Die Blutsäule - Iris Kammerer

  • Kurzbeschreibung


    Brutale Morde im Schatten des Doms Köln 1248. Gerhard von Rile hat soeben seinen Dienst als Dombaumeister angetreten, als ein verheerender Brand den alten Dom vorzeitig vernichtet. Doch damit nicht genug, sein Neffe Gerwich wird Zeuge eines Mordes, der kein Einzelfall bleibt: Junge Männer aus den verfeindeten Ständen der Händler und Handwerker sterben. Doch kein Richter entscheidet über Schuld oder Unschuld der Verdächtigen, sondern ein Stein, der magische Kräfte haben soll: die Blutsäule. Können die Mönche Albertus Magnus und Thomas von Aquin, denen Gerwich sich angeschlossen hat, die Morde aufklären? »Finde den Mann, der die Säule von Sankt Gereon beherrscht, und das Töten wird ein Ende haben.«


    Über den Autor


    Iris Kammerer , geboren 1963, studierte in München und Marburg, arbeitet als Texterin, Redakteurin und Beraterin und lebt mit ihrer Familie in Marburg. Neben dem Roman »Der Pfaffenkönig« (atb 2295-8) sind von ihr außerdem »Der Tribun«, »Die Schwerter des Tiberius«, »Wolf und Adler« und »Varus« erhältlich. Mehr zur Autorin unter www.iris-kammerer.de oder hier unter Autoren.


    Meine Meinung


    Iris Kammerer vom alten Rom nach Marburg zu begleiten ins frühe Mittelalter, das war noch erklärbar, ist Marburg doch ihre Heimatstadt. Im Mittelalter sind wir mit diesem Buch geblieben, doch nach Köln am Rhein hat es uns verschlagen. Im Genre, so verspricht es uns der Text auf dem Rückumschlag, eines Krimis. Vorne steht noch "Historischer Roman", hinten in großen Lettern "Mord im Schatten des Doms".


    Doch gemach, wo Iris Kammerer draufsteht, ist auch Iris Kammerer drin. Dies ist kein ins Jahr 1248 verlegter Tatortkrimi, sondern ein historischer Roman um gesellschaftliche Entwicklungen in der mittelalterlichen Großstadt. Ein historischer Roman, indem Geschichte mit der Geschichte verwoben wurde, nicht die Historie den Hintergrund bildet, das Bühnenbild vor dem Personen agieren, sondern das ganze ergibt den mittelalterlichen gewebten Wandbehang.


    Wir erleben Gerhard von Rile, den ersten Dombaumeister des Kölner Doms, der den Auftrag hat den herrlichsten steingewordenen Lobpreis Gottes in der gesamten Christenheit zu errichten und seinen Neffen Gerwich, die als Fremde, Zugezogene in diese Stadt, diese Ansammlung macht-und geldgieriger Großkaufleute, Händler und Handwerker kommen. Städter, bei denen jede Gruppe gegen jede und alle gegen den eigentlichen Stadtherrn, den Erzbischof, intrigiert.
    Wir erleben auch zwei Predigermönche, einen gewissen Albert von Lauingen und seien Schüler Thomas, ohne dass die Autorin den Leser mit dem Holzhammer darauf hinweist, dass es sich hier um die Dominikanermönche Albertus Magnus und Thomas von Aquin, zwei der bedeutendsten Kirchenlehrer des Mittelalters und als Heilige verehrte Protagonisten handelt.


    Der König ist weit und schwach, der Erzbischof kämpft selbst mit seinen Bürgern um die Macht. Die Stadt ist reich durch Handel und "Tourismus", soll heißen wegen ihrer heiligen Reliquien.


    In dieser politischen Konstellation geschieht ein Mord. Die Bürger der Stadt Köln "überführen" den "Täter" durch eine Wahrheitsprobe. Die Blutsäule in St. Gereon, die Säule die vom Blut der römischen Soldaten, die als Märtyrer starben getränkt wurde, oder sogar an der Jesus Christus während seiner Auspeitschung angebunden gewesen sein soll und die sein heiligstes Blut aufgesogen hat, wer sie berührt wird freigesprochen oder entlarvt. Die Hunde Gottes (domini canes) verurteilen das als Aberglauben und es beginnt eine spannende Entwicklung und Verwirrung, als nach dem der angeblich überführte Täter aus dem Verkehr gezogen war weitere Morde geschehen.


    Dabei beschreibt Iris Kammerer, so quasi nebenher, wie für uns heute unvorstellbar die Verhältnisse damals waren. Keine Mordermittlung, keine Kripo, nichts wirklich organisiertes, nein, eher gegeneinander arbeitende Kräfte auch hier.


    Das was wir eine Mordermittlung nennen würden beginnt ab Seite 412 und dauert auch nicht mehr als knappe 50 Seiten. Die Lösung ist dann verblüffend einfach, die Ergebnisse mit unserem Rechtsverständnis sicher nicht vereinbar.
    Ein historischer Roman, der die Geschichte in der Stadt Köln zu Zeiten des Beginns des Baues des Kölner Doms erzählt, die Geschichte der Stadt und ihrer Bürger. Erzählt wie typisch für ein Buch von Iris Kammerer, die niemals Bücher in der Auflagenhöhe wie Donna W. Cross verkaufen wird- dazu sind sie viel zu gut.


    Das Lesejahr hat ja kaum begonnen, ich gehe aber davon aus eines der absoluten Highlights 2011 soeben beendet zu haben.

  • Danke für die ausführliche Rezi...hatte das Buch eh schon im Blick und nun bin ich vollens davon überzeugt, das Buch lesen zu müssen.


    Lese ja wirklich selten Bücher die in Köln spielen und bisher hat mich da auch nur Tod und Teufel und die Schachtromane gereizt, aber das hier klingt wirklich nach einer tollen Geschichte.

  • Dem moecht' ich mich sofort anschliessen.
    Es war der zweite historische Roman, den ich in 2011 gelesen habe, und ich habe sofort gedacht: Darueber kann ja jetzt kaum noch etwas kommen.


    Fuer mich ist es Iris' reifster, nachdenklichster und vielschichtigster Roman, und das einzige, was mich daran zur Verzweiflung treibt, ist, dass ich ihn ausgelesen habe und jetzt wieder ewig auf ein neues Buch von Iris warten muss.
    Ich wuenschte, sie wuerde weiter ueber Thomas von Aquin schreiben, ich finde nichts an dem Buch so hinreissend wie die Stellen, die sie ueber Thomas von Aquin schreibt. Ich habe die dermassen gierschluendig aufgesogen, ich habe mich regelrecht suechtig gefuehlt.


    Herzlich,
    Charlie

  • Köln 1248
    Als Dombaumeister hat Gerhard von Rile soeben seinen Dienst angetreten, als ein verheerender Brand den alten Dom vorzeitig vernichtet.
    Außerdem wird sein Neffe Gerwich Zeuge eines Mordes, der leider kein Einzelfall bleibt. Mehrere junge Männer ' alle aus verfeindeten Ständen der Händler und Handwerker ' sterben. Doch entscheidet kein Richter über Schuld oder Unschuld, sondern ein Stein, der magische Kräfte haben soll: die sogenannte Blutsäule.
    Können die Geistlichen Albertus Magnus und Thomas von Aquin zusammen mit Gerwich die Morde aufklären?


    Iris Kammerer hat mich mit "Die Blutsäule" von der ersten Seite an begeistert. Sie hat mir nicht nur Thomas von Aquin und Gerhard von Rile näher gebracht, sondern mich auch sehr bildhaft durch Köln spazieren lassen. Während die Seiten nur so dahinflogen ging vom Dom zu Sankt Gereon und zwischendurch durch die Hohe Straße. So anschaulich über eine Stadt zu lesen ist ein Lesegenuss, den man nur weiter empfehlen kann!
    Ich hatte manchmal das Gefühl meine Schuhe abstreifen zu müssen vom Dreck der Gassen.
    Der Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen und das liegt sicher auch an der schönen aber verständlichen Sprache.


