Die Nachteile des Plebiszits - Schweizer stimmen gegen Minarett-Neubauten

  • "Direkte Demokratie in Sachfragen", das klingt großartig. Obwohl das kleine Land mitten in Europa hier und da als etwas rückständig gilt - so gibt es dort das Wahlrecht für Frauen flächendeckend erst seit Ende der Achtziger -, nimmt es eine "Führungsposition" ein, wenn es um direkte Demokratie geht. Volksabstimmungen und Volksentscheide gibt es in der Schweiz sehr viel häufiger als in sämtlichen anderen europäischen Ländern; das Plebiszit ist elementarer Bestandteil des politischen Systems. Diese Form der Volksgewalt ist aber nicht unumstritten; nicht grundlos haben die Gesetzgeber in anderen Ländern hohe Hürden vor solche direkten Sachentscheidungen durch das Volk gebaut. Da der "Volkswille" starken Schwankungen unterliegt und in Einzelfragen sehr viel leichter zu beeinflussen ist als in grundsätzlichen (etwa Tendenz-)Entscheidungen, befürchtet man hier Populismus und, vor allem, Einzelentscheidungen, die sich mit einer generellen politischen Linie nicht vereinbaren lassen. Wenn man im Nachgang dramatischer Situationen, etwa eines opferreichen Verkehrsunfalls oder eines Atomkraftwerk-Störfalles, entsprechende Volksentscheide fällen lassen würde, würden sie zu ganz anderen Ergebnissen kommen als zu jedem anderen Zeitpunkt. Deshalb ist in es in Demokratien, die auf dieses Mittel weitgehend verzichten oder seine Nutzung erschweren, Aufgabe der Politiker, das gesamte Bild und die aktuelle Entscheidungssituation im Blick zu haben. Dem "Volk" gelingt das nämlich oft nicht. Gut, auch die nicht-plebiszitären Demokratien haben sich während der letzten Jahre gewandelt. Ein Blick auf den sogenannten "Kampf gegen den Terror" genügt, um zu erkennen, dass sich Einzelfall und Gesamtsystem auch in Deutschland längst nicht mehr in einem gesunden Verhältnis befinden.


    Nun haben die Schweizer im Rahmen eines Volksentscheids, der weltweite Beachtung findet, mit großer Mehrheit gegen den Neubau von Minaretten gestimmt. Minarette, das sind die Türme an Moscheen, von denen aus die Muezzine fünfmal am Tag zum Gebet rufen. Wohlgemerkt, es ist nicht gegen den Neubau von Moscheen gestimmt worden, sondern gegen diese Türme. Sie sind - wie Kirchtürme - die Symbole, die solche Sakralbauten kenntlichmachen. Auch in Deutschland und in vielen islamischen Ländern hat allerdings nicht jede Moschee ein Minarett.


    Mit der Begründung, man hätte Angst um die "kulturelle Identität", versuchen viele Menschen, diese Entscheidung schönzureden. Andere gehen einen Schritt weiter und sprechen vom "Nazi im Kopf", den ja doch jeder mit sich herumtragen würde. Aber alle sind überrascht vom klaren Votum der Schweizer (57 Prozent), das auf Antrag einer rechtspopulistischen Partei mit insgesamt wenigen Anhängern zustande kam.


    Von den knapp acht Millionen Einwohnern der Schweiz sind etwa 400.000 Muslime. Nur etwas mehr als zehn Prozent der Schweizer sind religionslos, das ist ein sehr viel geringerer Anteil als etwa in Deutschland. Die Mehrheit der Nicht-Muslime verweigert nun dieser Minderheit (etwa 5 Prozent der Einwohner - wohlgemerkt nicht der Mitbürger!) ein wesentliches Symbol ihres Glaubens. Sie tut das, weil sie kann: Eine solche Entscheidung zu einem solchen Thema wäre in Deutschland so gut wie undenkbar. Technisch gesehen. Ich halte es aber für möglich, dass sie zu einem ähnlichen Ergebnis käme, wäre sie möglich.


    Der CDU-Spaßvogel Wolfgang Bosbach, der, wir erinnern uns, das Verbot von "Paintball" für geeignet hielt, einen "Zugewinn an Sicherheit für die Bevölkerung" zu erreichen (Kontext war der Amoklauf von Winnenden), bezeichnet die Entscheidung als einen Ausdruck der "Angst vor der Islamisierung". "Islamisierung" bezeichnet den Übertritt nennenswert großer Bevölkerungsanteile zum Islam, gegebenenfalls auch durch Gewalt. Verleitet ein Minarett tatsächlich dazu, die Religion zu wechseln? Oder hatte Bosbach einfach kein Fremdwörterbuch parat?


