Mal wieder ein Roman, der uns schon auf dem Cover als „Island-Krimi“ angekündigt wird, mal wieder eine verrottete Torfhütte auf dem Cover, (die man in diesem speziellen Fall mit etwas gutem Willen aber sogar rechtfertigen kann), aber dennoch nicht so ganz gewöhnlich:
In der isländischen Botschaft in Berlin wird ein Mann ermordet, einer, man kann es nicht anders sagen, der es auch nicht besser verdient hat: ein aktenkundiger Kinderschänder, Ausbeuter und Großmaul. Und in schönster Agatha-Christie-Manier kommen nur die acht Personen, alles übrigens Isländer, als Mörder in Frage, die sich in der penibel überwachten Botschaft zum Todeszeitpunkt aufhielten. Dumm nur, dass, als endlich die Kripo aus Reykjavík eintrifft, sich aufgrund von Zuständigkeitsgerangel der Behörden die Verdächtigen in alle Himmelsrichtungen zerstreut haben.
Zurück in Island, wühlen die Kommissare Gunnar und Birkir im Leben der Verdächtigen, graben unverhoffte Zusammenhänge aus und, wie könnte es anders sein, die Spur führt in die Vergangenheit...
Auch wenn dieser Krimi sich vordergründig erstmal nicht von der Standard-Island-Krimikost abhebt, würde ich ihn doch als einen der besseren des Genres werten. Weniger aufgrund eines besonders originellen Plots oder einer beeindruckenden Sprache, sondern einem für isländische Verhältnisse außergewöhnlichen Milieu. Dieses Mal sind nämlich nicht die braven isländischen Bürger die Hauptpersonen, sondern Künstler, übriggebliebene Hippies, die versuchen, in der Leistungsgesellschaft ihre Ideale zu leben. Das ist insofern ungewöhnlich, als Außenseiter, die dem Drogenkonsum nicht abgeneigt sind, die sich dem protestantischen Arbeitsethos verweigern und die auch ein eher unkonventionelles Liebesleben führen, in den meisten isländischen Krimis, so sie denn nicht die Bösewichter sind, zumindest als zwielichtige Gestalten dargestellt werden. Hier dagegen werden Menschen jenseits der Klischees des bodenständigen isländischen Bauerns, aber auch des smarten Bankers, dargestellt.
Angenehm auch, dass, auch wenn die Geschichte teilweise etwas düster ist, dem Roman doch die depressive Grundstimmung fehlt, die einem die Lektüre von z.B. Indridason manchmal etwas schwer macht. Das mag daran liegen, dass hier weder die isländische Gesellschaft im Kern verrottet ist, noch die Kommissare mit einem überschweren Schicksal belastet sind.
Dass ich dennoch nicht so richtig begeistert bin, hat wohl weniger mit der Qualität des Romans, als mit meinem gestiegenen Anspruchsdenken zu tun: das Genre ist einfach ausgelutscht. Selbst ungewöhnliches Personal und ungewöhnliche Schauplätze können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es, zumindest in der Krimisparte, schwierig ist, sich etwas wirklich Originelles auszudenken..
Diese Motzerei sollte allerdings keinen Freund des Krimis aus dem hohen Norden abschrecken. Wer einen soliden Islandkrimi erwartet, bekommt ihn auch.