    Man erfährt viel über die damalige Zeit, Dombau und das Leben der Geistlichen. Auch historische Personen bekommen ein Gesicht. Man erkennt die Liebe zum Detail der Autorin und eine ausführliche Recherchearbeit.


    Sehr interessant finde ich den Aberglauben der Menschen in dieser Zeit und ihre - für die heutige Zeit - nicht mehr nachvollziehbaren Ängste.
    "Die Blutsäule" galt als Reliquie und fand bei der Erbauung von Sankt Gereon Verwendung. Man sagte ihr nach, dass sie Sündern erkennt und bestraft.


    Soll eine Säule wirklich über Recht oder Unrecht, über Strafe oder Freiheit entscheiden können? Oder versuchen nur einige Mächtige ihren Willen zu erreichen in dem sie in den Köpfen der Menschen Ängste wecken? Das sind die Fragen, die bei mir während des Lesens auftauchten.


    Natürlich kommen auch Intrigen und zwielichtige Personen nicht zu kurz in der Handlung. Allerdings wird hierbei sehr viel Wert auf Glaubwürdigkeit gelegt. Die Krimielemente sorgen für Spannung, auch wenn es sich hierbei nicht um einen historischen Kriminalroman handelt.


    Meiner Meinung nach ist es genau die richtige Würze für einen abwechslungsreichen historischen Roman. Perfekt!, kann ich da nur sagen und empfehle "Die Blutsäule" uneingeschränkt weiter.

  • Ich hab das Buch bei "Leser fragen - Autoren antworten" gewonnen, sogar mit Widmung! Vielen Dank dafür, Herzgedanke. :-)
    Bin leider noch nicht dazu gekommen es zu lesen, weil ich grad an einer Reihe "gearbeitet" habe, das wird jetzt aber schnellstens nachgeholt!

  • 1248 tritt Gerhard von Rile in Köln seinen Dienst als Baumeister an. Er hat den Auftrag erhalten, das bis dahin größte Gotteshaus der Christenheit zu bauen: Den Kölner Dom. Mit nach Köln gebracht hat er den Sohn seines verstorbenen Bruders, seinen Neffen Gerwich. Dieser soll in die Fußstapfen seines Onkels treten und später selber Baumeister werden. Doch der junge Gerwich fühlt sich dieser Aufgabe nicht gewachsen und hat andere Pläne für sein Leben. Dies gerät jedoch in Gefahr, als Gerwich Zeuge eines Mordes wird, der nur den Auftakt zu einer über Jahre andauernden Mordreihe an jungen Männern aus den Reihen der Handwerker und Händler wird. Wer hat ein Interesse daran, Unfrieden in der Stadt zu stiften und würde von einer Fehde zwischen den Ständen profitieren? Niemand anders als Albert von Lauingen, später auch als Albertus Magnus bekannt, der nach Köln kommt, um dort eine Hochschule zu gründen, wird mit den Ermittlungen betraut, um die Urheber der Mordfälle aufzuspüren.


    Iris Kammerers Roman spielt zu einer unruhigen Zeit. Wilhelm von Holland kämpft um seine Anerkennung als König, während die Kurfürsten sich für Friedrich II. als Herrscher aussprechen. Das Land ist gespalten, die Situation schwierig, sorgt für Machtkämpfe und drohende Hungersnot. In Köln herrscht die Richerzeche, ein Gremium aus Mitgliedern der reichen Patrizierfamilien über die Stadt, sehr zum Leidwesen der Handwerker und Kaufleute, die vom Wohlwollen der Patrizier abhängig sind.


