Das war nun mal ein etwas spezielles Buch: Es erzählt die Geschichte von Mr. Biswas, der in Trinidad als Nachfahre indischer Einwanderer in ärmste Verhältnisse hineingeboren wird. Alleine das wäre schon ein nicht sehr günstiger Start ins Leben, erschwerend kommt jedoch hinzu, dass er mit einem sechsten Finger an einer Hand und mit dem Hintern zuerst geboren wurde, was in vielerlei Hinsicht auf eine furchteinflößende Zukunft hindeutet. Und tatsächlich, das Schicksal meint es nicht gut mit Mr. Biswas, die Kindheit endet abrupt, als der Vater stirbt und er bei verschiedener Verwandtschaft untergebracht wird. So nimmt es nicht Wunder, dass Herr Biswas zu einem durch und durch verkorksten, kränklichen und willensschwachen Mann heranwächst. Eine dramatische Wende erfährt sein Leben, als er mehr oder weniger aus Versehen in den dominanten Familienclan der Tuslis hineinheiratet, was ihm zwar eine gewisse materielle Sicherheit, aber auch eine subalterne Position innerhalb des Clans und damit einhergehende permanente Demütigung beschert. Und so ist sein neues Ziel: endlich ein eigenes Haus für sich und seine Familie. Dass dieser Plan bei der Konstitution des Herrn Biswas von einigen Rückschlägen begleitet ist, versteht sich von selbst.
Diese Geschichte ist nicht nur die eines Loosers, der auf eher unkonventionelle, manchmal aber auch rührend naive Art versucht, ein kleines Stück vom Glück zu erhaschen (und wenn er es dann erwischt hat, auf nahezu tragische Weise gleich wieder zerstört), sondern auch die Geschichte der indische Community auf Trinidad, symbolisiert durch den Clan der Tuslis, die nahezu hermetisch abgeschlossen von der restlichen Gesellschaft ihren indischen Lifestyle samt Traditionen und Religion pflegt (übrigens ein interessanter Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte). Mit zunehmendem Zerfall des Clans bzw seiner Clanchefin löst sich diese Gemeinschaft nach und nach auf, verschwindet sozusagen in der Mehrheitsgesellschaft. Mit ihr geht aber gleichzeitig auch eine faszinierende Parallelwelt verloren und damit die Identität vieler ihrer Mitglieder.
Unbestritten, dies ist ein wunderbar humorvolles Buch, in dem Naipaul, dem später immer mal wieder hinduistisch-nationalistische Tendenzen vorgeworfen wurden, voller Selbstironie aber dennoch liebevoll dieses so fremde, indische Milieu schildert, das Ganze auch noch auf einem sprachlich höchst angenehmen Niveau. Aber genau dies hat mir bei der Lektüre doch etwas Sitzfleisch abverlangt: das Fremde erschien mir manchmal abstrus, Herr Biswas, so sehr ich mit seinem Schicksal mitfieberte, schien mir manchmal einfach nur total durchgeknallt und manchmal geht es in diesem Clan auch derartig brutal zu, das einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Nichtsdestotrotz hat mir dieses Buch viel Vergnügen bereitet, und das, obwohl ich ein schäbiges vergilbtes achtziger Jahre Exemplar mit noch jeder Menge Rechtschreibfehler gelesen habe, die hoffentlich in späteren Auflagen korrigiert wurden.