ZitatOriginal von Lipperin
Jetzt habe ich endlich verstanden, welche Bedenken SiCollier eigentlich bezüglich der historischen Romane vom Aufbau-Verlag hat.
Um es mal so auszudrücken: jeder Verlag hat eine bestimmte Richtung, bestimmte Grundlinien, die sich im Programm ausdrücken. Aufbau tendiert in aller Regel in eine Richtung, die nicht die meine ist.
Thema Kreuzigung denn doch etwas ausführlicher. Ich habe vor Jahren mal was dazu geschrieben. Im Rahmen meiner Beschäftigung mit dem Turiner Grabtuch hat es sich zwangsläufig ergeben, daß ich ziemlich genau wußte, was hinter dem Begriff „Kreuzigung“ steht. Das Bild mit dem Fußknochen von Jochanan ist mir seit langem bekannt; der Knochen ist, soweit ich weiß, der einzige physische Beweis einer vollzogenen Kreuzigung. Wenns interessiert, Kreuzigung hier in Kurzform. Allerdings spoilere ich, damit die, welche es nicht so genau wissen wollen, es nicht lesen müssen.
(Aber Achtung: wenn man sich das richtig vergegenwärtigt, das ist hart.)
Genagelt wurde durch die Handwurzel, denn ein Nagel durch den Handteller würde nicht lange den Zugkräften standhalten. Die Hand reißt aus, der Delinquent fällt vom Kreuz. Durch die Handwurzel jedoch hält es. Dabei wird kein Knochen verletzt, diese weichen zur Seite und schaffen Raum für den Nagel. Allerdings läuft da einer der Hauptnerven des Körpers, der sog. nervus medianus. Was die Verletzung eines solchen bedeutet, muß ich nicht groß ausführen. Durch diese Verletzung klappt der Daumen ein und wird unbeweglich. Daher sind Kreuzdarstellungen, auf denen fünf Finger zu sehen sind, falsch, solche mit nur vieren jedoch korrekt. Das weiß man, weil es Versuche dazu gab. Zum einen, wenn ich mich recht erinnere, in KZs der Nazis. Zum andern hat Dr. Barbet, seinerzeit Chefarzt eines Krankenhauses, in den 50er Jahren in Paris Versuche mit frisch amputierten Armen gemacht (woher man das mit den Daumen weiß). Auch haben Studenten Selbstversuche gemacht, woher das mit den Krämpfen und der Atemnot bekannt ist. Irgendwo habe ich ein Buch, wo Bilder davon drinnen sind.
Von dem „Wippen“ zeugt auch das Bildnis auf dem Turiner Grabtuch: es gibt auf den Armen zwei Blutspuren, die exakt den Winkel einnehmen, den man erwartet von der aufgerichteten und der abgesackten Position.
Durch die Lage am Kreuz beginnen am ganzen Körper Muskelkrämpfe, die schließlich auch die Atemmuskeln erreichen. Nach etwa zehn Minuten besteht bereits akute Lebensgefahr. Er kann nur noch ein- nicht mehr ausatmen. Dies kann vermieden bzw. gemildert werden, wenn sich der Delinquent auf den Fußnägeln aufrichtet und die Lungen so entlastet. Das ist natürlich schmerzhaft. Auch kann er nur Sprechen, wenn er sich in die Fußnägel stellt.
So ergibt sich praktisch ein dauerndes „Wippen“ am Kreuz. Ein gesunder Mensch hält sowas bis zu drei Tagen durch, ehe ihn die Kraft verläßt und er schließlich erstickt, weil er sich nicht mehr aufrichten kann. Deshalb übrigens gab es an Kreuzen oft Stützen unter dem Hintern bzw. Füßen: so mußte der Delinquent länger leiden, weil er sich immer wieder aufrichtete und die Prozedur verlängerte. Durch das Brechen der Beine wird das Aufrichten unmöglich gemacht, der Tod tritt relativ schnell ein.
Kurz gesagt: es gab so viele verschiedene Arten zu kreuzigen wie es Henker gab. Die Römer waren in der Hinsicht sehr erfinderisch. Und erfahren. Das heißt, lebend kam keiner vom Kreuz herunter.
Wer sich das in realiter ansehen möchte, der sei auf das Turiner Grabtuch verwiesen. Der Mann, welcher dort zu sehen ist, trug eine Art Dornenkrone, wurde mit 39 Hieben von zwei verschieden großen Folterknechten ausgepeitscht, hat einen Balken getragen, ist dabei gestürzt, wurde gekreuzigt, war tot, aber nicht sehr lange, als das Bildnis wie auch immer entstand.
Mal sehen, vielleicht suche ich mir meine alten Aufzeichnungen heraus, schreibe etwas ausführlicher und stelle das anderweitig ins Netz. Dann gebe ich hier den Link dazu an.