    Ich verstehe zwei Dinge. Erstens ist das Plebiszit offenbar nicht die Krone der Demokratie, sondern bestenfalls ihre Krücke. Und zweitens sollte man sich mit der Schweiz nicht nur dann befassen, wenn man Geld vor dem Fiskus zu verstecken hat. Immerhin handelt es sich um ein Nachbarland.

  • Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus! Diesen Verfassungsgrundsatz findet man in unserem Grundgesetz, unserer Verfassung. Insofern sind Plebiszite die höchstmögliche Form der demokratischen Mitwirkung der wahlberechtigten Bevölkerung.


    Zudem sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass hier - wie aber auch in der Schweiz - durch Plebiszite nicht die elementaren Grundlagen der jeweiligen Verfassung beseitigt werden können. Nach unserem Art. 79 (3) GG sind die Artikel 1 und 20 GG nicht veränderbar.


    Natürlich muss man sich auch fragen, wie es um ein Land und deren Politikerkaste bestellt ist, die "Angst" vor einem Volksentscheid haben. Ich sehe außerdem nicht, dass unsere politisch Verantwortlichen die Entscheidungssituation wirklich im Blick haben. Da wird auch sehr, sehr oft in völliger Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten entschieden.


    Entweder man akzeptiert das Volk als obersten Souverän oder man akzeptiert es nicht.


    Man kann zu Bosbach stehen wie man will, natürlich redet er auch viel Unsinn, aber mit dieser Bemerkung hat er die Befürchtungen der Menschen vor der Islamisierung klar beim Namen genannt. Und offenbar ist unsere Politik nicht in der Lage, die Befürchtungen der Menschen zu zerstreuen.


    Das Schweizer Abstimmungsergebnis habe ich durchaus mit Sympathie zur Kenntnis genommen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Tja, Demokratie ist eben auch, wenn es mal einer macht ...


    Ich finde den Wahlausgang in der Schweiz erstaunlich und für mich persönlich auch durchaus unerfreulich, sprich: Ich hätte wohl anders gestimmt. Andererseits - wenn das Volk der Souverän ist, dann darf es auch souverän entscheiden. So ernst muss man Demokratie schon nehmen, denke ich.


    Verblüffend sind auch die 57 Prozent - die "schweigenden Mehrheiten" scheint es nicht nur im Reich der Fabel zu geben.


    Ich würde mir auch in Deutschland mehr direkte Demokratie wünschen. Zum Beispiel empfinde ich es als Missachtung der wahlberechtigten Bürger, vor Einführung einer (Quasi-)Europaverfassung nicht über ebendiese abstimmen zu dürfen. Auch einen so wesentlichen Schritt wie die mögliche Aufnahme der Türkei in die Europäische Union hätte ich gern direkt vom Volk legitimiert.
    Natürlich kann dabei etwas völlig Anderes herauskommen, als die Berufspolitiker sich wünschen - es es scheint mir gar nicht schlecht, wenn die Regierung ein wenig Angst vor ihrem Volk hat.

  • Hallo, Voltaire.


    Zitat

    Entweder man akzeptiert das Volk als obersten Souverän oder man akzeptiert es nicht.


    Wer ist "man"? :gruebel


    Auch in Staaten, deren Demokratien weniger plebiszitär sind, akzeptiert man das Volk durchaus als Souverän, aber man versucht, zwischen den Stärken und Schwächen dieses Souveräns einen gangbaren Kompromiss zu finden. Die vermeintliche Stärke dieses Souveräns scheint darin zu bestehen, dass er tendentiell nicht extremistisch ist, seine Schwäche aber lautet, dass dies in Einzelfragen durchaus der Fall ist. Stell Dir einfach mal einen Volksentscheid "Todesstrafe für Kinderschänder" vor, der kurz nach dem Bekanntwerden des Fritzl-Falls stattgefunden hätte, zufällig oder beabsichtigt zu diesem Zeitpunkt. Wahrscheinlich hätte es eine große Mehrheit dafür gegeben, und zwar nicht nur in Österreich.


