Hier kann zum 1. Buch, 3. Teil geschrieben werden.
'Der Stille Don' - 1. Buch, 3. Teil
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Im Moment muss ich sehr kämpfen, denn dieser Teil handelt zum großen Teil von Krieg, Krieg, Krieg...
Bewegt ist der sonst so stille Don. Die Männer mussten zum überwiegenden Teil die Höfe verlassen und ziehen für den Zaren ins Gefecht gegen Österreich, gegen Deutschland. Sie werden aufgerieben in einem fernen Krieg, der sie so gar nicht zu betreffen scheint und dessen Ursache sie nicht nachvollziehen können. Erst herrscht noch ein recht lockerer Ton, und es wird gescherzt, aber dann müssen sie töten, Grischa muss töten. Das verändert ihn. Vielleicht ist es das, was ihn, sagen wir mal, erwachsen werden lässt. Weit weg sind die Tändeleien, der Leichtsinn. Der Krieg macht aus den Burschen Männer, aber um welchen Preis...
Grigori wird sogar ausgezeichnet, weil er einen Offizier, selbst verletzt, rettet. In den Wirren des Krieges passiert es, dass man ihn für tot hält, weil er nicht mehr auftaucht, und seine Familie erhält die Nachricht, erst von seinem Heldentod, dann von seinem Überleben. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie durcheinander es in diesem Chaos des Krieges gewesen sein muss, dass solche "Fehler" vorkamen. Nach einem Lazarettaufenthalt kehrt er zu Aksjuta zurück, die sich Trost suchend mit Jewgeni Listnizki, dem Sohn ihres Arbeitgebers, eingelassen hat. So kehrt Grigori zu Natalja zurück.Aksjuta, im ersten Buch die Leidenschaftliche, die bedingungslos Liebende und vielleicht geradlinigste Figur, bricht hier unter den Lasten und unter dem Leben zusammen. Ihre Tochter ist gerade gestorben. Grischa ist auch nicht mehr da, und da lässt sie los. Listnizki ist bereitwillig zur Stelle, bietet Trost und nimmt noch mehr. Und Aksjuta ist schwach. Sie betrügt Grischa nicht nur einmal, sondern die Sache geht weiter. Parallelen zum Betrug an ihrem Mann Stepan drängen sich auf, aber das wäre zu einfach.
Stepan hat sie misshandelt, und ihre Ehe war ohne Liebe, als sie ihn mit Grischa betrog. Hier liegt die Sache anders. Mit Verständnis für sie tue ich mich sehr schwer...Der nächste Abschnitt ist sehr lang, bei mir 200 Seiten, und ich habe erst 120 davon gelesen...
Vielleicht schaffe ich heute noch ein paar... -
Mit diesem Abschnitt bin ich zwar noch lange nicht durch, aber ein paar Anmerkungen kann ich schon loslassen.
Es wird wirklich heftig, was so alles passiert; ich denke nur an die Vergewaltigung im 2. Kapitel (Seite 198ff). Und ich fürchte, die Spitze der Heftigkeit haben wir noch gar nicht erreicht, da dürfte noch einiges kommen!
Dennoch ist es so, daß ich alles relativ gut wegstecken kann. Scholochow hat einen wunderbaren Schreibstil, der mir sehr entgegenkommt. Dabei empfinde ich so, als ob ich die Geschehnisse als unbeteiligter Dritter von einem Beobachtungspunkt aus betrachte. Oder vor dem Fernseher sitze und eine Dokumentation ansehe. Nur wenige Stellen dringen wirklich emotional zu mir durch. Ob da möglicherweise auch eine Art Schutzmechanismus am Werke ist - weiß nicht, könnte schon sein.
Dieser Tage war mein „Russenregal“ mit abstauben und Aufräumen dran; ich konnte es nicht lassen, wenigestens einen kurzen Blick in das eine oder andere Buch zu werden. Einen etwas längeren (natürlich) in Puschkin. Schon ein paar Zeilen vom „Posthalter“ genügen, um mich bis ins Innerste zu treffen. Eigentlich bin ich froh, daß Scholochow auf einer anderen Ebene schreibt und ihm dies (zumindest bisher) nicht gelungen ist.
Getroffen hat mich dann ein ganz einfacher Satz gegen Ende des siebten Kapitels (Seite 228):
Laut singend ritt das Regiment zum Bahnhof.
Da kamen dann historisch Bilder hoch, wie man auch hierzulande fröhlich in einen Krieg zog, der die Welt verändern sollte wie keiner zuvor. Durch die Beschäftigung mit der brit. TV-Serie „Downton Abbey“, deren 2. Staffel während des 1. Weltkrieges spielt, ist mir bewußt geworden, daß im Verlauf und durch diesen Krieg die bis dato gültige Welt- und Gesellschaftsordnung zusammengebrochen und verschwunden ist. Die Veränderung war vermutlich größer, als die durch den 2. Weltkrieg bedingte. Aber das wußte man zu der Zeit noch nicht. Man zog singend in den Krieg ...ZitatOriginal von Clare
Der nächste Abschnitt ist sehr lang, bei mir 200 Seiten, und ich habe erst 120 davon gelesen...
Ich weiß, ich weiß. Ich habe auch lange über der Einteilung gebrütet, und sie dann doch so gelassen, trotz der teilweise langen Abschnitte (obwohl ich sonst selbst eher für kürzere bin). Da hat die Überlegung mitgespielt, daß eine Diskussion möglicherweise unter zu vielen Abschnitten leiden könnte. Wenn ich bei einem 1500 Seiten Buch alle 80 - 100 Seiten für einen Abschnitt „unterbrechen“ muß, würde ich vermutlich irgendwann mal einen Abschnitt auslassen, weil es mir einfach zu viele wären. (Daß es für die Tolstoi-LR so viele Abschnitte gab, habe ich erst nach der Anmeldung gesehen.)
Es ist auch für mich ein Versuch, ob solche Abschnitte funktionieren.Außerdem, ein Hintergedanke dabei, wenn wir schon für uns kleines Häuflein eine richtige LR bekommen, wollte ich Wolke nicht noch mehr Arbeit machen als nötig.
Notfalls könnte man in den (langen) Abschnitten die Posts spoilern und in die Überschrift schreiben, um welche Kapitel es geht (ähnlich in einer Mini-Leserunde unter „Ich lese gerade...“).Ist das jetzt verständlich?
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Natalja lebt wieder bei den Schwiegereltern. Sie sitzt im Grunde zwischen allen Stühlen und kann froh sein, dass Grigoris Eltern sie so sehr mögen. Der Brief von Pantelej an seinen Sohn lässt mich schon schmunzeln, ziemlich heftiges Winken mit nicht nur einem Zaunpfahl. Und der Gute selbst? Er sucht sich seine Gründe, bleibt sich aber treu. Wenn ich ehrlich bin, habe ich so meine Probleme mit dem jungen Mann. (Und dieser Begriff „... für ihre Hundetreue ...“ - in XVI, als der Brief von „fremder Hand“ kommt – hat Natalja nicht verdient. Solche Ausdrücke finde ich ziemlich befremdlich.)
Stockmann wird festgenommen. War ja zu erwarten, denn sollte er doch sowieso aus dem Dorf fortziehen, wenn ich mich recht erinnere. Und dann noch die politisch ziemlich brisante Situation! Was mich an dieser ganzen Szenerie am meisten berührt hat, war die Beschreibung der Frau, die am Flechtzaun steht und dann hinter dem Wagen herläuft. Wer sorgt jetzt für sie? Die Partei/Bewegung?