    Hier setzt die Autorin mit ihrer Geschichte an, die den schwelenden Konflikt zwischen Patriziern, Kaufleuten, Handwerkern und der stets dominanten Kirche zur Grundlage hat. Über einen Zeitraum von vier Jahren geschehen immer wieder Morde in der Stadt, deren Urheber nicht gefunden wird. Es gibt viele Verdächtige, mancher muss sich der Wahrheitsprobe an der Blutsäule, einer Märtyrer-Säule in der Kirche St. Gereon stellen, die angeblich zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden kann. Doch die Säule scheint einer Willkür zu unterliegen, die nichts mit übernatürlichen Kräften zu tun sondern ihren Ursprung eher in der irdischen Welt zu haben scheint. Was es mit der Säule auf sich hat, diese Ermittlung obliegt nicht nur Albert von Lauingen sondern auch dem Leser, der Albert bei seinen Ermittlungen begleitet. Liegt der erzählerische Fokus zunächst auf dem Dombaumeister Gerhard und seinem Neffen Gerwich, wechselt die Perspektive im Laufe der Geschichte verstärkt auf Albert von Lauingen, während der Dombaumeister eher in den Hintergrund tritt. Ein erzähltechnischer Staffellauf, der hier perfekt gelingt. Erfreulicherweise sind es zudem fast ausschließlich männliche Protagonisten, denen der Leser begegnet, eine Seltenheit auf dem Segment der historischen Unterhaltungsromane. Ich muss sagen, ich habe es nicht vermisst, dass hier keine Frau die Hosen an hat sondern wirklich durchgängig aus der männlichen Sicht geschrieben wurde. Iris Kammerer gelingt es wunderbar, sowohl die Sorgen und Nöte eines Heranwachsenden zu schildern als auch die Probleme eines gestandenen Mannes. Dies wirkt zu keiner Zeit aufgesetzt oder gewollt sondern durchweg authentisch und harmonisch. Geliebt habe ich den den leisen Humor, der trotz der widrigen Umstände in fast jeder Zeile durchblitzt, vor allem wenn Albert von Lauingen am Zuge ist. Ich habe es genossen, ihn bei seinen biologischen Experimenten zuzusehen, seinen Ratschlägen und seinen theologischen Exkursen zuzuhören. Bei dem Albert von Lauingen, wie Iris Kammerer ihn hier zeichnet, wäre ich gerne Schüler gewesen. Aber auch der brummige Thomas von Aquin oder auch der unsichere Gerswin sind ihr hervorragend gelungen, wie überhaupt alle Figuren in ihrem Roman. Es war niemand dabei, der mich kalt gelassen hat, niemand, der mich nicht auf die ein oder andere Weise gedanklich beschäftigt hat. An Spannung lässt der Roman obendrein keine Wünsche offen. Rasend schnell verfliegen die Seiten und dass im Buch vier Jahre vergehen, bekommt man kaum mit. Immer ist Bewegung in der Geschichte, passiert etwas, lässt den Leser gespannt die Luft anhalten.


    Stilistisch und sprachtechnisch spielt dieses Buch in der Oberliga, was nicht nur an den vielen Lateinischen Zitaten und Gebeten liegt, die zwar nicht in einem Glossar erklärt werden, sich aber immer aus dem Zusammengang erklären. Iris Kammerers Sätze sind wie mit Musik unterlegte Bilder, die mit ganz eigener Stimme die Geschichte einer Stadt erzählen. Einer Stadt die lärmt, stinkt, lacht, lebt und liebt, deren Bürger leidenschaftlich streiten und sich vertragen und ja, in der geklüngelt wird ohne Ende. Ich bin Erbsenzähler, wenn es um Bücher geht, die in der Stadt spielen, in der ich mein ganzes Leben verbracht habe, deren Wesen und deren Geschichte ich kenne. Wenigen Autoren gelingt es, genau dieses Wesen der Stadt und ihrer Menschen in ihren Büchern einzufangen. Bei Iris Kammerers Blutsäule habe ich keine Erbsen gefunden. Ich habe eine Perle gefunden. Ein Buch, in dessen Seiten ich zuhause war und durch dessen mittelalterliche Straßen ich gewandert bin, Protagonisten, die mich berührt haben und ein kölsches Lebensgefühl, das auch über 800 Jahre später noch genau so ist wie von Iris Kammerer empfunden und beschrieben. Iris Kammerer hat vor allem einen großartigen historischen Roman geschrieben, ein bisschen aber auch eine Liebeserklärung an die über 2000 Jahre alte Stadt am Rhein.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich muss sagen, ich habe es nicht vermisst, dass hier keine Frau die Hosen an hat sondern wirklich durchgängig aus der männlichen Sicht geschrieben wurde.



