Originaltitel: In the Country of Men
Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
Gebundenes Buch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-630-87244-5
Wie muss ein gutes Buch geschrieben sein, um dem Leser eine erschütternde Thematik nahe bringen zu können ?
Als erstes sollte es sicher authentisch sein, zudem unsentimental, einprägsam und in einer einfachen, doch kunstvollen Sprache verfasst. Es sollte den Leser berühren, letztlich sollte er das Gefühl haben bereichert worden zu sein.
Wenn man mit vorgenannten Ansprüchen konform geht, mag man sich getrost der Lektüre von Hisham Matars " Im Land der Männer" widmen, ohne enttäuscht zu werden.
Hisham Matars Romandebüt führt uns in das Libyen der späten Siebziger Jahre, in die Welt des neunjährigen Jungen Suleiman.
Libyen ist zu dieser Zeit ein Land, in dem seit dem Sturz des Monarchen Idris die Revolution des Muammar al-Gaddafi bereits seit 10 Jahren mit Gewalt und Schrecken das Leben bestimmt.
In diesem "Land der Männer" ist kein Platz für die großen Wünsche und Träume von Frauen und Kindern, doch Hisham Matar erzählt uns genau von diesen.
Suleiman und seine Mutter Najwa sind einander sehr verbunden, dennoch ist ihre Beziehung schwierig. Der von Suleiman bewunderte, aber auch sehr gefühlskalte Vater ist die meiste Zeit auf Geschäftsreisen. Mutter und Sohn sind meist auf sich gestellt. In diesen einsamen Tagen ist Najwa oft "krank", denn trotz strengem Alkoholverbot trinkt sie. Dann erzählt sie dem Jungen ihre Geschichte. Wie sie, als Mädchen von vierzehn Jahren, einen älteren Mann auf Beschluss des "Hohen Rates" der Familie heiraten musste, ein schwarzer Tag in ihrem Leben. Kurz nach der Hochzeit wird sie schwanger und Suleiman wird geboren. Mit seiner Geburt sterben ihre Hoffnungen und Träume.
Suleiman träumt davon seine Mutter zu retten. Er möchte, dass es ihr gut geht und obwohl es kaum in seiner Macht liegt, beschützt und hilft er seiner Mutter wo er nur kann. Es wird allerdings im Lauf der Geschichte immer schwieriger für ihn sie zu erreichen.
Eines Tages sieht Suleiman seinen Vater, der sich auf einer vermeintlichen Auslandsreise befindet, auf dem Märtyrerplatz in Tripolis. Das Kind kann dies noch nicht verstehen, doch sein Vater ist ein Aktivist der Widerstandsbewegung. Bald beginnt man auf ihn aufmerksam zu werden, und schließlich wird sogar ein Nachbar und Freund der Familie als Verräter verhaftet und verschwindet.
In panischer Angst um ihrer aller Leben verbrennt Najwa die verräterischen Bücher ihres Mannes. Suleimans Welt gerät immer mehr aus den Fugen, er hat keinen Halt mehr, ist verwirrt und verängstigt. Denunziation und Gefahr beherrschen sein junges Leben.
Wohin wird sein Weg ihn führen?
Das Leben des jungen Suleiman hat Hisham Matar in diesem Buch konsequent aus dessen kindlicher Perspektive geschrieben. Die Authentizität und Intensität hierbei ist nicht verwunderlich. Betrachtet man Hisham Matars eigene Kindheit entdeckt man viele Parallelen zu seinem Protagonisten. Auch Matar wuchs im Tripolis der Siebziger Jahre auf, sein Vater verschwand in libyscher Haft und sein Schicksal ist bis heute ungeklärt. Er emigrierte nach Kairo und lebt heute in London.
"Im Land der Männer" ist auch sein eigener Rückblick, eine Liebeserklärung an seine Heimat und auch eine Abrechnung mit der bis heute andauernden Gewaltherrschaft Gaddafis. Authentischer kann man einen Roman kaum schreiben, man ist hautnah dabei, lebt und fühlt mit dem jungen Protagonisten, spürt die brennende Sonne in Tripolis.
Suleimans Gedanken und Gefühle, voller Unschuld, kindlicher Naivität und Fragilität, beschreibt er ohne Pathos, aber sehr anrührend.
Die Geschehnisse verfolgt man gespannt, geschockt und ergriffen. Die schmuckvolle Einfachheit seiner Sprache überzeugt und bewegt.
Besonders wichtig ist, wie ich finde, dass Matar Interesse für die Thematik der lybischen Politik weckt, die ja bis heute in ihren Grundzügen unverändert besteht, auch wenn sie sich wirtschaftlich dem Westen öffnet.
Ein bewegender Roman über eine Kindheit unter einem Gewaltregime, ein tolles Debüt, das noch Großes von Hisham Matar erhoffen lässt.