Die Massenvergewaltigung an der jungen Frau durch die Soldaten/Kosaken: Mutig, dass und wie die Szene beschrieben ist. Das hatte ich in einem Werk aus der Zeit so nicht unbedingt erwartet.
Was aus der armen Frau geworden ist, erfährt man leider nicht. Eine der vielen kleinen Szenen, wie hingeworfen wirken sie manchmal auf mich, sie beschreiben, erklären etwas, was irgendwie mit den Kosaken zu tun hat, aber manchmal ist es mir ein wenig zu sehr zerstückelt - nein, der Ausdruck ist vielleicht zu hart, sagen wir: er springt mir ein wenig zu sehr von Szenerie zu Szenerie.Es ist nun also Krieg. Man hat sich mit Hundertschaften, Regimentern, Rittmeistern, Dragonern etc. auseinanderzusetzen. Ich nehme das mal einfach alles zur Kenntnis, ohne nachzuschauen, nachschauen zu wollen, was alles hinter diesen militärischen Begriffen steckt. Die Kampfhandlungen sind jedenfalls ziemlich anschaulich beschrieben, so genau wollte ich das eigentlich alles gar nicht wissen. Herr Scholochow hat erkennbar kein Interesse daran, seine Leser zu schonen.
In diesem Abschnitt gibt es das Kapitel, das mir bisher am besten gefallen hat, nämlich IX. Recht kurz, erläutert es eine „Heldentat“ bzw. das, was man dazu erhebt.
Vielleicht habe ich in diesem Abschnitt auch meinen ganz persönlichen Satz zu diesem Buch gefunden: „Ein Mensch kann nun einmal nicht ohne Hoffnung leben“ (Petro sagt ihn zu Grigori in Bezug auf Natalja, als sie sich an der Front treffen). Ein Satz, der fast für jeden aus dem Figurenkabinett passt, auch für mich selber, denn ohne die Hoffnung, das auch bessere Zeiten kommen, könnte ich manches Beschriebene nur schwer ertragen. Das macht er schon sehr gut, der Herr Autor. Ich meine, hat er gemacht.Schön beschrieben finde ich auch die Auswirkungen des Krieges auf die einzelnen Kosaken (in X). Schon allein dieser Satz: „Sie alle, diese jungen, aus ihren Dörfern und Stanizen gerissenen Kosaken, erinnerten in dieser Umgebung des Todes und Schreckens an die Halme frisch gemähten, welkenden, sich jäh verändernden Grases“ - ich finde das großartig ge- und beschrieben, mehr braucht es nicht – für mich jedenfalls.
Sehr anschaulich hat Scholochow auch die zum Teil gravierenden Unterschiede zwischen den Offizieren und den „einfachen“ Soldaten bzw. Kosaken in den einzelnen Szenen beschrieben.Hochinteressant und fast schon genial gemacht finde ich das eingeschobene Tagebuch von … ja, wem eigentlich? Es wirkt so noch eindrücklicher, als wenn der Autor die kurze Geschichte dieses Mannes wie üblich erzählt hätte.
Grigoris und Aksinjas Kind stirbt. Und Aksinja lässt sich trösten, wird – zunächst – in ihrer Schwäche ausgenutzt. Aber die anderen Male? Ich weiß einfach nicht, was ich von dieser Frau halten soll. Ein schwankendes Schilfrohr?
SiCollier : Scholochow tut (für mich) nichts, dass ich mich mit irgendeiner Figur anfreunden könnte. Von daher bleibe ich auch außen vor, bin auch nur Beobachter. Aber auf so manches Detail hätte ich trotzdem gerne verzichtet.
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Puh, den Abschnitt habe ich nun durch.
Scholochow war, das muß man ihm lassen, ein begnadeter Schriftsteller. Beispielsweise der letzte Absatz des Neunten Kapitels:
Geschehen war aber folgendes: Auf dem Felde des Todes waren Menschen zusammengestoßen, die ihre Hände noch nicht in der Vertilgung von ihresgleichen geübt hatten.
Auf so eine Formulierung muß man erst mal kommen!Dann, wie ein Einschub, dieses seltsame Tagebuch. Ich habe mich gefragt, was das sollte. Vergeblich mein Gedächtnis durchsucht, ob mir die Namen etwas sagen müßten, und dann einfach weitergelesen in der Annahme, daß sich das Rätsel irgendwie aufklären würde. Tat es dann auch, im letzten Absatz.
Seltsame Beziehung, die da beschrieben wird. Ich sinniere die ganze Zeit über nach, ob mich das nun an Dostojewskij erinnert oder nicht.
Beim letzten Absatz zum 2. September habe ich mich unwillkürlich, wie an mancher anderer Stelle auch, gefragt, ob Scholochow hier versteckt Kritik am System übt?
Nachden wir zurückgekehrt waren, sah ich in Tschernezows Gesicht. Ein ruhiges, verhalten-fröhliches Gesicht, als säße er am Kartentisch und nicht in einem Sattel, nachdem er einen Menschen umgebracht hatte. Leutnant Tschernezow wird es weit bringen! Ein begabter Kerl! (Seite 259)
Oder wie sonst soll man das verstehen?Desgleichen den letzten Satz dieses Kapitels, als die Sache mit dem Tagebuch aufgeklärt ist, und die Kanzleischreiber lachen???
Dann zum Ende des 13. Kapitels der Tod Grigoris. Oder doch nicht? Schon zwei Mal hat Scholochow den „Tod“ von Hauptdarstellern beschrieben, und dann lebten sie doch noch.
Dann im 15. Kapitel (S. 279):
Aber hör mal, Tersinzew, man kann doch nicht einen Menschen durch eine Maschine ersetzen. Das ist übertrieben.
Nun, wir heutigen wissen, man kann, und es ist mitnichten übertrieben.Noch eine äußerst gut geschriebene Stelle ist, als zuhause der Brief vorgelesen wird, in dem Grigoris Tod mitgeteilt wird. Als ob die Zeit stehenbleibt und die Welt für einen Moment den Atem anhält. (Seite 283)
Erstmals so richtig emotional empfand ich dann das Ende des 16. Kapitels.
Ende des 20. Kapitels, das erinnerte mich entfernt an Motive aus Western von Charles G. West. Einer von den dortigen Bösen (und die Bösen sind bei ihm ziemlich böse!) würde in so einer Situation sicherlich nicht schießen, wozu eine Kugel verschwenden, wenn jemand sowieso stirbt?
Im Kapitel 23 habe ich mich dann gefragt, ob Scholochow hier politische Propaganda einflechten will (die Gespräche zwischen Grigori und Garansh), oder ob er einfach eine Situation wiedergibt, wie sie sich damals ereignet hat bzw. ereignet haben könnte.
Der Krieg wird es schon wecken. (Seite 317)
Nun, dieser Krieg hat vieles geweckt, und danach war die Welt nicht mehr die, die sie zuvor war.Die Schrecken des Krieges werden mMn in aller grausamen Deutlichkeit beschrieben, jedoch wieder eher vom Standpunkt eines unbeteiligten Betrachters aus. Von anderer Warte her möchte ich solches gar nicht lesen (müssen), das ist so schon schlimm genug, und manchmal frage ich mich schon, wie man so etwas freiwillig lesen kann.
ZitatOriginal von Lipperin
Das hatte ich in einem Werk aus der Zeit so nicht unbedingt erwartet.
Das trifft auf so manches in diesem Buch zu. Vor allem nicht in einem sowjetischen Buch, denn ein zu gutes Licht wirft das ja nicht auf die eigenen Leute.
Andererseits haben sich - das dürfte später noch kommen - die Kosaken, wenn ich das recht erinnere, auf die Seite der „Weißen“ geschlagen. Was es natürlich aus Sicht der „Roten“ angebracht erscheinen mag, sie in ein schlechtes Licht zu stellen.ZitatOriginal von Lipperin
(...) er springt mir ein wenig zu sehr von Szenerie zu Szenerie.
