Drei Songs später - Lola Renn (14-17 J.)

  • Inhalt:


    Die 15-jährige Zeta fühlt sich in der Schule fehl am Platz, denn trotz Nachhilfe kommt sie einfach nicht mit und ihre Versetzung ist gefährdet. Sie möchte wechseln: auf ein Tanzgymnasium, um ihren großen Traum vom Tanzen zu verwirklichen. Doch wie soll sie das ihrem Vater erklären? Ihm, der ständig betrunken ist, ihr Angst macht und für den das Abitur der einzige Weg ist? Oder ihrer Mutter, die gegen den cholerischen Vater selbst nicht ankommt und sich fügsam im Alkohol versteckt? Als die Situation zu eskalieren droht, muss Zeta ihren eigenen Weg finden. (Quelle)


    Meine Meinung:


    „Beim Abendessen ist miese Stimmung. Mein Vater quetscht mich über die Mathearbeit aus, und ich erzähle, was alles schiefgelaufen ist. Er ist ziemlich sauer. Als er aufsteht, um den Korkenzieher für die erste Flasche Wein zu holen, rempelt er mit Wucht gegen meinen Stuhl.‚Kannst du nicht Platz machen?‘, fährt er mich an.Ma duckt sich und rührt im Honigglas, als hätte sie was ganz Interessantes darin entdeckt.“ (S. 10)


    Als ich gesehen habe, worum es in diesem Buch geht, war mir klar, dass ich es lesen muss. Viele Bücher behandeln das Thema häusliche Gewalt oder sexuellen Missbrauch, aber bisher habe ich noch kein Buch entdeckt, in dem es um psychischen Missbrauch geht.


    Oberflächlich gesehen geht es Zeta gut: Ihre Eltern sind wohlhabend, sorgen sich um ihre schulischen Leistunden, organisieren ihr sogar Nachhilfe. Zeta wird nicht geschlagen und auch sonst nicht von ihren Eltern unangemessen angefasst.
    Und doch herrscht zuhause eine Stimmung, die selbst für mich als Leserin mehr als unangenehm war: Zetas Vater, der regelmäßig zu viel trinkt, cholerisch ist und kein Verständnis für seine Tochter aufbringt, ist genauso überzeugend dargestellt wie ihre Mutter, die immer nur wegsieht und Zeta niemals unterstützt aus lauter Angst vor der Konfrontation mit ihrem Mann.


    „Er räumt die Schublade aus, wirft die Korken und Gummibänder auf den Boden. Ma huscht in der Küche herum und sammelt sie wieder ein. Ich dreh mich weg. Ich kann es nicht ausstehen, wenn sie so untertänig ist.“ (S. 10)


    Doch Zeta scheint nicht in diese Familie zu passen, sie hat ihren eigenen Kopf und auch wenn sie unter ihrem Vater leidet, versucht sich doch immer wieder, sich ihm nicht unterzuordnen – bis es zum ganz großen Krach kommt…


    „Drei Songs später“ ist ein wichtiges Buch, denn es zeigt auf, dass Gewalt und Unterdrückung nicht immer körperlich sein muss. Besonders gelungen finde ich es, dass die Situation nicht übertrieben dargestellt wird. So können sich hoffentlich einige Jugendliche mit Zeta identifizieren und erkennen, dass das, was sie zuhause durchmachen, keineswegs normal ist, und dass es sich lohnt, sich Hilfe von außen zu holen; sei es von Freunden, Bekannten oder Lehrern.

  • Dieser Jgendroman lag lange in meinem RuB, da das Pseudonym "Lola Renn" bei mir geringschätzige Gedanken auslöste, so in Richtung "abgekupfert" vom Film "Lola rennt" , nicht gerade sehr fantasievoll, kann ja nicht so doll sein. Mit anderen pseudonymisierten Jugendromanen hatte ich einige schlechte Erfahrungen gemacht, dochder Titel gefiel mir, und daher mochte ich Drei Songs später auch nicht ungelesen aussortieren..


    Gestern Nacht habe ich einfach mal angefangen zu lesen und war angenehm überrascht. Und heute Morgen konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.


    Aus der Ich-Perspektive erzählt Zeta über ihr immer häufiger auftretendes Nasenbluten, über ihre Probleme in Mathematik und Chemie, über ihre Freunde, ihre Familie und ihren großen Wunsch, eine Schule zu besuchen, in der es möglich ist, das Fach Tanz zu wählen und später eine Ausbildung zur Tänzerin zu machen. Da man an ihren Gedanken und Gefühlen teilnimmt, entsteht eine große Nähe. Mich hat das, was Zeta erlebt, sehr berührt.
    Der klare, treffende Stil, der nicht unnötig verschnörkelt daherkommt, sondern gerade so viele Farben, Töne oder andere sinnliche Eindrücke einfließen lässt, dass das Kopfkino wunderbar funktioniert und viel Raum für eigene Gestaltung lässt, gefiel mir.


    Sehr interessant finde ich, dass die Probleme, aber auch Talente und Stärken dieser sympathischen Jugendlichen gezeigt werden und man im Verlaufe des Geschehens immer mehr von der Oberfläche in die Tiefe dringt. Das bedeutet in diesem Falle, dass ich miterleben konnte, wie sich das Familienleben auf die seelische und gesundheitliche Verfassung der Protagonistin, Zea, auswirkt. Und wie sie nach und nach schafft, sich mit Hilfe von Freunden, der Mutter einer Freundin und eines Lehrers sich darüber klar zu werden, dass es nicht so bleiben muss...


    Es gibt gegen Ende einen Zeitsprung, so dass ein Teil des Geschehens unbeleuchtet bleibt, was zu offenen Fragen führt.



    Wunderbar finde ich es, das hier auf eine sehr anschauliche, ehrliche, aber nicht überdramatisierte Art miterlebbar wird, wie es möglich wird, einen Ausweg zu finden.


    Ein Buch, das Jugendlichen Mut machen kann, das aber auch für Erwachsene interessant ist, da es Einblicke ermöglicht, die gewöhnlich hinter der "heilen Fassade" der betroffenen Familien verschlossen bleiben.


    Von mir gibt es 9/10 Eulenpunkten



    Edit: Einen Gedankengang im Spoilertext vervollständigt.

  • Ich habe damals auch zuerst an den Film gedacht, als ich den Namen der Autorin gesehen habe, :lache
    aber er ist echt, es ist kein Pseudonym.


    Und das Buch ist toll!



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus