne" gleich in Teilen eingesprochen und übersetzt wiederholt wird. Das macht die Gedankengänge des Malte gleich sehr viel nachvollziehbarer.
    Auch die Geräusche, mit der der Text häufig unterlegt ist, passen sowohl zu der geschilderte Umgebung, als auch zu Maltes Gedanken.


    Mehr erfahrt ihr nach dem Ende der 2. CD

  • Der zweite Teil macht mir sehr viel mehr Probleme als der erste. Besonders der Text ist nicht leicht zu lesen.
    Immer wieder lese ich Abschnitte mehrmals. Es sind teilweise sehr seltsame Überlegungen, die Malte so anstellt. Gerade bin ich auf Seite 99 (Jetzt doch in einer gedruckten Ausgabe) und Malte hat Wandteppiche betrachtet und sich über sie in seinen Gedanken mit Abelone unterhalten. Dabei interpretiert er das Verhalten der auf dem Teppich dargestellten Personen und Tiere.


    Jetzt wird deutlich, dass das Hörspiel viele Abschnitte auslässt.
    Es gibt noch einiges zu tun. :-)

  • Es ist genau 31 Jahre her, dass ich den Malte gelesen habe. (Damals hatte ich noch die üble Angewohnheit, das Lesedatum auf dem Deckblatt zu vermerken :rolleyes). Ich habe es jetzt wieder aus dem Regal gezogen und werde hier, zumindest gedanklich, ein bißchen hinterherhoppeln :grin.
    Nach wie vor fasziniert mich der erste Satz. Ein sehr gelungener Beginn, der die folgende melancholische Tristesse vor dem inneren Auge entstehen lässt.
    Rilkes Beschreibungen sind sehr stark. Auch sehr ausführlich, das muss man mögen...
    Beispielsweise die Beschreibung seines möblierten Zimmers. Das konnte ich schon damals so gut nachvollziehen, hatte ich doch bereits erste Erfahrungen mit ersten eigenen Buden. Sehr gut gelungen auch die Darstellung, wie Zu- und Umstände, die man zuerst abstoßend und bedrückend empfindet dann doch zur Selbstverständlichkeit werden. Nicht eigentlich Resignation, eher ein Gewöhnen, ein Heimisch werden in einer Umgebung, die so gar nichts Heimisches und Gemütliches an sich hat...

  • Ich finde, es ist keine üble Angewohnheit. Mein Mann macht das auch und so weiß er immer, wann er was gelesen hat. Oder ob!


    Manche Vorstellungen Maltes finde ich richtig gespenstisch. Zum Beispiel die, wo er meint, Ereignisse der Vergangenheit würden, wie etwas Spitzes, ein einen eindringen, ihre Spuren im Hirn hinterlassen. Und zwar nicht solche Ereignisse, die wir gar nicht miterlebt haben, die lange vor uns auf Plätzen und Straßen einer Stadt stattgefunden haben. Gruselig.

  • Vermutlich musste Malte das so empfinden. Geplagt von Angstzuständen und geprägt durch die Phobie(n) der Mutter. (Ich hinke noch etwas hinterher beim Lesen, meine mich aber zu erinnern, dass die Mutter eine Nadelphobie hatte? Und dass Malte häufiger spitze Formen und Kanten erwähnt?)
    Dennoch bin ich der Überzeugung, auch wenn das Folgende etwas esoterisch klingen mag, dass man an manchen Orten Ereignisse nachspüren und -empfinden kann, auch ohne von diesen Ereignissen zu wissen. Natürlich nicht die genaue Natur dieser Ereignisse, eher eine Art Schwingung. Das kann sehr gruselig und beängstigend sein, aber manchmal auch wohlig oder gar erhaben. Salopp ausgedrückt: ich glaube an Spukhäuser :grin. Malte jedoch empfand das sicher als sehr beängstigend und bedrohlich.

  • Ich glaube gern und habe schon erlebt, dass es unheimliche Orte und Gebäude gibt. Aber ich glaube nicht daran, dass jemand, der heute durch Paris, Berlin oder eine andere Stadt deiner Wahl tippelt, irgendein Gefühl von Ereignissen bekommt, die sich da vor 200 Jahren abgespielt haben mögen. Es sei denn, der Mensch weiß Bescheid.


    Stimmt, seine Mutter hat ab einem bestimmten Zeitpunkt nichts mehr gegessen, was sie nicht in Krümel zerlegen oder durch ein Sieb schütten konnte. Weil es doch so viele Nadeln gibt.


    Ich bin etwas weiter und plage mich gerade mit den Nachbarn. Vor allem dem mit der gestohlenen Zeit. Sowas, hat Michael Ende geklaut. :yikes

  • Die zweite CD und das Buch habe ich beendet.
    Ganz klar ist, dass im Hörspiel viel ausgelassen wurde. Ich kann keine Gründe erkennen, warum ein Abschnitt weggelassen wurde, ein anderer nicht.
    Das ist bei einem Text, der von einem Gedanken, einer Betrachtung zur nächsten springt, auch nicht zu erwarten.


    Insgesamt meine ich, das Hörspiel eignet sich gut, sich an den Roman heranzutasten, den Ton kennenzulernen, in dem er geschrieben ist. Es lässt sich erahnen, wie ungewöhnlich dieses Werk sowohl inhaltlich wie auch formal für die Zeit, in der es erschienen ist, war.
    Die Lektüre kann es nicht ersetzen. Ist es schon im Buch schwierig, die vorhandenen Verknüpfungen zu bemerken, weiter vorne nochmal nachzulesen oder (bei mir war das häufig nötig) mal im Netz nachzuschauen, was es denn mit dem einen zitierten Werk oder der anderen Geschichte auf sich hat, so ist das bei einem Hörspiel völlig unmöglich.


    Mich hat das Hörspiel jedenfalls dazu gebracht, einen Roman kennenzulernen, um den ich immer einen großen Bogen gemacht habe.

  • Rumpelstilzchen, hab ich richtig verstanden, dass Du das Hörbuch (und Buch?) abgeschlossen hast?
    Dann sollte man vielleicht mit weiteren Kommentaren in den "Ich lese gerade"-Thread umziehen und diesen Thread dort als ersten Beitrag verlinken?

  • made, ich hatte mir das Buch jetzt geliehen, werde es mir aber kaufen. Es gibt viele interessante Gedanken, die es lohnt, immer mal wieder hervorzuholen und neu zu überlegen.
    Ich mag ja gerne mal ein Buch, das mich dazu bringt, dies und das nachzulesen.


    Ich finde, man muss es auch nicht immer von vorne bis hinten durchlesen. Manchmal reicht ein einzelner Abschnitt und man hat einen ganzen Tag dran zu denken.

  • Ich bin mit der Printfassung nun umgezogen, habe aber diesen Thread im Eingangsbeitrag verlinkt, damit er nicht untergeht. Wäre schade drum.
    Rumpelstilzchen : vielen Dank, dass Du mich zum erneuten Lesen dieses Buchs inspiriert und animiert hast. :anbet