Das ist etwas, was mir auch schon mehrfach aufgefallen ist, bisweilen den Lesefluß hemmte und mich stolpern ließ.ZitatOriginal von Lipperin
Grigoris und Aksinjas Kind stirbt. Und Aksinja lässt sich trösten, wird – zunächst – in ihrer Schwäche ausgenutzt. Aber die anderen Male? Ich weiß einfach nicht, was ich von dieser Frau halten soll. Ein schwankendes Schilfrohr?
Ehrlich gesagt, weiß ich von keiner Figur so richtig, was ich von ihr halten soll. Bei der zuvor gelesenen Familiengeschichte von Francine Rivers waren Sympathie und Antipathie meist recht eindeutig vergeben. Wenn auch mit wechselnden „Fronten“. Da wußte man (oder glaubte zu wissen) jeweils, was man von den Protas halten sollte. Aber hier, hier weiß ich das über weite Strecken nicht. -
Zitat
Original von SiCollier
Beim letzten Absatz zum 2. September habe ich mich unwillkürlich, wie an mancher anderer Stelle auch, gefragt, ob Scholochow hier versteckt Kritik am System übt?
Nachden wir zurückgekehrt waren, sah ich in Tschernezows Gesicht. Ein ruhiges, verhalten-fröhliches Gesicht, als säße er am Kartentisch und nicht in einem Sattel, nachdem er einen Menschen umgebracht hatte. Leutnant Tschernezow wird es weit bringen! Ein begabter Kerl! (Seite 259)
Oder wie sonst soll man das verstehen?Desgleichen den letzten Satz dieses Kapitels, als die Sache mit dem Tagebuch aufgeklärt ist, und die Kanzleischreiber lachen???
Mir kam gleiches in den Sinn. Es sind ja, genau besehen, nicht die einzigen Stellen, die man so oder so lesen kann.
ZitatDann im 15. Kapitel (S. 279):
Aber hör mal, Tersinzew, man kann doch nicht einen Menschen durch eine Maschine ersetzen. Das ist übertrieben.
Nun, wir heutigen wissen, man kann, und es ist mitnichten übertrieben.... und wie wenige Jahre es nur gebraucht hat, um den Zustand zu erreichen.
ZitatOriginal von Lipperin
(...) er springt mir ein wenig zu sehr von Szenerie zu Szenerie.Das ist etwas, was mir auch schon mehrfach aufgefallen ist, bisweilen den Lesefluß hemmte und mich stolpern ließ.
Mit den "Parallelgeschichten" von Peter Nadas habe ich das verglichen ... und muss sagen, dass dieser diese "Problematik" sehr viel eleganter löst.
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Diesen Teil habe ich nun auch beendet.
Bei mir verhält es sich genau umgekehrt, denn erst durch den Krieg ist mir das Buch richtig ans Herz gewachsen, da es an Tiefe gewinnt. Und wenn man die Kriegsereignisse mit denen von Tolstoi "Krieg und Frieden" vergleicht, dann schreibt Scholochow detailiert über das menschliche Miteinander, Gefühle und die ganzen Gräuel, was mir persönlich wesentlich besser gefällt. >Tolstoi erklärt eher den Krieg, die Strategien, die Truppenbildungen.<
Grischa wird verletzt, schwer verletzt, und schleppt trotzdem noch einen Offizier aus der Schusslinie und erhält dafür dieses Kreuz - damit wird er automatisch zum Helden. (Eigentlich müsste euch das doch gefallen, der Leser kann sich nun, wenn er möchte, an einer Figur festhalten.)
Es werden ganz schreckliche Szenen beschrieben, und die Ängste, die Alpträume - die der kleine Soldat im Schützengraben erlebt. Der Zar und die anderen hohen Tiere sitzen bequem daheim...
