Das Buch ist auch gemeinsam mit dem zweiten Teil "Das Weltreich der Chirurgen" in der gekürzten Ausgabe "Die Geschichte der Chirurgie" erschienen. Leider sind alle Ausgaben ziemlich vergriffen.
Die Geschichte der Chirurgie ist eine Geschichte der letzten hundertJahre.
Sie hebt im Jahre 1846 mit der Entdeckung der Narkose unddamit der Möglichkeit, schmerzlos zu operieren, an.
Alles, was vorher war, ist nur eine Nacht der Unwissenheit, der Qual und des fruchtlosen Tastens im Dunkel.
Die »Geschichte der hundert Jahre« aber bietet das ungeheuerste Panorama, das die Menschheit kennt.
BERTRAND GOSSET
Zum Buch (Klappentext):
Das Jahrhundert der Chirurgen begann am 16. Oktober 1846, als im "Massachusetts General Hospital" die erste schmerzfreie Operation unter Narkose gelang. Dieses Jahrhundert brachte der modemen Chirurgie eine Entwicklung voll dramatischer Höhepunkte, aber auch schicksalhafter Niederlagen. Jürgen Thorwald gelingt es in seinem " Jahrhundert der Chirurgen", das zu einem Klassiker der Medizinhistorie geworden ist, den
Leser unmittelbar an dieser packenden Geschichte der Chirurgie im 19. Jahrhundert teilnehmen zu lassen. Aus den Memoiren des Großvaters von Jürgen Thorwald, des Chirurgen Henry Steven Hartmann, ersteht ein faszinierendes und authentisches Bild jener großen Chirurgen, die mutig und unverdrossen den Kampf mit dem Tod aufnahmen und in immer neue Bereiche des menschlichen Körpers vorstießen.
Über den Autor:
Jürgen Thorwald, 1915 in solingen geboren und schon als Junge mit erzählerischen und schriftstellerischen Versuchen über so unterschiedliche Themen wie Seefahrt, Medizin, Fliegerei und Literatur beschäftigt, unterbrach 1936 sein begonnenes Medizin-Studium wegen einer Nierenkrankheit, die sein ganzes Leben veränderte. Mehr in Krankenzimmern als in Hörsälen studierte er Philologie, um wie sein Vater Lehrer zu werden. Bei Kriegsbeginn zur Marine einberufen, aber dienstunfähig befunden, kam er aufgrund seiner schriftstellerischen Begabung als "Jungmitarbeiter" in eine Abteilung des Marine-Oberkommandos, die versuchte, fundierte Marineschriftsteller nach amerikanisch-englischem Vorbild heranzubilden. 1948 erschien sein Bch "Es begann an der Weichsel", ein Werk, das nach dem Urteil der zeitgenössischen internationalen Presse an Stoff und geistiger Haltung jede andere Darstellung des deutschen Zusammenbruchs im Osten übertraf und mit dem Folgeband "Das Ende an der Elbe" zu einem Klassiker der Zeitgeschichte gehört. Ähnliches gilt fpr seine zweibändige Geschichte der Chirurgie "Das Jahrhundert der Chirurgen" und "Das Weltreich der Chirurgen". Beide wurden, ebenso wie seine kriminalgeschichtlichen Sachbücher "Das Jahrhundert der Detektive" und "Die Stunde der Detektive", Welterfolge. 1978 erschien sein vielbeachtetes Werk "Das Gewürz - Die Saga der Juden in Amerika".
Meine Meinung:
Die Geschichte der Chirurgie wird in diesem Buch in der Ich-Form aus der Sicht des Arztes Henry Steven Hartmann erzählt. Hartmann hat selbst kaum als Arzt gearbeitet, liebte es aber, auf der ganzen Welt herumzureisen und immer ganz vorne dabei zu sei. Dank eines großzügigen Erbes konnte er sich seinen nomadenhaften Lebenswandel auch leisten, ohne wirklich selbst arbeiten zu müssen, und erstaunlicherweise gelang es ihm auch immer wieder, eine "schnelle Schiffspassage" zu buchen, um überall ganz vorne dabei zu sein.
Das Buch beginnt in der "alten Zeit", in der Chirurgen noch hauptsächlich grobschlächtige Kerle waren, die abgebrüht genug sein mussten, um ihren Patienten ohne Narkose Gliedmaßen zu amputieren, immer mit dem Wissen, dass ihr Patient vermutlich an einer Infektion oder aufgrund des Blutverlustes sterben wird. Die unhygienischen Bedingungen, unter denen Operationen damals durchgeführt wurden, werden sehr graphisch beschrieben. Als nächstes werden die Pioniere vorgestellt, die Lachgas und Äther größtenteils im Selbstversuch als Narkosemittel entdeckt haben. Eindrücklich wird geschildert, wie man damals im Dunkeln tappte, warum so viele Patienten an Infektionen starben und auf welche Widerstände Ärze stießen, die das Waschen der Hände vor einer Operation durchsetzen wollten. Erst Robert Koch gelang es, die Rolle eines Krankheitserregers beim Entstehen einer Krankheit beschrieben. Die Entdeckung der Asepsis und Antisepsis öffnet dann den Weg zu immer gewagteren Operationen, deren Beschreibungen dann im zweiten Teil "Das Weltreich der Chirurgen" fortgesetzt werden.
Das Buch ist eigentlich kein reines Sachbuch, sondern eher eine Mischung aus Sachinformationen, Reisetagebuch, Anekdoten, Tratsch und persönlicher Leidensgeschichte. Als anschauliche Beispiele für neue Entwicklungen dienen auch die Zertrümmerung eigener Blasensteine und Gallenkoliken sowie der Magenkrebs der Ehefrau Hartmanns. Ich fand das Buch sehr spannend und anschaulich geschrieben und es war eines meiner Highlights dieses Jahres.
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