    Zitat

    Man kann zu Bosbach stehen wie man will, natürlich redet er auch viel Unsinn, aber mit dieser Bemerkung hat er die Befürchtungen der Menschen vor der Islamisierung klar beim Namen genannt. Und offenbar ist unsere Politik nicht in der Lage, die Befürchtungen der Menschen zu zerstreuen.


    Nochmal für Fußgänger: "Islamisierung" ist das Pendant zu "Christianisierung". Der Begriff bezeichnet den Wechsel großer Volksgruppen zu diesem Glauben. Was haben Minarette bitteschön mit Islamisierung zu tun?


    Zitat

    Das Schweizer Abstimmungsergebnis habe ich durchaus mit Sympathie zur Kenntnis genommen.


    Die sich wie begründet?


  • Ja, wer ist eigentlich "man"? Gute Frage!
    Naja, "man" sind doch die, die sich mit dieser Thematik beschäftigen - wenigstens sehe ich so den Begriff "man" an.


    Eine "Todesstrafe für Kinderschänder" kann NICHT durch Volksentscheid eingeführt werden. Zum einen ist die Todesstrafe nach Art. 102 GG abgeschafft und ein Volksentscheid könnte zudem das Grundgesetz in seinem Wesensgehalt nicht verändern.


    Islamisierung ist in meinen Augen nicht das Pedant zu "Christianiesierung". Ob man nun christlichen Glaubens ist oder nicht: Er ist Teil unserer abendländischen Kultur und damit ist sein Anspruch ein anderer als der islamische Glauben. Wunderbar doch eigentlich, wie wir mal wieder beim Thema "Religion" gestrandet sind. :grin


    Meine Sympathie für die Entscheidung in der Schweiz ergibt sich dadurch, dass ich - auch wie Bosbach in diesem Falle - gegen jede weitere Islamisierung unserer Gesellschaft bin. Jede und jeder kann das glauben was sie/er will. Und insofern trifft hier auch die Religionsfreiheit des Grundgesetzes. Aber niemand hat das verfassungsmäßige Recht, diese Gesellschaft in ihren Grundfesten zu ändern. Diese würde aber passieren, würde sich unsere Gesellschaft weiter islamisieren.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


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  • Hallo, Voltaire.


    Zitat

    Eine "Todesstrafe für Kinderschänder" kann NICHT durch Volksentscheid eingeführt werden. Zum einen ist die Todesstrafe nach Art. 102 GG abgeschafft und ein Volksentscheid könnte zudem das Grundgesetz in seinem Wesensgehalt nicht verändern.


    Das war ein Gedankenspiel. Es ging um die Annahme, ein solcher Volksentscheid sei möglich (gewesen).


    Zitat

    Islamisierung ist in meinen Augen nicht das Pedant zu "Christianiesierung". Ob man nun christlichen Glaubens ist oder nicht: Er ist Teil unserer abendländischen Kultur und damit ist sein Anspruch ein anderer als der islamische Glauben.


    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht weiß, was "unsere abendländische Kultur" eigentlich genau ist, und ob es darin einen soziologischen, weltanschaulichen, philosophischen Kern gibt, der quasi unwandelbar feststeht, und der deshalb auch als unveräußerliches Gut gelten sollte. Ich bin fraglos Bestandteil unserer abendländischen Kultur, da ich ein Bürger dieses Staates bin, und der christliche Glaube ist für mich ein ebensolcher Hokuspokus wie der muslimische Glaube. Bin ich dadurch kein "richtiger" Bürger mehr, oder kein echter "Abendländler"? Oder ist diese Sichtweise einfach überkommen?


    Es mag sein, dass das Christentum in Europa einen anderen "Anspruch" hat als z.B. der Islam, einfach weil es - noch - Mehrheitsglauben ist, aber warum sollte man der Gesellschaft die Chance verbieten, sich mehrheitlich einem anderen Mehrheitsglauben oder sogar keinem Glauben zuzuwenden?


    Zitat

    Meine Sympathie für die Entscheidung in der Schweiz ergibt sich dadurch, dass ich - auch wie Bosbach in diesem Falle - gegen jede weitere Islamisierung unserer Gesellschaft bin. Jede und jeder kann das glauben was sie/er will. Und insofern trifft hier auch die Religionsfreiheit des Grundgesetzes. Aber niemand hat das verfassungsmäßige Recht, diese Gesellschaft in ihren Grundfesten zu ändern. Diese würde aber passieren, würde sich unsere Gesellschaft weiter islamisieren.