Gegen Ende kommt dann so nach und nach die Idee des Kommunismus ins Spiel, die Oktoberrevolution wird eingeläutet - also alles zusammen ergeben für mich ein brillantes Buch, welches ich sehr gerne lese. -
Zitat
Original von Heidi Hof
(Eigentlich müsste euch das doch gefallen, der Leser kann sich nun, wenn er möchte, an einer Figur festhalten.)Um sich an Grigoti festhalten zu können, steht er zu selten im Fokus des Geschehens. Er ist beileibe keine Randfigur, das will ich nicht behaupten. Aber in dem Roman geht es, wie wir an anderer Stelle schon feststellten, um die Kosaken als Gemeinschaft, von denen Grischa nur der Vertreter einer Strömung ist. Über Heldentum und wer ein Held ist, könnte man am Ende des Romans sicher trefflich diskutieren.
Ich lese diesen Roman auch sehr gern und fühle mich bestätigt, dass ich es seit Jahrzehnten zu meinen Lieblingsbüchern zähle.
edit hat Kommata verteilt.
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Zitat
Original von Karthause
Um sich an Grigoti festhalten zu können, steht er zu selten im Fokus des Geschehens.
Für mich steht niemand so sehr im Fokus, daß er eine Figur ergäbe, an der ich mich "festhalten" könnte. Es ist ein Buch, das von der Handlung lebt - nicht von den Personen. -
Zitat
Original von SiCollier
Für mich steht niemand so sehr im Fokus, daß er eine Figur ergäbe, an der ich mich "festhalten" könnte. Es ist ein Buch, das von der Handlung lebt - nicht von den Personen.Ich hatte auch eine Figur oder meinetwegen mehrere erwartet, deren Geschichte sich wie ein roter Faden durch den Roman ziehen würde. Ich gewisser Weise trifft das ja auch zu, aber es geht mir da auch wie Karthause und SiCollier: dafür taucht er nicht oft genug auf. Ich ertappe mich aber dabei, dass ich mit jedem neuen Kapitel hoffe, wieder etwas von Natalja, Aksjuta oder und Patelejs Familie zu hören, Geschichten aus dem Dorf. Also doch lieb gewordene Figuren.
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Zitat
Original von Karthause
Über Heldentum und wer ein Held ist, könnte man am Ende des Romans sicher trefflich diskutieren.
Da bin ich gespannt; bisher ist mir im Buch eigentlich niemand begegnet, den ich mit dem Begriff „Held“ bezeichnen würde. -
SiCollier
Eben, das sehe ich aus so. Ich denke aber, da könnten die Meinungen durchaus auseinander gehen - auch, weil man unterschiedliche Auffassungen zum Begriff "Held" haben könnte.Ich finde es auch sehr schön, dass es nicht DEN Helden in diesem Roman gibt, dadurch weitet sich der Blich für das Gesamte.
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Auf diese Diskussion am Ende des Romans bin ich gespannt.
Scholochow überrascht mich in diesem Punkt. Ich hatte eine frühe Einführung einer für die Sowjetliteratur typischen Heldenfigur erwartet. Bisher kann ich sie auch noch nicht so richtig ausmachen.
Wobei mir gerade einfällt, dass es ich doch so etwas wie eine heldenhafte Figur ausmachen konnte, im weiteren Verlauf des Buches, und sie ist weiblich.Anna -
Zitat
Original von Karthause
Um sich an Grigoti festhalten zu können, steht er zu selten im Fokus des Geschehens. Er ist beileibe keine Randfigur, das will ich nicht behaupten. Aber in dem Roman geht es, wie wir an anderer Stelle schon feststellten, um die Kosaken als Gemeinschaft, von denen Grischa nur der Vertreter einer Strömung ist. Über Heldentum und wer ein Held ist, könnte man am Ende des Romans sicher trefflich diskutieren.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es in diesem Buch überhaupt nicht darum geht, ob jemand Held ist oder nicht, ob er sich heldenhaft verhält oder nicht. Sondern es geht um menschlich-allzumenschliches Verhalten angesichts von Krieg und Liebe, in Zeiten großer Umwälzungen politischer Art, innerhalb von Familien und zwischen den Generationen und Geschlechtern.
