Cornelia Travnicek - Chucks
• Format: Kindle Edition
• Dateigröße: 257 KB
• Seitenzahl der Print-Ausgabe: 192 Seiten
• Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt; Auflage: 2 (5. März 2012)
• ASIN: B00739NHQ0
• ISBN: 978-3421045263
• Preis: 14,99 Euro (print), 11,99 Euro (ebook)
Kurzbeschreibung:
Punkig, zärtlich, bedingungslos ehrlich – eine starke neue Stimme!
Mae zog noch vor Kurzem als Punk durch die Straßen Wiens, lebte von Dosenbier und den Gesprächen mit ihrer Freundin über Metaphysik und Komplizierteres. Im AidsHilfe-Haus, wo sie eine Strafe wegen Körperverletzung abarbeiten muss, lernt sie Paul kennen und verliebt sich in ihn. Als bei ihm die Krankheit ausbricht, beginnt Mae gegen sein Verschwinden anzukämpfen: Sie sammelt seine Haare und Fußnägel wie Devotionalien und fängt zuletzt die Luft in seinem Krankenzimmer in einem Tupperdöschen ein. Chucks erzählt eine bezaubernde Geschichte vom Aufwachsen zwischen Liebe und Tod und ist von einem Ton durchdrungen, der mal humorvoll, mal aufwieglerisch laut, aber auch überaus zärtlich sein kann.
Pressestimmen:
»Wenn ich mit einer Figur der zeitgenössischen Literatur in einem Lift stecken bleiben möchte, dann mit Mae. Ob ich heil aus dem Lift kommen würde, weiß ich nicht, aber das wär's wert.« (Clemens J. Setz (Preis der Leipziger Buchmesse 2011))
»Eine eigentlich furchtbar traurige Geschichte, die einen aber nicht traurig macht. Das ist schon erstaunlich, wie Cornelia Travnicek das schafft. Der Ton dieses Buches trägt viel dazubei, dass es einen nicht in tiefste Depressionen hinabzieht - im Gegenteil! Mich hat es auf zauberhafte Weise sogar beschwingt hinterlassen. Es ist schwebend erzählt, manchmal rotzig, manchmal poetisch, aber nie wehleidig. Schon die ersten Zeilen nahmen mich völlig für die Erzählung ein, obwohl sich das Verhängnis von Anfang an ankündigt.« (WDR 2 Bücher, Antje Deistler)
»Dass Cornelia Travnicek nichts dem Zufall überlässt und eine bewusste Spracharbeiterin ist, zeigen auch die Kapitelüberschriften, die oft Inhaltsangaben parodieren und auf einer anderen Ebene funktionieren als der Erzähltext. Der Autorin ist eines der überraschendsten Bücher dieser Saison gelungen, das gerade in seiner Leichtigkeit schwer wiegt und große zeitdiagnostische Kraft hat, ohne diese je ausstellen zu müssen.« (derstandard.at, 25.05.2012)
Zur Autorin:
Cornelia Travnicek wurde 1987 in St. Pölten, Niederösterreich, geboren. Derzeit lebt sie in Traismauer und Wien. Sie studierte Sinologie und Informatik und arbeitet als Researcher in einem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung. Für ihre literarischen Veröffentlichungen erhielt sie Arbeits- und Aufenthaltsstipendien und wurde mehrfach ausgezeichnet. Ihr Romandebüt "Chucks" wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium. 2012 erhielt sie für einen Auszug aus ihrem neuen Roman "Junge Hunde" den Publikumspreis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.
Meine Meinung:
Die Einordnung des Romans fällt nicht leicht. Die erwachsene Mae erzählt uns aus ihrem Leben. Dabei springt sie immer wieder in die Vergangenheit zurück, erzählt von Begebenheiten, die sie als Kind erlebt hat. In gewissem Sinne könnte man deshalb diesen Roman auch als Jugendbuch deklarieren.
Mit dem Krebs-Tod von Maes Bruder (den sie innig liebt) zerbricht nicht nur die Familie, sondern auch ihre Kindheit (sie ist zehn Jahre alt). Und damit das Urvertrauen, auf das sich die Persönlichkeitsbildung stützt. Mae lässt sich Stacheln wachsen, die sie der Welt und allen Menschen entgegen hält. Sie erscheint ruppig, unhöflich, dreist, enthemmt und auf ganzer Linie unsympathisch. Doch das alles dient ihrem Schutz. Darunter gibt es noch eine andere Mae, eine, die genau hinsieht, die zu aller Liebe fähig ist. Diese schenkt sie Paul, der an Aids erkrankt ist, von dem sie weiß, dass auch er sie verlassen wird, wie schon ihr Bruder zuvor.
Auch Tamara, eine Punkerin, spielt eine große Rolle in Maes Leben, als sie sich dem aus den Fugen geratenen Leben verweigert und eine Zeit lang mit Tamara auf der Straße lebt. In Maes Worten hört sich das so an:
S. 11
Auf einmal hatte ich einen Punk und war unheimlich stolz darauf, selbst Pippi Langstrumpf hat es nur zu einem Affen gebracht.
Das nichtlineare Hin- und Herspringen in der Zeitleiste ist anfangs etwas verwirrend bis ärgerlich. Man muss sich konzentrieren, bei einem Buch, das sich von der Schreibweise wunderbar leicht lesen lässt. Aber diese Konzentration ist unabdingbar, wird dem Buch nur gerecht. Die Autorin verbindet das Schwere mit dem Leichten, das scheinbar Offensichtliche mit dem Tiefgründigen. Sie stellt Maes Suche nach Sicherheit und der gleichzeitigen Gegenwehr dar.
S.15
Jetzt ist alles anders, jetzt umgibt mich Sicherheit. Sicherheit, das ist, wenn man Milch über seine Cornflakes gießen kann, ohne sich vorher schnuppernd vergewissern zu müssen, dass man nicht gleich verdorbene Eiweißklümpchen auf seinen Ballaststoffen findet.
Das Buch entzieht sich einer Kategorisierung, zeigt verschiedene Facetten. Es stößt ab und bindet den Leser gleichzeitig an das Geschehen. Es ist flapsig und doch zutiefst ernsthaft. Ein Buch voller Widersprüche, von dem ich jedoch eines ganz genau sagen kann: Es hat mich berührt.
Ich habe mir ganz viele Textstellen markiert, die mich sehr angesprochen haben. Hier noch ein Beispiel, in dem Mae von ihrem Bruder erzählt:
S. 126
Sebastian. Se-bas-ti-an. Jede Silbe dieses Namens nahm in meinem Kopf Anlauf, stieß mir von hinten gegen die Augäpfel wie ein Meißel, wollte Tränen absprengen wie kleine Gesteinssplitter. Das ist ein unaussprechlicher Name.
Ich gebe 10 von 10 Eulenpunkten. Und gestehe, am Ende ein Tränchen verdrückt zu haben.
edit: Leerzeile eingefügt