am 17.Juni 2009 mit dem ungarischen Schriftsteller Peter Esterhazy
Auch im direkten Umfeld der Heidleberger Literaturtage war an diesem Abend ordentlich was los. Direkt gegenüber dem Spiegelzelt auf dem Universitätsplatz demonstrierten die Studenten gegen das schlechte Bildungswesen und besetzten das Direktoriat der Universität, natürlich alles vollkommen friedlich. Währenddessen begannen die Eröffnungsreden und anschließend Peter Esterhazy mit einer ca. 45minütigen Lesung aus seinem neuesten Roman „Keine Kunst“, der im Berlin-Verlag erschienen ist.
Esterhazy las den ansprechenden Text mit großer Gelassenheit und Komik. Er las auf deutsch aus der Übersetzung von Teresia Mora.
Das unprätentiöse des Vortrags passte gut zum schwülwarmen Abend im Zelt.
Natürlich habe ich mir anschließend das Buch signieren lassen und Peter Esterhazy hat mir noch verraten, dass seine Entscheidung als Vertrauensmann den diesjährigen Kleist-Preisträger zu bestimmen, keine so einfache war wie gedacht.
Kurzbeschreibung:
1985 hatte Esterhazy in den "Hilfsverben des Herzens" vom Sterben seiner Mutter erzählt. Jetzt erweckt er sie wieder zum Leben. Fast jeden Tag sieht er sie, während er diese Erzählung schreibt, sie essen zu Mittag, reden. Und er erfährt neue Geschichten - über die fünfziger Jahre, über die Fußball-"Wundermannschaft" von Bern, ihre Freundschaft mit den Fußballgöttern Hidekuti und Puskas, der ihr den Hof machte und dem es 1951 gelang, die Familie vor der Deportation zu bewahren. "Fußball ist ihr ganzes Leben, die Welt setzte sich im Kopf meiner Mutter aus den Vierecken des Fußballplatzes zusammen." Auf diesem Spielfeld lässt der Ich-Erzähler die uns bekannten Figuren aus seiner Familiengeschichte, Vater, Mutter, die Geschwister, auflaufen, aber in neuer Formation. Und wenn die Mutter ihm am Schluss den Text ihrer Todesanzeige diktiert hat, verlässt die Sprache das Spielfeld.
Über den Autor:
Peter Esterhazy, geboren 1950 in Budapest, stammt aus einer alten aristokratischen Familie, die nach der Machtergreifung der Kommunisten 1948 enteignet und deportiert wurde. Esterhazy studierte Mathematik an der Universität Budapest und arbeitete anschließend vier Jahre als Systemorganisator im Ministerium für die Hütten- und Maschinenbauindustrie. Seit 1978 ist er freiberuflicher Schriftsteller. Esterhazy wird zur postmodernen Generation ungarischer Literaten gezählt und kehrte sich bereits mit seinem ersten Novellenband "Fancsiko und Pinta"« (1976) strikt von der Tradition des sozialistischen Realismus ab. Breite Beachtung fand er für den als sein "Opus magnum" bezeichneten Roman "Harmonia Cælestis" (2000) über die Geschichte der Familie Esterhazy. Die Familienchronik führte in Ungarn monatelang die Bestsellerlisten an und wurde neben dem Sandor-Marai-Preis auch mit dem Ungarischen Literaturpreis ausgezeichnet. In der zwei Jahre später veröffentlichten "Verbesserten Ausgabe" setzt sich Esterhazy mit der Spitzeltätigkeit seines Vaters auseinander. Esterhazy ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Budapest.