Vielleicht ist das ja der Unterschied zwischen einem Buch, das hoch dekoriert wurde und einem Werk, das man irgendwann vergisst.@ Clare: Deinem Spoiler stimme ich zu.
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Zitat
Original von Clare
Scholochow überrascht mich in diesem Punkt.
Scholochow überrascht mich in ziemlich vielen Punkten, aber das greift hier vor.ZitatOriginal von Lipperin
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es in diesem Buch überhaupt nicht darum geht, ob jemand Held ist oder nicht, ob er sich heldenhaft verhält oder nicht. Sondern es geht um menschlich-allzumenschliches Verhalten angesichts von Krieg und Liebe, in Zeiten großer Umwälzungen politischer Art, innerhalb von Familien und zwischen den Generationen und Geschlechtern.
Was auch eine der erwähnten Überraschungen ist. als ich das Eingangspost für die Einladung zur LR schrieb und Informationen über Scholochow suchte, hätte ich so etwas mit Sicherheit nicht erwartet. Bei vielen Stellen - aber auch das greift hier etwas vor - bin ich nicht sicher, er er systemtreu oder -kritisch zu verstehen ist. Mit letzterem habe ich keinesfalls gerechnet. -
Zitat
Original von SiCollier
...Bei vielen Stellen - aber auch das greift hier etwas vor - bin ich nicht sicher, er er systemtreu oder -kritisch zu verstehen ist. Mit letzterem habe ich keinesfalls gerechnet.Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich kritisch sein sollte. Immerhin war auch er von den Umwälzungen der Literaturrevolution betroffen, musste sein Werk überarbeiten, in welchem Maß weiß ich nicht. Wirkliche Kritik hätten die Funktionäre bei einem ihrer Musterschriftsteller nicht zugelassen. Scholochow gilt als systemtreu.
Trotzdem, auch mir fallen Töne im Roman auf, in denen ich Kritik zu lesen meine, aber ist das wirklich so oder interpretiere ich da nicht etwas hinein, weil wir diese und jenes wissen und in einer anderen Zeit leben. Ich möchte mir fast unterstellen, dass ich vielleicht nach solchen Tönen suche.
Vielleicht wollte Scholochow einfach nur die Zerrissenheit und Unsicherheit dieser Zeit zeigen.
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Ich bin ganz froh gar nichts über den Autor gelesen zu haben, so kann ich das Buch auf mich wirken lassen und für mich ist der Erzähler bisher (kann sich ja noch ändern) sehr rot angefärbt. Ich denke auch, dass ein Intellektueller damals gar nicht anders konnte. Wir heute wissen wohin es geführt hat, doch die Menschen damals kannten doch nur die Zarenzeit, die Unterdrückung, das Joch.
Jetzt verstehe ich eure Äußerung im anderen Thread
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Zitat
Original von Heidi Hof
Ich bin ganz froh gar nichts über den Autor gelesen zu haben, so kann ich das Buch auf mich wirken lassen und für mich ist der Erzähler bisher (kann sich ja noch ändern) sehr rot angefärbt. Ich denke auch, dass ein Intellektueller damals gar nicht anders konnte. Wir heute wissen wohin es geführt hat, doch die Menschen damals kannten doch nur die Zarenzeit, die Unterdrückung, das Joch.Jetzt verstehe ich eure Äußerung im anderen Thread
Hm, wenn du dieses Buch rot gefärbt findest, dann hast du vielleicht noch kein richtig rotes Buch gelesen...