    Nochmal: "Islamisierung" bedeutet (lediglich), dass sich Leute diesem Glauben zuwenden. Ich verstehe die Ängste der Christen davor, die Mehrheit zu verlieren. Das Christentum ist aber keineswegs in unserer Verfassung (d.h. in unserem Grundgesetz) als Staatsreligion verankert, ganz im Gegenteil garantiert Artikel 4 die Freiheit des Glaubens, also auch die Freiheit, nicht zu glauben. Es mag sein, dass unserem Grundgesetz christliche Werte zugrundeliegen, aber auch das erst seit sechzig Jahren. Warum sollte das nicht zur Disposition stehen? Warum soll das unwandelbar sein? Die Religionswertekonservativen schwatzen immer gerne davon, dass unsere "abendländische Kultur" untrennbar mit dem christlichen Hintergrund verbunden sei, aber darf das wirklich mit dem Verbot einhergehen, sich mehrheitlich einer anderen Religion (oder: keiner) zuzuwenden? Und tut sich eine Gesellschaft damit einen Gefallen, indem sie versucht, das aktiv zu unterbinden, etwa durch das Verbot entsprechender Sakralbauten? Ich empfinde das als zutiefst undemokratisch, also verfassungsfeindlich. Das wäre ein solches Verbot - glücklicherweise - in Deutschland auch!

  • Was die "Angst vor Islamisierung" angeht, könnte ich mir vorstellen, dass Bosbach nicht den Übertritt meinte, sondern wachsende Zugeständnisse an diejenigen Bürger, die dem Islam angehören (ohne jetzt selbst bewerten zu wollen, ob dies stimmt und wenn, ob es gut oder schlecht ist). Ich muss ja selbst zugeben, dass ich jetzt nicht gewusst hätte, was "Islamisierung" wirklich heißen soll. Danke, Tom.

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  • Ich verstehe die Aufregung nicht.
    Niemand vernbietet irgendwem sein Gotteshaus zu bauen, sondern es ist lediglich dagegen entschieden worden, das kulturelle optische Bild der Schweiz beibehalten zu wollen, indem man eben nicht auf dem Berg in den Alpen oder auch sonst wo, ein Minarett haben möchte....
    Das Volk ist gefragt worden, das Volk hat Antwort gegeben, einen Nazi, Fremdenfeind oder ähnliches kann ich hinter diesem Votum nicht erkennen, lediglich den Wunsch die eigene Kultur und das Erscheinungsbild des eigenen Landes aktiv mitzubestimmen.
    Muslime dürfen weiterhin Moscheen bauen, sie können ihre Religion weiterhin ausüben ungehindert....ich erkenne das Problem nicht.


    Schließe mich aber durchaus der Sympathie von Voltaire an, wobei ich ergänzen möchte, daß ich generell gegen jegliche Form der Kirche, Synagoge, Moschee bin, ich sehe einfach keinen Nutzen in diesen Bauten und in der Geschichte lediglich Konflikte zwischen den religiösen Parteien.
    Für mich wäre ein Welt ohne konkurrierende religiöse Ansichten eine weitaus friedlichere und mir gehen sowohl Kirchenglocken auf den Sender, als auch der Muezzin (der hier nur einmal die Woche ruft).


    Ich denke allerdings, daß die Entscheidung der Schweizer wohl auch viel auf "Heimatschutz" zurück zuführen ist. Eben weil man bei der Nennung der Schweiz ein neutrales Land vor augen hat, verhält es sich eben auch in religiösen Dingen neutral und möchte sein optisches Erscheinungsbild nicht durch die klar erkennbaren Gotteshäuser der Religion einer Minderheit prägen.
    Kann ich sehr gut nachvollziehen....


    Etwas verwundert bin ich, daß gerade Tom hier so entsetzt über diese Entscheidung zu sein scheint. Bist nicht gerade du derjenige der ständig den Unsinn von Religion und Symbolen anprangert? Warum aufeinmal die Kehrtwende, im Sinne der Freiheit, jeder muß tun und bauen dürfen was er will? Oder einfach weil du mal wieder gegen irgendwas sein möchtest, wie du meist gegen eigentlich alles bist?