    Wie sehr habe ich das genossen, diese männliche Sicht. Ich habe ihre Figuren auch alle so sehr gemocht. Besonders über Thomas von Aquin möchte ich noch viel mehr lesen. Ein historischer Roman wie er sein sollte, eine wahre Perle, wie Bouquineur so richtig schreibt.

  • Ich auch!
    Ich moechte, dass Iris einen ganzen Roman ueber Thomas von Aquin schreibt, dass sie ihn fuer uns noch einmal - aber diesmal auf viel mehr Seiten - fuer uns sprechen, denken, fuehlen, leben laesst.


    So gern.


    Charlie

  • Wenn jemand Lust hätte, das Buch in einer Leserunde zu lesen (es hat laut Leserundenarchiv sogar welche mit der Autorin gegeben) - ich wäre gern dabei. Das Buch liegt bereit und ab Anfang Mai hätte ich Zeit... :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Anfang Juni IST aber AB Anfang Mai :lache
    Geh doch mal bitte hier bei meinem posting auf "suchen": Ich hab in den letzten Tagen in mehreren threads derartige Vorschläge gemacht (etwa ab Anfang April*g*), vielleicht ist ja noch mehr für Dich dabei... :knuddel1 :wave


    EDIT: Ich mach mal einen Vorschlagsthread auf. Vielleicht kommen ja noch Leute dazu. Die Verfasserin würde vielleicht sogar mitlesen, allerdings ist es ihr nicht möglich, täglich vorbeizuschauen. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von maikaefer ()

  • Ich habe das Buch jetzt in der Leserunde gelesen (falls noch jemand dazu Lust hat, sie zieht sich gewiss noch eine Weile hin!) und dies sogar mit Begleitung der Autorin.
    Zum Inhalt braucht im Hinblick auf das schon Geschriebene wohl nicht mehr viel gesagt werden, auch dem Lob kann ich mich vollinhaltlich anschließen: Ich fühlte mich sowohl etwas an Folletts "Säulen der Erde" als auch an Ecos "Name der Rose" erinnert, obwohl Iris Kammerer natürlich ihren eigenen wunderschönen Stil hat, uns historisches Feeling und gute Unterhaltung "rüberzubringen".
    Das Buch hat ein abrundendes Nachwort, obwohl ich eigentlich ein "Glossar, Personenregister und Karten-Fan" bin, habe ich nicht wirklich etwas davon vermisst, Ungewohntes ergab im Zusammenhang schnell einen Sinn.
    Besonders interessiert hat auch mich die Person des jungen Thomas von Aquin, aber auch sein weltliches Gegenstück, der junge Gerwich, nahm mich schnell für sich ein. Trotzdem muss ich abschließend sagen, dass es eigentlich dann doch die Familie um Richolf gewesen ist, der mein größtes Interesse galt: Vor dem historischen und kriminellen Hintergrund wurde uns hier ein kleines Familiendrama aufgezeigt, basierend auf dem Leid eines Mannes, der seine geliebte Ehefrau verloren und das nicht verwunden hat.
    Alles in allem ein sehr schönes Leseerlebnis, das ich wirklich jedem empfehlen kann!