Ich hätte mehr kommunistische Propaganda erwartet, mit der sich der Autor, und ich lese gerade im 3. Buch, sehr zurückhält. Wenn man ihn z.B. mit Gaidar vergleicht, dann ist dieser Roman wirklich gemäßigt.P.S. Scholochow halte ich nicht wirklich für einen Intellektuellen im eigentlichen Sinne. Er hatte nicht die Möglichkeiten, sich einer Schulbildung zu unterziehen, wie ein Mitglied des Adels es gehabt hatte. Er selbst war Arbeiter. Seine späteren Preise und Universitätsehrungen resultieren aus seiner Systemtreue und der Stellung, die daraus resultiert. So sehe ich da jedenfalls.
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Zitat
Original von Clare
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich kritisch sein sollte.
Das ist ja mein Problem. Ich fasse einiges als kritisch auf, aber eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, daß er es kritisch gemeint haben könnte. (:gruebel Ist das verständlich?)ZitatOriginal von Clare
Trotzdem, auch mir fallen Töne im Roman auf, in denen ich Kritik zu lesen meine, aber ist das wirklich so oder interpretiere ich da nicht etwas hinein, (...)
Schon wieder Ebend, ich bin mir nicht sicher, ob ich da etwas zwischen den Zeilen lese, weil ich da etwas lesen will.ZitatOriginal von Clare
Vielleicht wollte Scholochow einfach nur die Zerrissenheit und Unsicherheit dieser Zeit zeigen.
Das ist ihm allerdings, zumindest bei mir, großartig gelungen. Und wenn ich es recht bedenke, so ziemlich als erstem überhaupt (zumindest was die Zustände im damaligen Rußland betrifft). Letztlich konnte man es eigentlich nur falsch machen.ZitatOriginal von Heidi Hof
Ich bin ganz froh gar nichts über den Autor gelesen zu haben, so kann ich das Buch auf mich wirken lassen und für mich ist der Erzähler bisher (kann sich ja noch ändern) sehr rot angefärbt.
Das sehe ich nun etwas anders. So sehr „rot gefärbt“ empfinde ich das bisher (bin im 2. Teil des Zweiten Buches) nicht. Da habe ich, offen gesagt, ganz anderes erwartet. Das Seltsame ist, daß ich solches (also eine „rote Grundeinstellung“) bei sowjetischen Autoren ertragen kann, obwohl ich von meiner eigenen Grundeinstellung seit frühester Jugend im „anderen Lager“ zuhause bin. Aber wie an anderer Stelle geschrieben, war eines meiner absoluten Lieblingsbücher (keine Ahnung, wie oft ich das gelesen habe) ein „linientreues sowjetisches Jugendbuch“, was mir meine Oma von „drüben“ (so hieß das bei uns) geschickt hatte.Als Folge dieses Buches hier - und da war ich mir nicht so sicher - werde ich sicherlich noch mehr von Scholochow lesen. Etwas habe ich noch hier im Regal.
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Zitat
Original von SiCollier
Das ist ja mein Problem. Ich fasse einiges als kritisch auf, aber eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, daß er es kritisch gemeint haben könnte. (:gruebel Ist das verständlich?)Ist es - verständlich, meine ich.
Anderenorts habe ich ähnliches versucht auszudrücken (2. Buch 2. Teil). Was ich denke, ist, dass Scholochow fast schon zu ehrlich war für seine Zeit. Er hat niedergeschrieben, was er "auf dem Herzen hatte", das mag damals durchaus anders wahrgenommen worden sein als heute, von Kosaken wieder anders als von ... Russen oder wen man gerade anführen will. Er hat erkennbar aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht ... und ich frage mich zunehmend, ob er sich der Wirkung dessen, was er da eigentlich alles geschrieben hat, wirklich (im Zeitpunkt des Schreibens) bewusst war (und nicht erst später, als er auch Kritik zu hören bekam).