    Edit:
    Ich bin übrigens nicht der Meinung, daß die von Tom gegebene Definition zum Thema Islamisierung den Kern der Sache trifft. (hups ein nicht zuviel... )
    Natürlich wird damit vorallem die Konversion zum Islam gemeint, im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich aber auch eine weitere Bedeutung dieses Wortes eingebürgert. Nämlich die Verwässerung des Kulturguts eines Landes eben durch den Islam und dessen Regeln.
    Niemand hat wirklich Angst davor, daß sich vermehrt Menschen dem Islam zuwenden. Aber man möchte doch sein eigenes Kulturgut dadurch nicht benachteiligt sehen und diese Gedanken spielen eine Rolle, hier in dieser Diskussion, genauso wie die Diskussion um eine Moschee in Köln, die größer als der Dom werden soll oder Kopftuchtragende Lehrerinnen und Staatsbeamtinnen.....

  • Meines Erachtens kann es gar nicht darum gehen, ob dieses Gesetz mit dem deutschen Grundgesetz konform ginge - schließlich wurde in der und für die Schweiz abgestimmt, und dort gilt das deutsche Grundgesetz genauso viel oder wenig wie die Verfassung von Nepal.


    Entscheidend ist die Schweizer Verfassung. Diese hat sich das Schweizer Volk auf demokratischem Wege gegeben, hoffe ich. Sie sieht Volksabstimmungen vor. Ich hoffe ferner, dass die in Rede stehende Volksabstimmung dieser Verfassung gemäß durchgeführt wurde. Damit ist das Ergebnis umzusetzen.
    Ich bezweifle, dass die Schweizer von irgendjemandem Nachhilfe in Demokratie benötigen. Die haben sie schon länger als die meisten anderen.


    Auch kann ich nicht nachvollziehen, wie "man versuchen kann, zwischen den Stärken und Schwächen eines Souveräns einen gangbaren Kompromiss zu finden". Wer ist denn in dieser Aussage "man"? Das ist doch auch wieder "der Souverän", und der gibt sich eine Verfassung - die im Falle der Schweiz solche Volksentscheide vorsieht.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ich verstehe die Aufregung nicht.
    Niemand vernbietet irgendwem sein Gotteshaus zu bauen, sondern es ist lediglich dagegen entschieden worden, das kulturelle optische Bild der Schweiz beibehalten zu wollen, indem man eben nicht auf dem Berg in den Alpen oder auch sonst wo, ein Minarett haben möchte....


    Es gibt anscheinend genügend Stimmen, die es anders deuten. Wie die Wahrheit wirklich ist, weiß man doch eh nur, wenn man alle, die gestimmt haben, fragt, warum sie so gestimmt haben. Und wahrscheinlich wissen doch viele gar nicht, warum sie so gestimmt haben, wie sie gestimmt haben. :grin

    Zitat

    Für mich wäre ein Welt ohne konkurrierende religiöse Ansichten eine weitaus friedlichere und mir gehen sowohl Kirchenglocken auf den Sender, als auch der Muezzin (der hier nur einmal die Woche ruft).


    Vor allem den ersten Teil des Satzes find ich sehr schön. Das wird wohl leider nie der Fall sein. Was den zweiten Teil angeht - ich wohne direkt gegenüber nem Kirchenturm. Eigentlich macht mir das nichts aus, aber manchmal...da könnte ich ausrasten ;-)

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  • Hallo, BJ.


    Mir wäre ganz persönlich tatsächlich am liebsten, wenn aufdringliche religiöse Symbole wie Kirchtürme, Minarette, Kruzifixe und all diese Dinge vollständig aus dem Bild verschwänden. Religionsfreiheit sollte auch Freiheit von Religion bedeuten, aber das ist in pseudosäkularen Staaten wie dem unsrigen unmöglich. Deshalb ist es auch sehr weltfremd, das zu erwarten oder aktiv dafür einzutreten.