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • ICH HASSE DEN SQL-DATABASE-ERROR!
    *schreibt die doofe Rezi noch mal neu*



    Ich schätze Iris Kammerer und ihre Romane sehr. Erfrischend anders stechen sie aus der Masse der schnulzigen historischen Romane hervor, stellen einen gewissen Anspruch an den Leser und bewegen sich auf hohem sprachlichem Niveau. Die Handlung ist ausgefeilt und die Charaktere fein und leicht gezeichnet. Jeder handelt so, wie es zu ihm paßt, fast sieht man als Leser die Lachfalten des alten Mönchs, wenn sich ein Lächeln in seine Mundwinkel gräbt oder kann den Schweiß riechen, der dem Dombau-Steinmetz in den Nacken rinnt. Hier und da hat der Leser das Gefühl, daß das Buch einigen etwas unguten Lektoratskürzungen zum Opfer gefallen ist, denn zumindest empfand ich es so, wären die ein oder andere Nebenhandlung es wert gewesen, weiter ausgeführt zu werden.
    Spannend, ironisch, mit dem Blick für die interessanen Dinge der damaligen zeit und herrlich unkitschig kommt dieser historische Roman daher, so daß er sogar mich, die eigentlich ungern etwas Historisches liest, absolut überzeugen konnte.

  • Es ist jetzt schon ein paar Wochen her, dass ich "Die Blutsäule" ausgelesen habe, daher hoffe ich, dass ich alle Eindrücke noch zusammenbekomme. Das meiste wurde bereits gesagt, sodass ich mich kurzfassen kann.


    "Die Blutsäule" ist Iris' Kammerers zweiter Roman, der im Mittelalter spielt, und während man im "Pfaffenkönig" mit Heinrich Raspe einen (ungekrönten) König begleitete, geht es dieses Mal in die mittelalterliche Stadt Köln mit ihren Bewohnern, Fehden und Machtkämpfen.
    Wie immer versteht es Iris Kammerer perfekt, die Geschichte zum Leben zu erwecken. Da passt alles, das Alltagsgeschehen, der Umgang miteinander, die Rolle von Kirche und Glauben im Leben der Menschen ... und es ist eine Freude, Albertus Magnus und Thomas von Aquin durch Köln zu begleiten und am Leben im Dominikanerkloster teilzuhaben.
    Überhaupt stich die Figur des Albertus Magnus für mich hervor. Mit wenigen Strichen zeichnet Iris Kammerer den wissbegierigen, gelehrten und trotzdem durch und durch menschlichen Dominikaner, der für mich ein Highlight des Buches war.
    Trotz der Kriminalhandlung ist die Blutsäule jedoch kein Krimi, sondern ein Roman, der die Machtkämpfe der Bürger vor dem Hintergrund des Dombaus zum Thema hat und deutlich macht, welchen Einfluss Macht und Geld auf Recht und Gesetz haben (Beowulf brachte es schon auf den Punkt - eine überraschend pragmatische Lösung, die wenig mit unserem heutigen Rechtsverständnis zu tun hat).
    Über die Sprache wurde schon genug gesagt - wie immer liefert Iris Kammerer ein Feuerwerk an überraschend schlichten, aber genialen Formulierungen, die mich wieder einmal beeindruckt haben.
    Einziges Manko sind für mich einzelne Erzählstränge, deren Ende man erahnen kann, die aber nicht weiter ausgeführt werden. Dafür wurde ich mit Forschungen über Käfer und deren jähes Ende entschädigt, die mir mehr als ein Schmunzeln entlockt haben. :chen


    Alles in allem ein wunderbarer Ausflug in das mittelalterliche Köln, das mit jeder Seite atmet, schwitzt und stinkt und dabei einen Zauber verbreitet, dem man sich schwer entziehen kann.

    Der Bernsteinbund - Historischer Roman - Juni 2010 im Aufbau-Verlag
    Die Tote im Nebel - Historischer Kriminalroman - März 2013 im Gmeiner-Verlag

    Rabenerbe/ Rabenbund - DSA-Fantasyromane - 2017/2018 bei Ulisses

  • Zitat

    Original von Heike
    ...Forschungen über Käfer und deren jähes Ende entschädigt, die mir mehr als ein Schmunzeln entlockt haben. :chen


    *hüstel*




    :grin

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)