1. Dezember 2011 von Eskalina
Ich habe lange überlegt, was ich in diesem Jahr für den Adventskalender schreiben soll, doch wie so oft wenn es auf Weihnachten zu geht, rast die Zeit und ich gerate in Stress – und bei dem Wörtchen „Stress“ fiel mir ein, dass ich vor ein paar Jahren sehr viel Zeit hatte, mir zum Thema „Weihnachten“ Gedanken zu machen und sie auch aufgeschrieben habe. Ich hoffe ihr verzeiht mir, dass nun keine lustige Kurzgeschichte kommt, sondern ein kleiner nachdenklicher Rückblick...
Bald ist Weihnachten und dieses Mal ist es so ganz anders als in all den Jahren zuvor. Ich brauche nicht zu hetzen, muss nicht aus plärrenden Lautsprechern im Supermarkt die ihrer Höhen und Tiefen beraubte weihnachtliche verkaufsfördernde Musik ertragen, werfe nicht hastig irgendwelche Dinge in den Einkaufswagen, von denen ich meine, sie würden in irgendeiner Weise mit diesem Fest zusammen gehören - Keine Gedanken, was ich wem schenken möchte, keine Überlegungen, bei wem wir welchen Tag zum Essen eingeladen sind.
Bald ist Weihnachten und zum ersten Mal in meinem Leben erkenne ich, dass man dieses Fest auch ganz anders erleben kann. Als Kind habe ich diese Zeit genossen, habe an jedem Morgen meinen Adventskalender geöffnet, um nachzusehen welches Bild, welche Leckerei dahinter auf mich wartete. Die vielen Lichter, die ich oft und immer wieder ansah, der Duft von frischgebackenen Keksen, der noch lange in den Räumen schwebte, nachdem wir schon erschöpft vom Teig ausstechen, kneten und naschen in den Betten lagen. Die Aufregung, die mich damals regelmäßig vor dem heiligen Abend so stark befiel, dass ich nicht einschlafen konnte, und die besondere Stimmung, wenn wir dann das Weihnachtszimmer betreten durften - Der Wunsch, es noch einmal so zu erleben hat sich in mir festgesetzt und blieb in all den Jahren, in denen ich als Erwachsene die Adventszeit erlebte, als kleine Sehnsucht in meinem Herzen. Eine Sehnsucht nach diesem festlichen, warmen und geborgenen Gefühl, gemischt mit Aufregung und Freude.
Je älter ich wurde, desto weniger Zeit hatte ich, um die stille Zeit zu genießen. Jedes Jahr nahm ich mir vor, die vier Wochen vor dem Fest selbst zu einer Festlichkeit zu machen. Wann habe ich es geschafft, in eine Decke gekuschelt ein gutes Buch zu lesen, Weihnachtsmusik zu hören oder dem flackernden Kerzenlicht zuzusehen? Wann habe ich zum letzten Mal dieses warme und fast feierliche Gefühl in mir verspürt, das für mich damals Weihnachten ausmachte?
So viele angestrengte Versuche es herbeizuzaubern und doch bin ich scheinbar immer nur die falschen Wege gegangen. Ich habe im ganzen Haus Kerzen angezündet, Kekse auf die Schnelle gebacken, Tannenzweige in eine Vase gesteckt, und schließlich bin ich mit vollem Terminkalender von einer "Besinnlichkeit" zur nächsten gehetzt, aber nichts konnte mir das geben, was ich mir insgeheim wünschte. War es vielleicht doch nur eine schöne Erinnerung, die im Laufe der Jahre immer unwirklicher und schöner geworden war?
Bald ist Weihnachten und in diesem Jahr verspüre ich sie plötzlich, die feierliche Stimmung und die innere Ruhe. Sie ist gekommen, seit ich im Krankenhaus liege und nur den Blick aus dem Fenster habe - Auf Lichter, die abends angehen, auf weihnachtlich geschmückte Geschäfte und einen winzigen Weihnachtsmarkt, auf dem sich zwei kleine bunte Karussells drehen, Glühweinverkäufer mit warmen Handschuhen ihre dicken Keramikbecher mit dem dampfenden Getränk an frierende Menschen überreichen und kleine Kinder vor einem Weihnachtsmann stehen und ihm ehrfürchtig zuhören. Es ist schon fast zu kitschig und doch ist es auch irgendwie schön.
Die Stille im Zimmer, die erzwungene Bewegungslosigkeit, die ungewohnte Zuschauerrolle, all das hat mich zur Ruhe kommen lassen. Jeden Abend warte ich, dass die Menschen die Weihnachtslichter in ihren Fenstern anmachen und ich habe alle Zeit der Welt, mich an ihnen zu erfreuen.
Bald ist Weihnachten und es war die Krankheit, die mich zum Anhalten gezwungen hat, und mit ihr kommt nun endlich der Blick auf das Wesentliche zurück, lässt in mir Freude aufkommen über das Licht einer einzigen Kerze, das Lachen eines Kindes und zeigt mir, dass es nicht viel Aufwand braucht, und ich die ganzen Jahre mit all den Einkäufen und immer in Eile, vergeblich versucht habe, das zu erleben, was mir jetzt so mühelos gelingt.
Es ist etwas ganz besonderes, an solch einem Ort die Weihnachtszeit zu erleben und noch nie habe ich sie so intensiv erlebt wie in diesem Jahr, als alles so anders, so unerwartet anders kam, dass ich dankbar bin, noch am Leben zu sein. Ich denke kaum noch an die Erkrankung zurück, in meinem Gedächtnis wird mir die Erinnerung an diese Zeit immer nur bedeuten, dass ich „mein Weihnachten“ wieder gefunden habe.