    Darum aber geht es nicht. Es geht auch nicht um die "Optik" oder das "Bild der Heimat". Wann warst Du zuletzt in der Schweiz? Dort wie hier gibt es keine städtebaulichen Maßgaben, die verhindern, dass man z.B. jederzeit sieht, dass die Welt vom Geld regiert wird. Du solltest nicht von der ländlichen Postkartenidylle auf den Rest schließen. Zürich oder Genf sind ganz normale Großstädte, wie es sie hier auch gibt, und ein Minarett mehr oder weniger würde das Bild dieser Städte (auch der kleineren) kaum stärker verschandeln, als es ohnehin verschandelt ist - ganz im Gegenteil. Was nicht heißt, dass die Werber für das Verbot nicht mit diesem Aspekt gearbeitet haben - in der Hauptsache haben sie jedoch an die Urängste vor einem kulturellen Wandel, vor einer Bevormundung durch das "Fremde" appelliert. Ein Turm ist ein Finger, der in den Himmel zeigt, ein starkes Symbol. Deshalb haben Kirchen Türme, als beherrschendes Element so manch einer Dorf-Skyline. "Seht, wir sind Christen" heißt das, schon aus der Ferne. Es heißt nicht: "Seht, wie schön unser Dorf ist." Und genau dieses "Seht!" verbietet man jetzt der - ja nicht unerheblichen - Gruppe von Muslimen. Die Christen dürfen weiterhin mit (in der Hauptsache nutzlosen) steinernen Symbolen für ihren Glauben werben, ihn zeigen, aber der anderen Gruppe wird dieses Recht verweigert. Das kann man sich mit städtebaulichen Aspekten schönreden, aber wenn man sich die Kampagne ansieht, stellt man schnell fest, dass es darum nicht ging.


    Die einzige "vernünftige" Erklärung dafür lautet, dass die eine Gruppe die Mehrheit stellt und um jeden Preis verhindern will, dass eine Minderheit erstarkt, und sei es auch nur optisch. Wenn man es schon nicht verhindern kann, dass es eine schleichende Abwanderung vom Christentum und eine teilweise Zuwendung zu anderen Religionen gibt, will man wenigstens den Eindruck aufrechterhalten, dass es nicht so wäre. Das ist ein Prinzip, das man auch früher schon angewendet hat, indem man nichtchristliche Denker verbat und ihre Schriften (und die Denker selbst) ächtete und verbrannte.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Niemand hat wirklich Angst davor, daß sich vermehrt Menschen dem Islam zuwenden. Aber man möchte doch sein eigenes Kulturgut dadurch nicht benachteiligt sehen und diese Gedanken spielen eine Rolle, hier in dieser Diskussion, genauso wie die Diskussion um eine Moschee in Köln, die größer als der Dom werden soll oder Kopftuchtragende Lehrerinnen und Staatsbeamtinnen.....


    Kopftuchtragende Lehrerinnen sind mir egal, da denk ich schon, dass es eigentlich erlaubt sein sollte. Gut, gehört hier nicht rein.
    Was die Moschee angeht, die größer werdensoll als der Dom - ja, da kann ich aber auch nur den Kopf schütteln. Was soll das bitte? Der Dom ist das Wahrzeichen Kölns, da würd ich bei einer Abstimmung auch so reagieren wie die Schweizer und ich habe nichts gegen eine Moschee an sich. Aber ich würde - und das ist vielleicht auch ein Zeichen, dass meine Meinung nichts mit dem Islam zu tun hat - auch so reagieren, wenn ein Geschäftsmann ein Riesengebäude, ein Wohnhaus oder sonstwas bauen möchte, das größer ist als der Dom.
    Wie gesagt - die Beweggründe bei dieser Abstimmung sind sicher unterschiedlich. Manche kann ich verstehen, manche nicht.

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  • @
    Es ist aber eben lediglich ein Symbol von der Mehrheit abgelehnt worden. Beten kann man auch ohne Symbol, auf sich aufmerksam machen ebenfalls, eine tolle Moschee bauen, geht vermutlich auch ohne Minarett (unsere hier hat auch keins) und zwar trotzdem so, daß jeder sieht: Das ist eine Moschee


    Wie gesagt, ich verstehe den Wirbel nicht, es wurde abgestimmt und gut ist.


    Ein bißchen fühle ich mich an die Abstimmungen zu unserem Schichtdienstmodell erinnert. Da wurde so lange abgestimmt, bis das Ergebnis den hohen Herren recht war. mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun.
    Hier hat eine große Abstimmung stattgefunden, zu einem Thema, das ich persönlich als absolut nicht wichtig erachte, also sollte man sie hinnehmen, gerne kann man sie diskutieren, aber wozu?
    Das Volk hat abgestimmt, Ende. Die Mehrheit der Schweizer möchte keine Minarette, sie sind ihnen nicht egal, sie nehmen sie nicht hin, sie möchten sie nicht. Punkt. Es sind nicht 10 Schweizer, nicht 100 es sind mehr als die Hälfte der Schweizer, die sich aktiv dagegen entschieden haben.... was also ist an dieser Abstimmung nicht demokratisch.... Es ist die direkteste Form der Demokratie, die man sich vorstellen kann...


