"Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen" - wunderschöner Titel in der Zeit der "-in"-Bücher. In einem anderen Verlag hätte er womöglich "Die Sammlerin" oder "Die Zigeunerin" geheißen. Letzteres wird Halinka in dem Kinderheim, in dem sie lebt, oft nachgerufen - wahrscheinlich, weil sie aus Polen kommt und dunkle Haare hat. Dass sie Jüdin ist, erfährt man nur so ganz nebenbei. Überhaupt erfährt man das meiste nur so nebenbei, denn Halinka redet nicht gerne über sich selber. Warum sie im Heim ist, zum Beispiel, und dass sie heimlich die Puppe ihrer Erzfeindin verhauen hat. Erst langsam lernt sie, das einem anderen Mädchen im Heim zu erzählen. Womöglich wäre es doch ganz schön, eine Vertraute, eine Freundin zu haben? Könnte doch sein.
Halinka hat ein geheimes Versteck, in das sie sich abends oft zurückzieht, wenn alle schlafen. Dort hat sie auch ihr "Gedankenbuch" versteckt. Tagebuch schreibt sie nicht, denn niemand soll lesen können, was sie wirklich denkt und erlebt, aber in ihrem "Gedankenbuch" sammelt sie Sätze, die sie an all das erinnern, was sie erlebt hat und nicht vergessen möchte. Den Satz aus dem Buchtitel, zum Beispiel.
"Könnte doch sein." Solche Sätze wie der oben sind typisch für das Buch. Es ist in der Ich-Form geschrieben, in einer einfachen Sprache, wie sie zu Halinka passt - aber zu Halinka passen auch Sätze wie der Buchtitel. Mirjam Pressler schreibt Halinkas Geschichte in einem faszinierend authentischen Ton. Die Sprache ist ein Traum - schon in "Malka Mai" und "Für Isabel war es Liebe" hatte sie mich begeistert, und hier war ich wieder völlig hin und weg.
Inhaltlich hat mich einzig der Schluss nicht so ganz überzeugt, das war mir ein bisschen zu rosarot. Aber einer Autorin, die so wundervoll schreibt, der verzeihe ich fast alles. Sie ist auch Übersetzerin, und ich bewundere sie dafür, wie souverän sie mit der Sprache umgeht. Das war sicher nicht das letzte Buch, das ich von ihr gelesen habe. Ob Kinder-/Jugendbuch oder nicht, das war mir hier völlig egal.
Leider finde ich nur eine nicht ganz billige gebundene Ausgabe bei Amazon, die lieferbar ist. Ich hatte das Glück, es als SZ-Jugendbuch zu kriegen (wie auch immer die Reihe hieß), da war es wesentlich billiger.