Autorin: Carmen Lobato (alias Charlotte Lyne/Roth)
Titel: Die Stadt der schweigenden Berge
Seitenanzahl: 571
Erscheinungsdatum: Februar 2015
Inhalt
Berlin 1931: Die junge Amarna ist fasziniert von der Kultur der Hethiter und vor allem von deren alter, versunkener Hauptstadt. Sie träumt davon, selbst einmal dorthin zu fahren, und vertieft sich in die Lektüre der Schriften jener Zeit. Doch ihr Vater, ein Altorientalist, verweigert ihr die Reise, obwohl er die Leidenschaft seiner Tochter teilt. Was ist auf jener Expedition passiert, die ihn einst in die verlorene Stadt führte? Und warum spricht er nie von der Mutter, an die Armana kaum eine Erinnerung hat? Mit Hilfe ihres Freundes Paul, der Amarna schon lange liebt, gelingt es ihr schließlich, ihren Traum zu verwirklichen – der sich jedoch bald als Alptraum entpuppt ...
Meine Meinung
Ich muss gestehen, dass ich vor der Anmeldung zur Leserunde noch nie von Hattuša gehört hatte, die Hethiter waren mir zumindest aus dem Alten Testament nicht gänzlich unbekannt, zuordnen konnte ich sie jedoch nicht. Schon allein deshalb war die Begegnung mit dem Land Hatti unglaublich spannend und nur durch sehr wenig Recherche im Vorfeld belastet. Das habe ich inzwischen jedoch intensiv nachgeholt.
Ich war wie Amarna (die ich am Anfang stets Armana genannt habe) von der ersten Seite an fasziniert von der vergessenen Geschichte des hethitischen Volkes. Da kann man dann auch mal Gilgamesch drüber vergessen, die Abschlussarbeit sowieso. Gerade das geringe Wissen um die vergessene Kultur machten es so spannend, kleine Fitzelchen zu erfahren und zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen.
Amarna lebt mit ihrem Vater in Berlin in den frühen 30ern und erlebt bereits die ersten Anzeichen des drohenden Nationalsozialismus, die sie aber eher unbewusst wahrnimmt und nicht richtig zu deuten weiß. Diese unterschwellige Drohung wird vor allem durch Paul vermittelt, der einen ganz anderen Kontakt zum Volk hat und die Bewegung viel deutlicher wahrnimmt als Amarna es kann.
Zum Glück verlassen die Beiden Deutschland sehr schnell und der größte Teil des Buchs spielt in Istanbul, dem ehemaligen Konstantinopel, das einen fantastischen Schauplatz für Amarnas erste Begegnungen mit Hattuša und ihren Zeugnissen bietet. Besonders das Museum Istanbuls hat es mir angetan, durch das würde ich unheimlich gerne mal schlendern.
Die Beschreibungen der Städte, Dörfer oder im Falle des letzten Drittel im Buch, von Hattuša, fand ich sehr beeindruckend und lebendig geschildert. Amarna erlebt alles zum ersten Mal und durch ihre Augen reisen wir mit ihr von Berlin ins anatolische Hochland, was alles andere als trocken und hart erscheint, wenn man nur nach den richtigen Dingen Ausschau hält – was auch Amarna am eigenen Leib erfährt.
Auf der Reise lernen wir immer mehr Charaktere kennen, die nicht alle das sind, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Da wäre Paul, der Arbeitersohn dem nichts wichtiger ist, als seine Bildung und sein hart erarbeiteter Stand. Merten, der einerseits hoch gebildet und zivilisiert wirkt und gleichzeitig furchtbar grausam sein kann. Die drei Türken (meine Lieblinge), die als Vertreter einer ganzen Nation eine Bürde tragen. Amarnas Vater Tilman, den man selten persönlich trifft und der dennoch unverzichtbar für die Auflösung und Amarnas Geschichte ist. Und schließlich Arman. Über den habe ich mir über 500 Seiten den Kopf zerbrochen, weswegen ich hier niemandem die Verzweiflung/Freude nehmen will, dasselbe zu tun.
Die Geschichte hat mir unglaublich gut gefallen, allerdings gab es eine Sache, die mich doch mehrmals gestört hat, über die ich hier aber nicht ins Detail gehen kann, ohne zu viel zu verraten. Ich werde spoilern, und tut euch wirklich den Gefallen, der Versuchung zu widerstehen!
Übrigens: meine Lieblingsszenen waren in Hattuša selber, also vor 3000 Jahren. Puduhepas (hat ebenfalls gedauert, bis ich mir das merken konnte..) Geschichte habe in jedem Abschnitt entgegen gefiebert!
Fazit
Eine farbenprächtige Reise in die Vergangenheit, auf der man Zitronen schmeckt und den Muezzin rufen hört, auf der man Amarna auf der Suche nach ihrer eigenen und der hethitischen Geschichte begleitet und die Seiten gar nicht schnell genug umblättern kann, weil man so in den Sog der Mauern von Hattuša gerät, der aber (in meinen Augen) ein bisschen weniger Leid besser gestanden hätte. 9 Punkte.