    (hier jetzt auf dem Wahlrecht für Frauen herumzureiten erachte ich als arg polemisch....)

  • @BJ:


    Das ist keine von mir "vorgegebene" Definition, sondern die Definition. "Islamisierung" ist die Bekehrung zum Islam, sagen Wahrig, Duden und andere Wörterbücher. Siehe auch hier:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Islamisierung


    Nur wenn man einen Aschenbecher einfach "Tisch" nennt, kann man trotzdem nicht daran sitzen und Karten spielen. ;-)

  • @ Tom
    Wie ich schrieb, ist dies natürlich die Legaldefinition.
    Wie ich aber auch schrieb, hat das Wort für viele Menschen eben eine andere Bedeutung, als die, daß mehr Menschen dem Islam anhängen.
    Ich schrieb auch nicht von TOM VORGEGEBEN, sondern von Tom GEGEBEN...


    Mir wird das Worte auf die Goldwaage legen hier schon wieder zu viel, viel Spaß weiterhin, ich bin durch die Tür. ---

  • Bernard : Es gibt zwei wesentliche Nachteile des Plebiszits. Erstens sind es Einzelentscheidungen, die unabhängig von einer (beherrschenden) politischen Linie getroffen werden und ihr widersprechen können. Man stelle sich eine grüne Staatsregierung vor, die vom Volk gewählt wurde, weil es sich Wasweißich davon versprach, und diese Regierung wird nun per Volksentscheid dazu gezwungen, neue Kernkraftwerke zu bauen. Es kann außerordentlich schwierig werden, eine politische Linie durchzuhalten, wenn man in Einzelfällen dazu gezwungen wird, ihr zuwider zu handeln. Das hat die Vergangenheit auch mehrfach gezeigt. Und außerdem - zweitens - werden die Kampagnen rund um solche Einzelfragen häufig sehr auf diese reduziert; man blendet die Implikationen bewusst aus und übt sich in Populismus. Da der Wähler ja die Möglichkeit hat, einerseits mit einer politisch "milden" Gesamtentscheidung sein Gewissen zu beruhigen, wenn er andererseits in Einzelfragen "hart" entscheiden darf, entsteht ein politisches Paradox.


    @BJ: Wer "Mehrheit" mit "demokratisch" gleichsetzt, hat m.E. das Prinzip nicht verstanden.

  • Tom : Diese Punkte sind in der Tat valide Nachteile.
    Sie gelten allerdings bis zu einem gewissen Grade für demokratische Entscheidungen allgemein: Auch in einer Parteiendemokratie ist man weder vor populistischen Entscheidungen gefeit (Stichwort "Wahlgeschenke") noch vor Gesetzesakten, die einer Grundlinie widersprechen (Stichwort "Lobbypolitik"). Dennoch treten die von Dir genannten Nachteile auch meiner Einschätzung nach in Plebisziten deutlicher hervor. Zudem sind Plebiszite schlicht und ergreifend eine teure Angelegenheit.
    Trotzdem bin ich ein großer Freund von Plebisziten, weil ich dem Volk eine Menge zutraue. Insbesondere kann man ein ganzes Volk schlechter bestechen als eine kleine Gruppe von Parlamentsmitgliedern. Es gibt nach meiner Beobachtung einige Themen, die durchaus in der politischen Debatte stehen, wo es also nicht um Einzelfallentscheidungen aus einer politischen Laune heraus geht, sondern um Richtungsentscheidungen, die manchmal über Jahre hinweg diskutiert wurden. Euroeinführung, Atomausstieg, EU-Beitritt der Türkei, Auslandseinsätze der Bundeswehr, EU-Verfassung, ...
    Bei solchen Themen würde ich mir mehr "schweizerische Demokratie" wünschen. Zu diesen Themen werden die meisten Wahlberechtigten eine Meinung haben, auch ohne zuvor von Polemikern angefüttert worden zu sein. Wer möchte, dass "alle Macht vom Volke" ausgeht, sollte damit auch kein Problem haben. Wenn zum Beispiel die Soldaten in Afghanistan wüssten, dass eine Zweidrittelmehrheit der Deutschen hinter ihrem Einsatz stünde, würden sie sich bestimmt wohler fühlen. Wenn es diese Mehrheit aber nicht geben sollte - dann sollten deutsche Soldaten auch nicht in Afghanistan sterben.